04.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 215 / Tagesordnungspunkt 30

Frank SchwabeSPD - Menschenrechtssituation in Deutschland

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Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte, eines hervorragenden Instituts, eines Instituts – das muss man, glaube ich, mal so sagen, weil es vielleicht nicht jeder in Deutschland weiß – mit Weltruf, von hoher Anerkennung weltweit, egal wo man hinguckt. Das deutsche Menschenrechtsinstitut macht Berichte in Deutschland, aber es moderiert auch eine ganze Reihe internationaler Prozesse.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist guter Ratgeber für uns hier in dem, was wir miteinander diskutieren und beschließen. Es hat zum Beispiel Wesentliches zum Thema Lieferkettengesetz beigetragen. Das Ganze hat ja nicht erst bei der Debatte um das Lieferkettengesetz angefangen, sondern es gab den Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat uns sozusagen beraten und am Ende auch darin bestärkt, zu einem Lieferkettengesetz zu kommen.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist Monitoringstelle. Es ist verantwortlich für die Prozesse, die uns durch internationale Abkommen auferlegt sind, beispielsweise bei den Kinderrechten, zu den Menschen mit Behinderungen und auch bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention, des Übereinkommens des Europarats gegen die Gewalt gegen Frauen. Ich bin übrigens ganz stolz darauf, dass der Kreis Recklinghausen, bei mir vor Ort, jetzt auch eine solche Monitoringstelle einrichtet. Vielleicht eine gute Anregung für alle Kolleginnen und Kollegen, bei denen das noch nicht geschehen ist: Gucken Sie doch mal, ob so was vor Ort da ist oder nicht noch eingerichtet werden könnte!

(Beifall bei der SPD)

Heute debattieren wir den aktuellen Bericht. Das Interessante daran ist, dass er ein Ergebnis einer ehemaligen menschenrechtspolitischen Sprecherin der Union ist, deren Namen ich hier gar nicht mehr erwähnen möchte und die heute für andere Fraktionen tätig ist.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr war es besonders wichtig, dass das Deutsche Institut für Menschenrechte, als es eine gesetzliche Grundlage bekommen hat, jährlich einen Bericht vorlegen muss. Das tut das Deutsche Institut für Menschenrechte. Deswegen haben wir dankenswerterweise die Gelegenheit, uns heute mit diesem Bericht auseinanderzusetzen.

Der aktuelle Bericht behandelt zwei Hauptthemen:

Das eine ist die Frage des Umgangs mit Menschen, die in Deutschland Asyl begehren wollen, aber am Ende kein Asyl bekommen und deshalb wieder abgeschoben werden, und die Frage, wie man die Menschenrechte auch bei der Abschiebung – sie verlieren ja dadurch, dass sie abgeschoben werden, nicht die Menschenrechte – wahren kann.

Das zweite Thema ist die Frage, wie wir eigentlich mit jungen Menschen umgehen, die eine Behinderung haben, und wie wir sie inklusiv in unser Wirtschafts-, Gesellschafts- und Bildungssystem integrieren. Wir sind bei dem Thema der Inklusion in der Schulbildung ganz gut vorangeschritten. Es gibt aber eine Hürde von der Schulbildung hin zur Ausbildung. Das Ergebnis der Untersuchungen des Deutschen Instituts für Menschenrechte ist, dass 90 Prozent der jungen Menschen mit Behinderung am Ende immer noch in eine Sonderausbildung gehen und es nur bei 10 Prozent dieser Menschen gelingt, sie inklusiv in das Ausbildungssystem zu integrieren. Da gibt es also noch etwas, das umzusetzen wichtig ist. Da brauchen wir noch ganz auf der körperlichen Ebene so etwas wie barrierefreie Zugänge, müssen aber eben auch Förderungen und Beratung vorantreiben, etwas, was der zuständige Ausschuss des Deutschen Bundestages sicherlich in der Debatte aufnehmen wird.

Das andere Thema – ich habe es gerade angedeutet – betrifft die Frage, wie wir mit den Menschen umgehen, die nicht in Deutschland bleiben können, die hier Asyl haben wollten und dann abgeschoben werden. Vielleicht erinnern sich noch einige von uns an die Debatten zurück, die wir geführt haben und wo wir gesagt haben: Wir wollen noch mal bei den Menschen, die krank sind, genauer hingucken und uns fragen, ob nicht möglicherweise das Reklamieren von Krankheit in einer menschlich nachvollziehbaren Art und Weise benutzt werden könnte, um Abschiebungen abzuwenden. – Darüber gab es eine intensive Diskussion.

