14.01.2021 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 204 / Tagesordnungspunkt 11

Hansjörg DurzCDU/CSU - Digitales Wettbewerbsrecht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Amerikaner haben die Digitalisierung monetarisiert. Kapitalismus in Reinform hat dazu geführt, dass in vielen Bereichen des Lebens Anbieter digitaler Plattformen die Regeln von Wirtschaft und Gesellschaft bestimmen. Die Chinesen haben die Macht der Plattformen dem Taktstock staatlicher Akteure unterstellt. Der digitale Überwachungsstaat ist übermächtig und ganz offensichtlich noch lange nicht am Ende seiner Möglichkeiten.

Und Europa? Deutschland? Auch wir schreiben Geschichte. In einer Zeit, in der Digitalkonzerne bestimmen, wann die Mächtigen der Welt reden dürfen und wann ihnen das Wort entzogen wird, in einer Zeit, in der der am weitesten verbreitete Messengerdienst des Landes seine Nutzer vor die Wahl stellt, ihre Daten mit denen eines Techgiganten endgültig zu vermengen oder den Dienst nicht weiter zu nutzen, in einer solchen Zeit braucht es genau ein Gesetz wie dieses.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir feiern heute nicht weniger als die Geburtsstunde der sozialen digitalen Marktwirtschaft. Nicht das Wohl von Unternehmen, nicht das Wohl des Staates, sondern der Mensch wird zur bestimmenden Konstante der digitalen Wirtschaft. Freier Schöpfergeist, Chancengleichheit, Wahlfreiheit – es sind diese gemeinsamen europäischen Werte, die wir heute in der Digitalwirtschaft verankern. Diese Novelle ist nicht weniger als eine, wenn man so will, Revolution. Als erstes Parlament der Welt verabschiedet der Deutsche Bundestag ein Wettbewerbsrecht, das den Herausforderungen der Digitalisierung gerecht wird.

So manche Oppositionspartei tönt derweil, dies sei nur ein laues Lüftchen statt echter Gegenwind für die führenden Plattformen dieser Welt. Doch sie springen mit ihren Rufen nach einem viel schärferen Vorgehen zu kurz; denn sie verachten die Tatsache, dass unsere Gesellschaft von diesen Unternehmen auch enorm profitiert. Lockdown ohne digitale Plattformen hieße, die Teilnahme am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben endgültig zu verlieren. Den Unternehmen wäre der einzige virenfreie Marktzugang verwehrt. Und wie sähe in dieser schweren Zeit berufliches und gesellschaftliches Leben ohne digitale Plattformen aus?

Wir haben das Gesetz deshalb so gestaltet, dass Gatekeeper auch weiterhin innovativ sein können. Wir wollen systemrelevante digitale Plattformen nicht vernichten; wir wollen aber, dass sie sich an faire Spielregeln halten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Und diese Spielregeln haben wir hier klar und deutlich formuliert, zum Beispiel ein Verbot der Selbstbevorzugung. Eigene Produkte dürfen auf Plattformen nicht bessergestellt werden als die von Wettbewerbern. Auch die ausschließliche Vorinstallation unternehmenseigener Apps und Angebote auf Endgeräten kann künftig untersagt werden. Zudem kann betroffenen Unternehmen verboten werden, die Nutzung eines Dienstes von der Nutzung weiterer Dienste desselben Unternehmens abhängig zu machen.

Bleibt die Frage, wie wir es mit einem Verbot von Unternehmensaufkäufen halten. Wir haben Eingriffsmöglichkeiten für das Bundeskartellamt vorgesehen. National verbieten wollen wir solche sogenannten Killer Acquisitions jedoch nicht. Erkannt haben wir das Problem allerdings sehr wohl; das können Sie in unserem Entschließungsantrag schwarz auf weiß nachlesen. Doch fordern wir eine europäische Regelung; denn der Aufkauf durch einen großen Player ist weiterhin eine beliebte Exit-Strategie für Gründer. Wir als Union werden das nicht zulassen. Wir werden Gründern in diesem Land keinen hausgemachten Wettbewerbsnachteil ans Bein binden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sorgen auch dafür, dass dieses Gesetz nicht bloß ein Papiertiger ist. Nein, wir wollen, dass die Reform nicht bloß auf den Schreibtischen der Rechtsgelehrten, sondern vor allem auf den Endgeräten der Bürger ankommt. Deshalb verkürzen wir den Rechtsweg. Allein der BGH wird als oberste und einzige Rechtsinstanz über die Streitigkeiten von Unternehmensanwälten und Staatsdienern im Rahmen des § 19a GWB entscheiden. So schaffen wir Rechtssicherheit statt jahrelanger Verunsicherung und werden der Dynamik digitaler Märkte gerecht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Reform ist ein Vorbild für Europa. Kurz vor Weihnachten hat die EU-Kommission einen Entwurf zur Regulierung von Techgiganten vorgestellt. Die Ziele dieses Gesetzespaketes sind richtig, und es ist gut, dass wir damit einen Schritt hin zu europäisch einheitlichen Lösungen gehen. Viele europäische Ideen haben wir bereits aufgenommen. Doch zur Wahrheit gehört auch: Bis diese europaweiten Regelungen in Kraft treten, werden wohl noch Jahre vergehen.

In dieser Zeit wird Deutschland Praxiserfahrungen mit den neuen Regeln sammeln, und diese Erfahrungen werden wir in Europa einbringen. Welche Regelung sich auch immer auf europäischer Ebene durchsetzen wird, sie muss nur eines klar regeln: Über Erfolg oder Misserfolg im wirtschaftlichen Leben entscheidet künftig nicht mehr die unsichtbare Hand von Amazon und Alphabet, sondern die unsichtbare Hand von Angebot und Nachfrage.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich schließe die Aussprache.

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Electoral Period 19
Session 204
Agenda Item Digitales Wettbewerbsrecht
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