29.01.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 207 / Tagesordnungspunkt 28

Christian WirthAfD - Änderung des BND-Gesetzes

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Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Einmal mehr beschäftigen wir uns diese Woche mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2020 und mit Ihrem leider zum Scheitern verurteilten Gesetzentwurf, diesmal mit den Auswirkungen auf den Bundesnachrichtendienst. Bei allem Respekt für das Bundesverfassungsgericht und im Bewusstsein des Spannungsfeldes zwischen Datenschutz und Sicherheit: Hier wurde der BND klassisch abgegrätscht. Am deutschen Grundgesetz soll die Welt genesen – spüren Sie diese geradezu wilhelminische Aura dieses Gesetzes?

Was seit dem Kodex Hammurabi noch kein Jurist jemals erdacht hat, soll jetzt geltendes Recht werden: Anders als jedes andere Gesetz und jede Verfassung auf der Welt, ja anders als selbst die Europäische Menschenrechtskonvention, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Artikel 56, die alle auf das Hoheitsgebiet eines Staates abstellen, soll unser Grundgesetz auf der ganzen Welt gelten. Am deutschen Wesen …

Wenn ein IS-Henker im Irak von seinem Kommandanten in Syrien den Befehl für die nächsten 50 Enthauptungen bekommt, kann er sich dem Schutz seiner deutschen Grundrechte sicher sein.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Völliger Schwachsinn!)

Wenn deutsche Soldaten unter Taliban-Feuer liegen, wird deren Funk erst mal von einem deutschen Kontrollorgan geprüft, bevor man ihn abhören kann.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das Urteil nicht gelesen!)

Was kommt als Nächstes? Schadensersatzklagen der Terroristen und Schwerverbrecher wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weder noch!)

am besten in den USA wegen der horrenden Summen, die dort ausgeurteilt werden? Eine neue Form von Entwicklungshilfe.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Sie haben es nicht verstanden!)

Wir haben dies ausländischen Journalisten zu danken, die aus Ländern mit echten Menschenrechtsverstößen kommen und Deutschland gezielt für ihre Klage ausgewählt haben. Hier, wo die Sicherheitsorgane nur dann nicht auf stiefmütterlichste Art und Weise behandelt und beschimpft werden, wenn sich ihre Aktivitäten gegen verfassungstreue Oppositionsparteien richten.

(Benjamin Strasser [FDP]: Das ist einfach falsch!)

Die Folgen dieses Urteils und Ihres Gesetzentwurfes sind katastrophal. Auslandsaufklärung, sofern es um Telekommunikation geht, wird effektiv unmöglich.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch!)

Alle Erkenntnisse, die auch nur ansatzweise zeitnah gewonnen werden müssen, werden durch Kontrollgremien verschleppt. Schließlich und ganz entscheidend wird die internationale Kooperation, zum Beispiel bei der Terrorismusbekämpfung, unmöglich gemacht. Kein Geheimdienst wird seine Kenntnisse mehr mit uns teilen, die „Third Party Rule“ ist tot.

(Beifall bei der AfD)

Und man wird hier in Deutschland sehr schnell merken, dass die Geheimdienste anderer Staaten uns viel weniger brauchen als wir sie.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben keine Ahnung! Noch nicht mal eine Idee!)

Als Partner werden dann an die Stelle des schon jetzt rechtsstaatlich und moralisch festen BND andere Dienste mit deutlich weniger Skrupel, deutlich weniger roten Linien und deutlich mehr Leichen im Keller treten.

Aber diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist ja nur ein Teil des Puzzles. Statt das Urteil als Anlass zu nehmen, um die Sicherheitsbehörden grundlegend zu reformieren, so wie die AfD es bei der Entfristung des Terrorismusgesetzes gefordert hat – Zeit genug war und ist noch –, kommt wieder nur Flickwerk. Sie bauen Vorschrift auf Vorschrift auf Vorschrift und schaffen eine neue Reform, die allein als Bürokratiemonster völlig praxisfern die Arbeit des Nachrichtendienstes behindert, was auch die Sachverständigenanhörung am Montag bestätigt hat.

In den 70er-Jahren schlug ein dänischer Politiker aus Protest vor, dass das ganze dänische Militär durch einen Anrufbeantworter ersetzt werden soll, auf dem nur auf Russisch zu hören war: Wir kapitulieren! – Im selben Geiste empfehle ich Ihnen, den BND durch einen Aktenordner zu ersetzen, in dem auf einem Blatt nur steht: Wissen wir nicht. – Es wäre dasselbe Ergebnis wie Ihr Gesetzentwurf hier; aber wir würden wenigstens Geld sparen.

Herzlichen Dank. Ein schönes Wochenende, und fühlen Sie sich sicher!

(Beifall bei der AfD – Thomas Hitschler [SPD]: Ich habe noch eine Idee, wie man Geld sparen könnte!)

Das Wort hat Uli Grötsch für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7499506
Wahlperiode 19
Sitzung 207
Tagesordnungspunkt Änderung des BND-Gesetzes
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