04.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 215 / Tagesordnungspunkt 9

Timon GremmelsSPD - Wirtschaftspolitik - Lockdown

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie von der AfD beschreiben keine Wege raus aus der Wirtschafts- und Lockdown-Krise, wie der Titel Ihres Antrags verspricht. Vielmehr servieren Sie uns ein Sammelsurium altbekannter AfD-Propaganda. Sie hetzen gegen die EU, Sie hetzen gegen Migranten, Sie hetzen gegen die Energiewende und gegen die Klimarettung, Sie hetzen gegen die Frauenquote in Führungspositionen. Das hat alles nichts und überhaupt gar nichts mit der Bewältigung der Coronakrise zu tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das alles ist alter Kaffee. Aber alter Kaffee zum x-ten Mal aufgebrüht ist am Ende doch nur braune Plörre.

(Beifall bei der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Sehr gut! – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Toller Rhetoriker!)

Lassen Sie sich das deutlich sagen: Sowohl die Pandemie wie auch die damit verbundene Wirtschaftskrise löst man als Exportnation doch nicht national, sondern nur europäisch und global. Das ist das kleine Einmaleins der VWL, der Volkswirtschaftslehre; aber die beherrschen Sie ja scheinbar nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mit der Forderung, alle Maßnahmen der Energiewende und des Klimaschutzes auszusetzen, ignorieren Sie doch, dass wir neben der Coronakrise auch noch eine Klimakrise haben, die wir bewältigen müssen. Diese Krise wartet doch nicht darauf, dass wir uns erst um Corona kümmern. Wir haben jetzt die einmalige Chance, beides zeitgleich zu bewältigen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

weil wir der Auffassung sind, dass die Bewältigung der Klimakrise auch einen Beitrag dazu leisten kann, aus der Coronakrise herauszukommen. Da ist die deutsche Wirtschaft, Gott sei Dank, viel weiter als die AfD, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Mit Ihrer Forderung nach einer pauschalen Öffnung würden Sie die dritte Welle, an deren Anfang wir stehen, zu einem Tsunami machen, und all unsere Erfolge, die wir errungen haben, würden Sie leichtfertig gefährden. Ich finde: Die gestern beschlossene schrittweise Öffnung, verbunden mit einer Schnell- und Selbstteststrategie, gibt Handel, gibt Gastronomie, gibt Kultur eine echte Perspektive, auf die wir vor Ort so dringend gewartet haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie von der AfD bemängeln auch die schleppende Auszahlung der Wirtschaftshilfen. Das Argument habe ich hier auch immer gebracht, und das war bis Mitte Februar ja auch richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren. Jetzt aber nicht mehr. Ein Großteil der Novemberhilfen, der Dezemberhilfen und der Neustarthilfen wurde inzwischen ausbezahlt. Auch die Gelder der Ü III fließen mittlerweile. Ich zitiere jetzt aus einer Whatsapp-Nachricht eines Gastronomen aus meinem Wahlkreis. Der hat mir gestern geschrieben: Lieber Timon, Update zu Ü III: Freitag Antrag gestellt, Samstag Bestätigung, Mittwoch erste Abschlagszahlung auf dem Konto. Das ging ja mal richtig flott.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Fritz Güntzler [CDU/CSU])

Weil ich ja auch häufig kritisiert habe, Herr Altmaier: Herzlichen Dank an Sie und auch an Olaf Scholz; denn die Gelder kommen an.

Das ist keine individuelle Erfahrung, sondern, wenn ich richtig informiert bin, mit Stand vom 1. März 2021 sind in allen Förderprogrammen des Bundes, die wir aufgelegt haben, von den insgesamt beantragten 30 Milliarden Euro mittlerweile 26 Milliarden Euro abgeflossen. Ich finde: Das kann sich sehen lassen. – Hilft aber nichts, wenn es vor Ort das ein oder andere Problem gibt. Darum kümmern wir uns jetzt auch mit dem Härtefallfonds. Aber ich glaube, dass wir daran einen Haken machen können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es läuft jetzt, und dazu haben auch maßgeblich die Koalitionsfraktionen beigetragen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das muss man an dieser Stelle auch mal sagen.

Ich finde: Jetzt habe ich mich schon viel zu lange mit diesem Antrag der AfD beschäftigt. Lassen Sie mich die Zeit doch nutzen, um Ihnen darzulegen, wie wir als Sozialdemokratie aus dieser Krise kommen wollen.

(Martin Reichardt [AfD]: Schön, dass Sie verstanden haben, dass die Sozialdemokratie in einer Krise ist!)

Wir sind der Auffassung: Das müssen wir solidarisch machen – mit Respekt, mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und gemeinsam.

