Martin RabanusSPD - Aktuelle Stunde: Big Tech und die Meinungsfreiheit im Internet
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Stunde entspricht einmal mehr dem üblichen Muster: Vermeintlich setzt sich die AfD für Meinungsfreiheit ein. In Wirklichkeit geht es ihr selbstverständlich um etwas vollkommen anderes.
Ja, Twitter, Facebook und andere haben Hunderte Propaganda-Accounts, Fake-Accounts, Bot-Accounts gesperrt. Und ja, das reduziert bei dem einen oder anderen von Ihnen die Zahl der Follower empfindlich. Auch das stimmt. Da gibt es hinreichend larmoyante Posts auf ebendiesen sozialen Netzwerken. Das ist allerdings mit Sicherheit kein Angriff auf die Meinungsfreiheit, sondern ist richtig so. Ich würde fast sagen: Das ist nur recht und billig. Dazu haben sich erfreulicherweise nicht nur die Netzwerke selber verpflichtet – ich will nicht all das wiederholen, was zu Recht zur Frage der Transparenz gesagt worden ist, zum Hausrecht dieser Plattformen, dazu, dass diese Regelungen nicht willkürlich sein dürfen –; dazu haben auch wir als Gesetzgeber die Plattformen verpflichtet, beispielsweise wenn die Inhalte strafbar sind. Wir haben die Plattformen dazu verpflichtet, Beschwerdemechanismen einzuführen und Einträge zu prüfen und zu löschen, wenn sich Inhalte als rechtswidrig erweisen, oder den Zugang zu sperren. Wir haben auch aus gutem Grund eine Meldepflicht der sozialen Netzwerke begründet, beispielsweise bei Volksverhetzung oder Morddrohungen. Zudem verpflichten wir mit unterschiedlichen Regelungen Medienplattformen und Intermediäre zur stärkeren Sicherung von Medienvielfalt, zu fairem Wettbewerb, zu Meinungs- und Persönlichkeitsrechtsschutz. All das tun wir, und das ist richtig; denn Maßnahmen gegen Hass und Hetze sind für die Verteidigung unserer Demokratie unerlässlich.
Das gefällt der AfD nicht.
(Beatrix von Storch [AfD]: „Hass und Hetze“ ist keine Kategorie des Strafrechts!)
Wir wissen schon länger, dass Ihnen das nicht gefällt. In Wahrheit – und darum geht es am Ende in dieser Aktuellen Stunde – haben Sie Angst davor, dass Sie und Ihresgleichen nicht mehr jeden unappetitlichen Cocktail zusammenrühren können, und zwar straflos, und den Menschen vorsetzen dürfen. Ihr rechtspopulistisches Geschäftsmodell ist es, mit Hass, mit Hetze, mit Halbwahrheiten, mit Lügen und Verschwörungsmythen um die Ecke zu kommen. Dieses politische Geschäftsmodell sehen Sie für sich bedroht. Das ist der Grund, warum Sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber ich will an dieser Stelle auch klar sagen: Je realer und je begründeter Ihre Angst ist, die Angst, dass Ihr Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert, umso besser haben wir hier gearbeitet, umso mehr nehmen auch soziale Plattformen und Netzwerke ihre Verantwortung selber wahr.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich will lieber darüber reden, welche Probleme wir wirklich im Bereich der Meinungsfreiheit haben. Wir haben das Problem, dass wir nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und darüber hinaus mehr und mehr ein Klima haben, das die Arbeit von freien und unabhängigen Medien erschwert oder gar gänzlich infrage stellt; denn durch Fake News oder Diffamierungen von Medienhäusern, aber auch von Medienschaffenden, von Menschen, die eine Meinung artikulieren, die bestimmten lautstarken Gruppen nicht gefällt, wird es für diese Menschen immer schwieriger. Diffamierungen wie „Lügenpresse“ oder „gleichgeschalteter Staatsrundfunk“ zeigen das ja auch bei uns in Deutschland. Da sind genau Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen – nicht „liebe“, aber Kolleginnen und Kollegen – der AfD,
(Ulli Nissen [SPD]: Das können Sie durchaus streichen! – Beatrix von Storch [AfD]: Sie können auch einfach „Kollegen“ sagen!)
ganz vorne mit dabei. Sie sind tatsächlich das Problem und nicht die Lösung.
(Beifall bei der SPD)
Erfreulicherweise folgen Ihnen da nicht besonders viele Menschen – das belegen viele Umfragen –, insbesondere in Bezug auf die Glaubwürdigkeit von Medien, von Quellen für Informationen. Ich will an dieser Stelle als Beispiel den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nennen, der gerade in der Pandemie viel Zuspruch erhalten hat – und Sie eben nicht.
(Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])
Sosehr ich mich darüber freue, dass wir bei der Regulierung der großen Plattformen vorankommen, auch darüber, dass die sozialen Netzwerke ihre Verantwortung zunehmend selbst wahrnehmen, so sehr müssen wir natürlich perspektivisch die Frage stellen: Wo ist eigentlich der öffentliche europäische digitale Debattenraum? Wie können wir es schaffen, neben die rein profitorientierten US-amerikanischen Großplattformen etwas Europäisches, nicht Profitorientiertes zu stellen? Das ist aber eine andere Debatte, die wir führen werden und führen müssen, weil sie in die Zukunft weist. Das Sperren von Propaganda-Accounts sollte selbstverständlich sein.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD – Karsten Hilse [AfD]: Absoluter Sozialismus! Genau so, wie ich es in der DDR kennengelernt habe! Verdammte Sozis! Das kann doch wohl nicht wahr sein!)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Dr. Volker Ullrich das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7499104 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 206 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Big Tech und die Meinungsfreiheit im Internet |