25.02.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 212 / Zusatzpunkt 4

Peter BoehringerAfD - Eigenmittelbeschluss- Ratifizierungsgesetz

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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf über ein neues EU-Eigenmittelsystem ist eine historische Zäsur. Minister Scholz, Sie sprachen eben von einer Weggabelung; so weit folgen wir Ihnen tatsächlich. Er markiert den letzten Schritt in eine faktische, aber illegale EU-Fiskalunion – auch das Wort haben Sie eben in den Mund genommen –,

(Beifall bei der AfD)

was alle gegenteiligen Versprechungen seit den 1990er-Jahren bricht.

Die Schuldenaufnahme der EU wird über den Naturkatastrophen-Artikel 122 AEUV begründet. Dabei wird das Geld bei Weitem nicht nur für die Bewältigung von Coronafolgen eingesetzt. Vor allem aber werden hier Artikel 310 und 311 AEUV verletzt, die seit Jahrzehnten immer als absolutes Verbot jeder EU-Verschuldung angesehen worden waren.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Artikel 122 AEUV legitimiert ganz trivial lediglich einen klassischen finanziellen Beistand der EU gegenüber einem notleidenden Mitgliedstaat, keinesfalls eine Kreditaufnahme der EU insgesamt.

(Beifall bei der AfD)

Der EU ist gemäß ihren eigenen Verträgen somit eine Kreditfinanzierung ihrer Ausgaben grundsätzlich verboten.

(Beifall bei der AfD)

Auch die Bundesbank sieht das übrigens so. Die Bundesbank schrieb noch 2020 – ich zitiere –: Eine Kreditaufnahme auf EU-Ebene ist in den Verträgen nicht vorgesehen. – Selbst der Rat der EU schrieb noch 2020 völlig klar: Die EU darf sich nicht durch Kredite finanzieren. – So stand es da. Doch dann wurde die Internetseite der EU am 16. Juni 2020 klammheimlich verändert, und man behauptet seitdem exakt das Gegenteil.

(Thomas Ehrhorn [AfD]: Unfassbar!)

Eine weitere Geschäftsgrundlage – eine wichtige Geschäftsgrundlage – des Euro war seit Maastricht 1992: Niemals eine Haftungsgemeinschaft! – Doch was wird passieren, wenn etwa Italien die neuen gemeinsamen EU-Anleihen einmal nicht tilgen kann oder will? Deutschland muss – muss! – dann gemäß Eigenmittelbeschluss Artikel 9 – das liegt vor Ihnen – auch solche ausfallenden Anteile mit übernehmen.

Die neuen EU-Kredite stellen eine radikale Änderung der europäischen Finanzverfassung dar.

(Beifall bei der AfD)

Die No-bailout-Regel des Artikels 125 AEUV hat aber Verfassungsrang. Die deutsche Regierung radikalisiert sich, wenn sie heute EU-Anleihen vorschlägt. Wo ist der Verfassungsschutz, wenn man ihn braucht?

(Beifall bei der AfD – Lachen des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])

Formell wird der Bundestag bei „Next Generation EU“ in Form einer sogenannten begrenzten Einzelermächtigung beteiligt. Bei einer Schuldenaufnahme für das temporäre Aufbauinstrument von mindestens 750 Milliarden Euro mit Tilgung bis 2058 ist hier aber faktisch gar nichts mehr begrenzt. Eine solche Einzelermächtigung ist ein schlechter Witz und ein Dammbruch. Wenn dieser Damm einmal gebrochen ist, dann wird Brüssel immer wieder riesige begrenzte Einzelsummen zulasten deutscher Bonität aufnehmen und sie großzügig nach Südeuropa und Frankreich umverteilen. Das ginge so dann auch im Billionenbereich.

(Beifall bei der AfD)

Der heutige Vorschlag stellt ohne Übertreibung das Haushaltsrecht des Bundestags gemäß Artikel 110 Grundgesetz zur Disposition. Beim geplanten Verschuldungstempo der EU wird sehr zügig ein Schadenpotenzial von über 750 Milliarden Euro entstehen. Es ist bei solchen Volumina absurd, wenn die Regierung ernsthaft behauptet, die Haushaltshoheit künftiger Deutscher Bundestage sei durch diesen Eigenmittelbeschluss nicht tangiert. Diese Hoheit ist gemäß Lissabon-Urteil des Verfassungsgerichts von 2009 ein unveräußerlicher Kernbestand unserer nationalen Souveränität.

