04.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 215 / Tagesordnungspunkt 10

Albert RupprechtCDU/CSU - Bildungspolitik

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Sattelberger, der vorliegende Nationale Bildungsbericht gibt überhaupt keine Grundlage für eine derartige Skandalisierung, wie Sie sie hier vorbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich war wirklich gespannt – –

(Zuruf des Abg. Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP])

– Eigentlich sollten Sie Mitarbeiter der „Bild“-Zeitung werden. Sie lesen durch, schauen überall, wo ein Schwachpunkt ist,

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das ist ja Medienschelte hier!)

und skandalisieren das auf eine dramatische Art und Weise. Aber Lösungen – ich war wirklich gespannt darauf, was Sie an Lösungen vorschlagen –: null Komma null.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Anträge lesen!)

Wenn das die Auseinandersetzung mit einem komplexen Bildungssystem in unserem Land ist, dann ist das viel zu kurz gesprungen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE])

Der Nationale Bildungsbericht zeigt Stärken, und er zeigt Schwächen. Er zeigt im Ergebnis ein weit besseres und ein weit differenzierteres Bild, als die Debatte hier abbildet. Auf der Positivseite ist zu vermerken: Die Zahl der Bildungsteilnehmer, der Bildungsstand, die Zahl der Beschäftigten im Bildungswesen und die Ausgaben für Bildung sind gestiegen. Die Ausgaben für Bildung sind gegenüber 2010 um 30 Prozent gestiegen, also 9,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Bildung insgesamt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Fakten! Fakten! Fakten!)

Die Durchlässigkeit des Bildungssystems nimmt zu. Die Zahl der Kinder geht zurück, aber die Zahl der Lehrkräfte steigt.

Ja, es gibt auch viele Punkte auf der Negativseite. Ja, die Zahl der Jugendlichen ohne Abschluss steigt. Der Grad der Digitalisierung – das haben wir rauf und runter diskutiert – ist vollkommen unzureichend. Da ist die Frage – abseits von Rumgeschrei und Skandalisierung –: Was sind unsere politischen Konzepte?

Gehen wir doch mal ans Eingemachte: Wer macht es gut, und wer macht es schlecht?

(Zurufe von der LINKEN: Oh!)

Welche politischen Konzepte funktionieren, und welche sind bloß Sonntagsreden?

(Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP]: Die vom Söder wohl nicht!)

Gehen wir mal die Punkte im Bildungsbericht durch:

Erster Punkt: Schulqualität, Mathematikkompetenzen. Am Ende der 9. Klasse haben 25 Prozent der Schüler den Mindeststandard nicht erreicht.

(Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Bayern ist 8 Prozentpunkte besser und Sachsen 11 Prozentpunkte besser als der Durchschnitt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die sind eben helle!)

Zweiter Punkt: Bildungsarmut. Der Anteil von Schulabsolventen ohne Abschluss beträgt in Bayern 5,5 Prozent, in Berlin aber 9,6 Prozent – das sind Unterschiede!

(Zuruf von der CDU/CSU: Eijeijei!)

Dritter Punkt: Bereich der Integration, Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Im Bildungsmonitor 2020 hat Bayern hier den ersten Platz. Das sind die Unterschiede, sehr geehrte Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt könnte man weitermachen mit beruflicher Bildung und noch vielen anderen Sachen darüber hinaus.

Erstes Zwischenergebnis. Wenn alle Bundesländer dieselben Ergebnisse hätten wie Bayern und Sachsen – alte Bundesländer, neue Bundesländer –, dann wären wir im internationalen Vergleich vorne dabei.

(Zuruf der Abg. Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE])

Zweites Zwischenergebnis. Das ist an Sie gerichtet: Wo Unionsparteien schon seit langer Zeit regieren wie in Bayern und in Sachsen, sind die Bildungsergebnisse substanziell besser.

(Zuruf des Abg. Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP])

Drittes Zwischenergebnis. Dieses ewige Lamento, die Länder seien überfordert und der Bund müsse alles lösen, stimmt schlichtweg nicht.

(Zuruf der Abg. Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE])

Wenn man sich die Länder genauer anschaut, sieht man nämlich, dass es Länder gibt, die die Kraft haben, gute Bildungspolitik hinzukriegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie müssen es nur endlich tun, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Dr. Jens Brandenburg [Rhein-Neckar] [FDP]: Was macht denn die Frau Eisenmann?)

Subsidiarität, Dezentralität, Entscheidungsfähigkeit in kleinen Einheiten vor Ort sind in komplexen, modernen Zeiten wichtiger denn je. Die Hattie-Studie aus dem Jahr 2009 hat genau das noch einmal gezeigt: Entscheidend für den Unterschied im Lernergebnis ist der Lehrer, seine Einstellung, wie er auf die Schüler zugeht und wie er seinen Beruf versteht.

(Beifall des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

Deswegen braucht der Lehrer Freiheit. Er braucht eines als Allerletztes: dass wir hier glauben, in Berlin ohne Komma und Punkt alles übernehmen zu wollen, weil wir anscheinend für alles zuständig wären. Subsidiarität und Dezentralität sauber neu durchdeklinieren – das ist das, was wir tun müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Götz Frömming [AfD]: Wo er recht hat, hat er recht! – Zuruf der Abg. Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE])

Das gilt im Übrigen auch in Coronazeiten. Ich habe eine Tochter von acht und eine Tochter von zwölf Jahren, und ich kriege das mit so wie viele Eltern zu Hause. Da gibt es Lehrer, die sind herausragend trotz widriger Umstände. Und wieso sind sie das? Weil sie die richtige Einstellung haben. Weil sie trotz dieser widrigen Umstände einen genialen, bravourösen Fernunterricht machen. Ich weiß, dass die Umstände schwierig sind, dass das nicht zufriedenstellend ist. Aber es ist möglich, wenn man Lehrerinnen und Lehrer motiviert und unterstützt. Das ist die Schlüsselfrage.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Soll das jetzt Lehrerschelte werden? Das ist ja unglaublich!)

