Falko MohrsSPD - Digitales Wettbewerbsrecht
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wettbewerb hat eine entscheidende Rolle in unserer sozialen Marktwirtschaft. Im besten Fall sorgt Wettbewerb dafür, dass Produkte innovativer und besser werden; Wettbewerb sorgt dafür, dass Produkte zu attraktiven Preisen angeboten werden; Wettbewerb ist damit ein wirklich wesentlicher und wichtiger Teil unserer sozialen Marktwirtschaft. Deswegen muss Wettbewerb auch geschützt werden.
Wenn man dieser Logik folgt, dann ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung, das GWB, dessen Novelle wir heute beschließen, so etwas wie das Grundgesetz, die Grundlage unserer sozialen Marktwirtschaft in Deutschland; davon sind wir fest überzeugt. Wir sehen aber – deswegen ist es wichtig, mit dem GWB entsprechend zu reagieren –, dass insbesondere auf digitalen Märkten Wettbewerb nach anderen Regeln ab- und verläuft. Wir erleben, dass es auf digitalen Märkten eine viel stärkere Tendenz zu Monopolen gibt, Netzwerkeffekte sehr viel stärker eintreten, also die Unternehmen, die schon groß und stark sind, die Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten haben, immer mehr Marktmacht auf sich konzentrieren und damit immer weniger Raum für kleine und mittelständische Wettbewerber lassen. Das, meine Damen und Herren, ist eine Entwicklung, die insbesondere auf digitalen Märkten sehr viel schneller und drastischer verläuft.
Digitale Märkte haben eine Tendenz zum, wie wir es nennen, „The winner takes it all“, also am Ende gibt es einen einzigen Wettbewerber, der so dominant wird, dass Wettbewerb auf diesen Märkten de facto nicht mehr stattfindet. Das ist eindeutig und, ich glaube, völlig unbestreitbar ein Problem, dem wir uns annehmen müssen. Das tun wir mit diesem Gesetz.
Herr Dr. Maier, ich habe Sie bisher in der Debatte des Wettbewerbsrechts im Wirtschaftsausschuss noch nicht erlebt; ich weiß auch gar nicht, worüber Sie gesprochen haben. Aber eine Aussage habe ich herausgehört: Eigentlich wollen Sie am Ende alles irgendwelchen Verpflichtungen der Unternehmen überlassen; „Code of Conduct“ ist ja – ich weiß gar nicht – 35-mal gefallen, mehr habe ich nicht verstanden. Ich glaube aber, dass das, was ich gerade im Wettbewerbsrecht beschrieben habe, doch und insbesondere auf den digitalen Märkten der Beweis dafür ist, dass es eben nicht funktioniert, wenn wir den großen digitalen Plattformen wie Google, Facebook, Amazon, Apple die Regeln für den Markt allein überlassen. Nein, es bedarf klarer Richtlinien und eines scharfen, starken Schwertes in Form eines Gesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Deswegen packen wir das GWB an. Wir machen es fit für die digitalen Märkte. Das ist der richtige Weg. Wir dürfen nicht alles dem Markt überlassen, wie es hier eben vorgeschlagen wurde.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mit der Novelle des Wettbewerbsrechts übernimmt Deutschland weltweit eine Vorreiterrolle; denn mit dem Herzstück dieser Wettbewerbsrechtsnovelle, dem neuen § 19a GWB, werden wir proaktiv. Wir sorgen dafür, dass das Bundeskartellamt bei den Unternehmen, wo wir sagen: „Da gibt es eine überragende, eine marktübergreifende Macht und Dominanz“, vor die Lage kommt und proaktiv, präventiv Verhaltensregeln aussprechen kann, an die sich diese Unternehmen halten müssen. Der Kollege Heider hat es gesagt: Wir verbieten damit Unternehmen, sich selber zu bevorzugen.