Wir wollen den Mindestlohn auf 12 Euro anheben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

12 Euro! Wer arbeitet, muss davon auch leben können und sein Leben bezahlen können. Das ist eine Frage des Respekts. Deswegen ist ein erster Schritt Richtung 12 Euro genau der richtige Weg. Dafür steht die Sozialdemokratie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das sagen Sie vor Wahlen!)

Und wir wollen die Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages in der Altenpflege. Das ist für uns wichtig.

(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])

Denn schlechte Löhne für harte Arbeit – das sage ich auch Richtung Caritas – sind unsozial. Damit es auch die Caritas versteht: Die sind unchristlich, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen ist es gut, dass unser Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Pflegemindestlohnkommission einberufen will. Genau das ist der richtige Schritt.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Ich erwarte aber auch von Jens Spahn, statt zu irgendwelchen netten Spendenessen nach Leipzig zu fahren, doch bitte seine Hausaufgaben zu machen

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und sicherzustellen, dass künftig auch in der Altenpflege klar ist, dass die Refinanzierung aus der Pflegeversicherung daran gekoppelt wird, dass es Tarifverträge gibt. Herr Spahn, machen Sie Ihre Hausaufgaben im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer!

Herr Kollege Gremmels, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Herrn Ulrich? Der sitzt auch links.

Nein. Das ist sehr nett; aber er kann ja anschließend eine Kurzintervention machen. Vielen Dank. Ich würde gerne in meiner Rede fortfahren.

(Martin Reichardt [AfD]: Da ist aber die sozialistische Solidarität gebrochen worden!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte deutlich machen, dass die AfD zum Thema der systemrelevanten Berufe, der sozialen Berufe in ihrem Antrag überhaupt nichts gesagt hat. Dass Sie dazu nichts sagen, spricht noch mal gegen Sie.

Ich möchte sagen: Wir als SPD wollen weiter eine Tarifbindung; die wollen wir stärken. Wir wollen ein Bundestariftreuegesetz; für uns ist die Vorbildfunktion des Staates bei der Bezahlung, bei ordentlichen Löhnen ganz wichtig.

Wir wollen künftig investieren; die öffentliche Hand muss stärker in Zukunftsfelder investieren. Deswegen streben wir eine Investitionssumme des Staates in Höhe von 50 Milliarden Euro pro Jahr an. Wir wollen die Förderbank des Bundes, die KfW, zur modernen Innovations- und Investitionsbank weiterentwickeln, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Wir wollen Start-ups nachhaltig unterstützen und ihnen auch einen besseren Zugang zu Wagniskapital geben. Und wir möchten die Kultur der zweiten Chance, gerade bei den Start-ups, etablieren, meine sehr verehrten Damen und Herren. – Das sind die sozialdemokratischen Vorstellungen von einer modernen Wirtschaftspolitik.

Und: Wir müssen nachhaltig aus der Krise kommen; Stichwort „Zukunft heute gestalten“. Die SPD hat in dieser Großen Koalition dafür schon einige Akzente gesetzt. Im Verkehrsbereich haben wir viel erreicht: Die E-Mobilität boomt endlich. Wir haben Förderprogramme für die Automobilzulieferer auf den Weg gebracht. Wir haben das größte Investitionsprogramm für die Schiene aufgelegt. Wir wollen aber mehr: Wir wollen 15 Millionen E-Autos bis 2030, wir wollen Wasserstoff-Lkws und Mobilitätsgarantie, auch auf dem Land.

Im Gebäudebereich das Gleiche; wir haben viel erreicht: die Verfünffachung der Gebäudeförderung, ein Gebäudeenergiegesetz samt Anrechenbarkeit von Photovoltaik, Quartiersansätzen und CO

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Im Energiebereich haben wir auch viel erreicht: eine Verdreifachung des jährlichen PV-Zubaus, grundlegende Verbesserungen beim Mieterstrom, Anteil erneuerbarer Energien bei 50 Prozent. Aber auch hier wollen wir noch mehr: eine weitere Anhebung der Ausbaupfade noch in dieser Legislatur – das sage ich auch in Richtung unseres Koalitionspartners –, Klimaneutralität im Stromsektor bis 2040. – Das alles wollen wir, und zwar nicht nur der Umwelt zuliebe, sondern weil wir auch der Auffassung sind: Das ist ein echtes Job- und Konjunkturprogramm für das Handwerk und für den Mittelstand, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Weg aus der Wirtschaftskrise gelingt nur dann, wenn wir gleichzeitig auch die Klimakrise sozialverträglich bewältigen. Beide Mammutaufgaben gehen nur partnerschaftlich mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen. Dafür braucht es eine starke SPD.

In diesem Sinne: Glück auf und vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Timon Gremmels. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Alexander Ulrich.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7506035
Wahlperiode 19
Sitzung 215
Tagesordnungspunkt Wirtschaftspolitik - Lockdown
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