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, das heißt aber nicht, dass unsere Position wäre, dass der Bund nicht zuständig sei und keine Aufgaben hätte; ganz im Gegenteil.

(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Echt? – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein?)

Wir müssen uns sehr genau überlegen, was wir tun und wie wir es tun. Diese naive Sicht einiger linker Gruppierungen – im Übrigen gehört die FDP seit dieser Legislaturperiode inzwischen dazu –,

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Unsinn! – Zuruf der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE])

dass immer dann, wenn etwas nicht klappt, der Bund sofort in die Bresche springen muss, das ist der falsche Ansatz. Das ist Unsinn, weil es letztendlich das gesamte System durcheinanderbringt und das Problem nicht löst, sondern mehr Probleme schafft.

Die Aufgaben des Bundes nehmen zu. Aber es braucht klare Verantwortlichkeiten. Und wenn jeder für alles zuständig ist, ist zuletzt keiner verantwortlich und zuständig, sehr geehrte Damen und Herren.

(Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können doch nichts dafür! – Weiterer Zuruf: Das sagen wir doch!)

– Ich sage nur: Das gehört auch zur Bildungspolitik dazu. Hier wird ständig ausschließlich über Schulpolitik diskutiert. Es geht um den Nationalen Bildungsbericht. Da geht es um weit mehr als um die Kerntätigkeiten von Schule.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben in den vergangenen Jahren mit großen Paketen Verantwortung übernommen: Wir geben für den Hochschulpakt bis 2023  20 Milliarden Euro an Bundesmitteln. Wir geben in den nächsten Jahren für die Hochschulen mit dem Zukunftsvertrag „Studium und Lehre stärken“ 2 Milliarden Euro jährlich. Wir haben für Innovation und Modernisierung in der beruflichen Bildung in den letzten drei Jahren während dieser Legislaturperiode so viel zusätzliches Geld gegeben wie Jahrzehnte nicht, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen. Wir geben jetzt die 6,5 Milliarden Euro für den DigitalPakt Schule.

Und vielleicht eine Anmerkung: Ich war einer von denen, der vor fünf Jahren hier mit Ministerin Wanka gesagt hat: Wir stellen die 5 Milliarden Euro ins Schaufenster.

(Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE]: Da sind sie ja geblieben! Das ist doch das Problem!)

Von den Kolleginnen und Kollegen hier ist so etwas nicht gekommen. Von den Ländern, in denen Sie Verantwortung haben, gab es keinen Antrag im Bundesrat. Es war unsere Initiative. Aber wir erwarten schon, dass Sie bei der Umsetzung Ihre Arbeit machen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Bildungsdigitalisierung haben wir gemacht, nicht Sie! – Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE]: Was sollen die im Schaufenster?)

Zum Geld. Was haben wir als Bund gemacht? Und dann schauen wir, ob das die ganze Nation hinkriegt. Wir haben vonseiten des Bundes seit 2005 die Bildungsausgaben von 4,4 auf 11 Milliarden Euro erhöht. Das ist eine Steigerung um 150 Prozent. Das Land Brandenburg hat im selbigen Zeitraum die Gelder um 72 Prozent erhöht – um nur ein Beispiel zu nennen. Also, reden Sie nicht über uns, sondern reden Sie dort, wo Sie Zugang haben, mit denen, die da Verantwortung tragen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn alle das machten, was wir, seit wir an der Regierung sind, machen, dann wären das gute Zeiten in diesem Lande. Deswegen abschließend: Ja, der kooperative Föderalismus muss weiterentwickelt werden.

(Zuruf von der LINKEN)

Natürlich macht es keinen Sinn, dass jedes Bundesland eine eigene Schul-Cloud hat. Deswegen haben wir auch in den letzten zwei Legislaturperioden die Verfassung geändert, 2014 den Artikel 91b – seither können wir uns an der Grundfinanzierung der Hochschulen beteiligen – und 2019 den Artikel 104c hinzugefügt. Seither können wir die Schulen bei Digitalisierung, Betreuungsangeboten und Weiterem mehr unterstützen.

Wir werden auch in der nächsten Legislaturperiode die Zuständigkeiten weiterentwickeln. Ralph Brinkhaus hat recht, wenn er sagt: Corona hat uns gezeigt, dass die Zusammenarbeit auf den staatlichen Ebenen grundlegend verbessert werden muss. – Genau das werden wir tun, nicht aktionistisch, beliebig und nach dem Motto „Jeder ist für alles zuständig“, sondern indem wir genau überlegen, was unsere Aufgabe auf Bundesebene sein soll, was wir weiterentwickeln müssen. Dann werden wir genau diese Reform des Staatswesens machen – nicht aktionistisch, sondern klug und vernünftig.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Albert Rupprecht. – Nächste Rednerin: für die AfD-Fraktion Nicole Höchst.

(Beifall bei der AfD – Jan Korte [DIE LINKE]: Das wird definitiv die schlechteste Rede!)

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Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
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Wahlperiode 19
Sitzung 215
Tagesordnungspunkt Bildungspolitik
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