14.01.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 204 / Zusatzpunkte 11, 12

Ulrike BahrSPD - Schuljahr 2020/21, Planungssicherheit für Schulen

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer der letzten Debatten des vergangenen Jahres haben wir an dieser Stelle über die Schulen diskutiert. Nun debattieren wir in einer unserer ersten bildungspolitischen Runden des noch jungen Jahres erneut darüber.

(Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Ja, das muss sein!)

Ich gebe zu: Das Thema Schulschließungen ist und bleibt elementar. Aber es ist doch so, dass immer neue Anträge, die sich um das gleiche Thema drehen, der grundsätzlichen Problematik nicht unbedingt weiterhelfen.

(Beifall der Abg. Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU] – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Dann lesen Sie die!)

Es ist unumstritten, dass wir mehr Verlässlichkeit für Schülerinnen und Schüler, deren Eltern sowie für Lehrerinnen und Lehrer benötigen; denn sie sind die Leidtragenden. Ihnen muten wir im Moment sehr viel zu, und ihnen haben wir auch im vergangenen Jahr einiges abverlangt. Ich bewundere meine Kolleginnen und Kollegen an den Schulen, die trotz widriger Umstände ihren Lehrauftrag ernst nehmen und lebensnahe Lernangebote täglich umsetzen. Das gilt es anzuerkennen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die eingebrachten Vorschläge der Linken und der FDP verzerren in meinen Augen aber die Realität. Ja, wir brauchen praktikable und flexible Lösungen vor Ort. Vielerorts gibt es sie, woanders noch nicht. Das heißt aber nicht, dass wir einfach von der Bundesseite aus Vorschläge anordnen, als wären wir der Aufsichtsrat der Länder. Es ist doch eine Illusion, wenn Sie mit den Anträgen versprechen, dass wir in Berlin nur mit dem Finger schnipsen müssen und schon wären die Probleme wie die fehlenden Schulserverkapazitäten für die Schul-Clouds, die unzureichende digitale Ausstattung an Schulen oder die mangelnde Kommunikation zwischen Bund und Ländern gelöst.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Auch ich bin der Meinung, dass man sich hätte anders vorbereiten können. Dazu hatten wir und die Länder Zeit, wenn auch nicht viel. Hinterher lässt sich das allerdings auch leichter feststellen. Fakt ist aber auch, dass wir bereits vieles auf den Weg gebracht haben, beispielsweise mit den zusätzlichen 1,5 Milliarden Euro für den DigitalPakt Schule, mit denen wir Laptops für Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer bezahlen sowie die Pflege und Wartung dieser Geräte finanzieren. Es ist nicht so, dass unsere bundesseitigen Unterstützungsleistungen jetzt auslaufen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir helfen weiter und schärfen kontinuierlich bestehende Instrumente nach.

Homeschooling und Homeoffice vertragen sich nicht. Das weiß Ministerin Giffey, und das erleben wir persönlich jeden Tag. Deshalb entlasten wir Familien. Heute haben wir die Ausweitung der Kinderkrankentage beschlossen: von 10 auf 20 Arbeitstage pro Elternteil pro Kind und für Alleinerziehende von 20 auf 40 Tage pro Kind. Das sind passgenaue Hilfsangebote, die in Bundeskompetenz liegen

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

und mit denen wir auch Planungssicherheit schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Denn der Anspruch gilt neuerdings, wenn Kitas oder Schulen geschlossen oder nur eingeschränkt geöffnet sind und Eltern dadurch ein Betreuungsproblem haben. Selbst wenn Eltern grundsätzlich im Homeoffice arbeiten, besteht künftig der Anspruch auf Kinderkrankentage.

Auf ein weiteres Dilemma finden Ihre Anträge auch keine Antwort: Die Pandemie verläuft nicht linear. Sie ist nicht planbar, weder bei den Fallzahlen noch bei der geografischen Verteilung der Hotspots. Genau das macht es doch so schwierig, passgenau und verlässlich zu kommunizieren, was wann wo wieder möglich sein wird. Trotzdem ist es richtig, auf folgende zwei Punkte zu beharren:

Erstens. Wir brauchen klare und einheitliche Vorgaben für Schulen, die sich nicht ad hoc ändern.