Wir erleben auf digitalen Märkten oder Plattformen immer wieder, dass der eigentliche Anbieter dieses Marktplatzes eigene Produkte, mit denen er selber Geld verdient, besser rankt, besser darstellt als die von Wettbewerbern, ohne dass es dafür irgendeinen Grund gibt. Wir erleben auch, dass Unternehmen Konditionenmissbrauch betreiben, also für diejenigen, die bei ihnen eine Dienstleistung oder ein Produkt anbieten wollen, zusätzliche Bedingungen schaffen, die nicht notwendig wären; sie erzwingen beispielsweise den zusätzlichen Zugang zu Daten, nur damit sie diese attraktiv anbieten können. Das, meine Damen und Herren, können wir uns nicht bieten lassen, und deswegen bieten wir dem Marktgebaren dieser digitalen Großunternehmen die Stirn.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es gibt weitere Dinge, die wir im Hinblick auf digitale Märkte mit dem Wettbewerbsrecht anpacken. Wir werden in zwei Paragrafen regeln, dass dort, wo Daten so etwas wie eine Infrastruktur für Wettbewerb sind – wir kennen das von der Bahn bei dem Thema Gleise –, ein Datenzugangsanspruch verankert wird, dass dort, wo es für den Wettbewerb eine klare Begründung gibt, auch der Zugang zu Daten geregelt und angewiesen werden kann.
Wir haben auch an anderen Stellen reagiert. Wir sehen zum Beispiel, dass es Unternehmen gibt, die im ersten Schritt eine Übernahme eines Klein- oder Mittelständlers planen; diese Übernahme ist vielleicht noch gar nicht problematisch für den Wettbewerb. Dann gehen sie aber den nächsten, den übernächsten Schritt und nehmen kleine Unternehmen, die vielleicht knapp unter den Aufgreifschwellen, den Umsatzschwellen liegen, nach und nach auf. Mit dem neuen § 39a GWB haben wir dafür gesorgt, dass genau diese Übernahmen, die Schritt für Schritt erfolgen, in Zukunft vorher beim Bundeskartellamt angemeldet werden müssen, wenn vom Bundeskartellamt festgestellt wurde, dass auf diesen Märkten eine problematische Tendenz für den Wettbewerb besteht. Das ist ebenfalls eine wichtige Neuerung, die insbesondere den Wettbewerb im Mittelstand garantiert und schützt, meine Damen und Herren.
Wir haben das Bundeskartellamt entlastet, indem wir Umsatzschwellen anheben; auch das ist eine Entlastung für den Mittelstand. Wir haben – auch das ist angesprochen worden – dafür gesorgt, dass es gerade bei den großen, den komplizierten Fälle gegen die Giganten der Tech-Industrie schneller zu einem abschließenden Urteil und damit zu Rechtssicherheit für alle Beteiligten kommt. Auch das, meine Damen und Herren, sorgt dafür, dass ein Urteil nicht erst dann ergeht, wenn die Konkurrenten längst verschwunden sind, verdrängt wurden, der Markt sich weiter gedreht hat, sondern dass hier schnell Klarheit und damit auch Sicherheit für den Wettbewerb besteht.
Deswegen bin ich wirklich fest davon überzeugt, dass das, was wir hier – weltweit als erstes Land – mit dieser GWB-Novelle vorlegen, wirklich Inspiration für die Diskussion auf europäischer Ebene sein wird, Inspiration auch für das Wettbewerbsrecht in anderen Ländern wird. Wir sind damit Vorreiter; darauf können wir stolz sein. Ich werbe dafür, dass wir heute hier eine breite Zustimmung zu diesem guten Gesetz bekommen, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich die letzten, kurzen Sekunden zumindest noch einmal darauf verweisen, dass dieses Gesetz auch als ein Trägergesetz dafür gilt, dass wir die Zahl der Tage, für die Anspruch auf Kinderkrankengeld besteht, in dieser außergewöhnlichen Lage von Corona erhöhen, das heißt, Alleinerziehende oder auch andere Eltern, viele Millionen diesem Land, bekommen eine Verdopplung der Kinderkrankengeldtage für dieses Jahr. Das ist wichtig zur Abfederung der Lasten in dieser schweren Zeit, meine Damen und Herren.
Insofern ist das Gesetz ein gutes Wettbewerbsgesetz, ein gutes Trägergesetz für eine wichtige Regelung in der Coronazeit. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Michael Theurer, FDP.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7495847 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 204 |
Tagesordnungspunkt | Digitales Wettbewerbsrecht |