Wie auch immer man damals zu dieser Frage gestanden hat – ich habe das damals durchaus schon kritisch gesehen –, das Deutsche Institut für Menschenrechte stellt jedenfalls fest, dass wir möglicherweise über das Ziel hinausgeschossen sind. Es macht verfassungsrechtliche Bedenken geltend – ich glaube, mit denen sollten wir uns ernsthaft auseinandersetzen – und weist darauf hin, dass wir an manchen Stellen mittlerweile dazu kommen, das wir Menschen auch in Krankheitssituationen abschieben, wo man es eigentlich nicht tun dürfte.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte guckt besonders hin zum Beispiel bei der Frage der Abschiebungen aus stationären Einrichtungen. Es gibt Abschiebungen aus Krankenhäusern oder Psychiatrien, sozusagen aus der stationären Einrichtung heraus. Wir haben eben oftmals die Situation, dass die Abzuschiebenden wirklich nicht genau wissen, wie gerade ihre Situation ist, wie ihre rechtliche Situation ist und welche Möglichkeiten sie haben, entsprechenden medizinischen Beistand zu bekommen, sodass selbst diejenigen, die sagen: „Wir müssen vielleicht restriktiver mit Flüchtlingsfragen umgehen“, doch sehen müssen, dass wir auf gar keinen Fall bei einer solchen Abschiebung Menschenrechtsverletzungen begehen dürfen und dass wir jedenfalls alles tun müssen, um das zu verhindern. Deswegen empfehle ich uns sehr, uns diesen Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte an dieser Stelle noch mal genau anzugucken.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Zaklin Nastic [DIE LINKE] und Margarete Bause [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn ich gerade beim Thema Geflüchtete bin, will ich zumindest die Gelegenheit noch mal nutzen und sicherlich auch im Sinne des Deutschen Instituts für Menschenrechte sagen: Wir sind in diesem Jahr im 70. Jahr des Bestehens der Genfer Flüchtlingskonvention. Es geht wirklich darum, zu gucken: Wie entwickeln wir eigentlich die Genfer Flüchtlingskonvention weiter, und hält sie noch für die nächsten Jahre und Jahrzehnte? Da habe ich jedenfalls große Sorge, dass das, was ja als Lehre aus den schwärzesten Zeiten deutscher Geschichte, europäischer Geschichte eine Errungenschaft war, doch sehr gefährdet ist. Wir diskutieren zunehmend über die Frage von Pushbacks. Mich jedenfalls macht sehr besorgt, dass der Frontex-Chef hier im Deutschen Bundestag, Herr Leggeri, so etwa gesagt hat – ich hoffe, ich bekomme das einigermaßen hin –, er wisse eigentlich auch nicht so genau, wo der Unterschied zwischen Pushbacks ist, also illegalen Pushbacks – das konzediert jeder –, und einer Art von sozusagen legalem Abfangen. Das macht mich jedenfalls sehr besorgt. Ich glaube, das ist etwas, worum wir uns bemühen müssen: gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte in diesem 70. Jahr des Bestehens der Genfer Flüchtlingskonvention genau hinzugucken. Wir haben bei den Menschen auch zu trennen, indem wir sagen: Ja, nicht jeder bekommt das Asylrecht in Deutschland. Dafür gibt es gute Begründungen, und die müssen auch dargelegt werden. Wenn es sie nicht gibt, kann man das Recht auch nicht verwirklicht sehen. – Aber die Menschen müssen ja überhaupt das Recht bekommen, zu appellieren und deutlich zu machen: Was ist der Anlass für das Begehr, Asyl zu bekommen? Das darf nicht verhindert werden. Deswegen sind Pushbacks illegal. Ich finde, es muss auch die gemeinsame Aufgabe des Deutschen Bundestages sein, das deutlich zu machen.

Ansonsten noch mal herzlichen Dank an das Deutsche Institut für Menschenrechte für die hervorragende Arbeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwabe. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Jürgen Braun, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD – Zuruf von der LINKEN: Der Name passt!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7506142
Wahlperiode 19
Sitzung 215
Tagesordnungspunkt Menschenrechtssituation in Deutschland
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