Zweitens. Wir brauchen Notfallszenarien, falls die Inzidenzwerte weiter ansteigen, anstatt zu sinken.

Diese zwei Punkte sind zentral; denn die Krise schafft Bildungsverlierer/-innen. Das ist die bittere Realität. Deshalb kann ich den guten Willen zwar anerkennen, dass die Kulturminister/-innen so lange am Modell des Präsenzunterrichts festhielten bzw. schnell zum ihm zurückkehren wollten. Die beste digitale Ausstattung kann niemals den persönlichen Austausch ersetzen, aber bei steigenden Inzidenzzahlen auf Schulöffnungen zu pochen, geht eben auch nicht.

Wie schwierig es ist, Anspruch und Regierungswirklichkeit miteinander in Einklang zu bringen, erleben wir mit einer CDU-Bildungsministerin in Baden-Württemberg oder einer FDP-Bildungsministerin in NRW oder – auch selbstkritisch – einer SPD-Bildungssenatorin in Berlin. In Baden-Württemberg pochte Ministerin Eisenmann auf den Präsenzunterricht an Schulen nach den Weihnachtsferien, in Nordrhein-Westfalen verbot Ministerin Gebauer einem Oberbürgermeister, in seinen Klassen das Wechselmodell zuzulassen, und in Berlin, so berichtet „Der Tagesspiegel“, sollte – mit Zustimmung der Grünen und der Linken – ab dieser Woche mit einem Stufenmodell wieder der Unterricht in Präsenz anlaufen, bevor auch das gekippt wurde.

Machen wir uns ehrlich: Es gibt keine einfachen Lösungen, auch wenn Sie das mit Ihren Anträgen suggerieren. Trotzdem müssen wir erwarten können, dass sich die Länder bezüglich des Schulunterrichts künftig besser abstimmen und nach gemeinsamen Maximen handeln.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Der von uns befürwortete, aber von den Landesregierungen in Bayern und Baden-Württemberg nicht gewollte Nationale Bildungsrat hätte hier gute Arbeit leisten können.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE])

Nun sollten wir vor allem von der Bundesregierung das einfordern, was ausgemacht war, zum Beispiel den Abschluss von Mobilfunkverträgen für die Tablets der Schülerinnen und Schüler, damit alle einen Zugang zum Internet bekommen.

Glücklicherweise läuft es in anderen Bereichen nach langem Hin und Her endlich deutlich besser.

(Nicole Höchst [AfD]: Für die Grundschulen nicht!)

Konkret will ich die Unterzeichnung der Verwaltungsvereinbarung für die Investitionsmittel für den Ganztagsausbau loben. Nun stehen 750 Millionen Euro bereit, damit Länder und Kommunen die Planung, den Neubau, den Umbau, die Erweiterung, die Modernisierung und die Sanierung von Ganztagsangeboten finanzieren können.

(Nicole Höchst [AfD]: Und dann darf keiner hin!)

Das ist gut so; denn die Coronamonate haben noch einmal besonders deutlich gemacht, wie wichtig eine gute und verlässliche Betreuungsinfrastruktur für Kinder und für Eltern ist – wichtig für die Förderung der Kinder, wichtig für die Familien, wichtig auch für das Arbeitsleben und die Wirtschaft. Nur so kann die Vereinbarkeit von Familie und Beruf funktionieren,

(Nicole Höchst [AfD]: Ist nicht gegeben!)

nur so können wir weitergehen auf dem Weg zu mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung.

(Nicole Höchst [AfD]: Bildung war noch nie so ungerecht wie heute! – Gegenruf des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie nicht mehr im Schuldienst sind! – Gegenruf von der LINKEN: Gott sei Dank!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Jetzt kommt die nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke die Abgeordnete Dr. Birke Bull-Bischoff.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7496530
Wahlperiode 19
Sitzung 204
Tagesordnungspunkt Schuljahr 2020/21, Planungssicherheit für Schulen
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