(Beifall bei der AfD)

Gemäß dem vorliegenden Gesetz haftet Deutschland für bis zum Zehnfachen unseres offiziellen Tilgungsanteils. Faktisch könnte Deutschland mit dem vorliegenden Gesetzentwurf problemlos alleine für die gesamten Next-Generation-EU-Kredite haften. Warum diese extreme Überbesicherung? Hier werden offenbar schon heute hohe Kreditausfälle Südeuropas eingeplant, und der Bundestag soll deren Übernahme durch Deutschland implizit-materiell bereits heute mit absegnen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Trotz dieses gewaltigen Sicherheitspuffers ist übrigens absehbar, dass die EZB – die EZB! – einen Großteil der Anleihen auf ihr Buch nehmen wird. Das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenbank gemäß Artikel 123 AEUV ist damit auch noch tangiert und wird immer weiter ausgehöhlt.

Noch ein weiterer Rechtsbruch ist vorprogrammiert: Die EU-Wiederaufbaumittel dürften natürlich nur zur Bewältigung der Folgen von Covid-19 verwendet werden. Doch es ist ein offenes Geheimnis in Brüssel, Athen, Madrid, Rom, auch in Warschau, dass die Mittel einfach nur fließen werden und kein begünstigtes Mitgliedsland sich um Konnexität scheren muss.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Ein Großteil der Gelder wird für andere Zwecke als Coronafolgen eingesetzt. Italien etwa – es bekommt 200 Milliarden Euro – will mit den Coronageldern den Kauf von Neuwagen finanzieren, Verbrenner übrigens. Hier spielt das heilige CO

(Beifall bei der AfD)

Die Mittel – zu über 400 Milliarden Euro sind es ja sogar Geschenke – sind längst überall verplant in den Haushalten. Es sind illegale Transferzahlungen auf Pump, allgemeine Wirtschaftshilfen.

Nicht nur rechtlich, auch haushalterisch ist der Vorschlag ein Albtraum. Die EU-Kreditaufnahme wird statistisch nirgendwo zugeordnet, nicht den nationalen Schuldenquoten, auch nicht der EU in dem Sinne. Auch das ist ein weiterer Taschenspielertrick zwecks Verschleierung. Haushalterische Klarheit ist hier nur noch eine ferne Erinnerung.

(Beifall bei der AfD)

Von den Geldgeschenken fließen übrigens nur 22 Milliarden Euro an Deutschland zurück, obwohl wir mindestens das Fünffache davon bezahlen. Die 750 Milliarden Euro Kredite für „Next Generation EU“ werden zudem nicht in den EU-Haushalt eingestellt; technisch nicht drin. Das wäre aber zwingend nach Artikel 310 und 314 AEUV. Das Programm ist damit ein unkontrollierter Schattenhaushalt.

(Beifall bei der AfD)

Fast geht unter – der Minister hat es aber erwähnt –, dass die neuen Eigenmittel nicht nur Schulden umfassen sollen, sondern etwa auch noch die Plastikabgabe – ein faktischer Einstieg in die neue Welt illegaler EU-Steuern, auch wenn der Begriff noch vermieden wurde. Als Fremdwort haben Sie ihn benutzt, Herr Minister: „Fiskalunion“ – illegal.

(Beifall bei der AfD)

Im Ergebnis wird die EU durch dieses Gesetz zunächst für drei Jahre zum extrem gut budgetierten Suprastaat. Die sich harmlos anhörende Erhöhung, die Sie demnächst mitbeschließen wollen, der Eigenmittelobergrenze um 0,8 Prozentpunkte von 1,2 auf dann 2,0 Prozent entspricht mittelfristig einer Erhöhung der deutschen EU-Haftungssumme um 67 Prozent.

Zudem soll dieser Wahnsinn auch noch dauerhaft gemacht werden.

(Stefan Keuter [AfD]: Unglaublich!)

Die Forderungen sind ja bereits da: Eine unheilige Allianz von Christine Lagarde, EZB, George Soros und DGB-Chef Hoffmann hat ganz öffentlich gefordert, aus der EU-Verschuldung eine Dauereinrichtung zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Fazit: Es geht hier nicht um Coronafolgen. Es geht um eine Veränderung des Charakters der EU hin zu einem hoch budgetierten Staat. Über den Umweg „EU-Verschuldung“ bekommt die EU ein indirektes, aber mächtiges Besteuerungsrecht in Form des Zugriffs auf nationale Steuerressourcen zur Tilgung ihrer Schulden durch die Mitgliedstaaten, deren Parlamente dann ab 2022 keine Mitsprache mehr haben werden über die jahrzehntelang zu tilgenden EU-Kredite. Der vorliegende Vorschlag, meine Damen und Herren, präjudiziert einen illegalen Zustand eines EU-Staats mit eigenem Megabudget. Hier wird der Boden unserer verfassungsrechtlichen Grundordnung eindeutig verlassen.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Eckhardt Rehberg, CDU/CSU, ist der nächste Redner.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7504334
Wahlperiode 19
Sitzung 212
Tagesordnungspunkt Eigenmittelbeschluss- Ratifizierungsgesetz
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