05.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 216 / Zusatzpunkt 10

Dirk WieseSPD - Aktuelle Stunde - Transparenz von politischen Entscheidungen

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Arbeit von uns Abgeordneten hier im Deutschen Bundestag muss transparent sein; sie muss nachvollziehbar sein. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf das verlassen können, was wir hier tun. Ja, wir führen viele Gespräche im Wahlkreis. Ja, wir sind ansprechbar. Ja, wir sprechen auch mit Gewerkschaften und mit Unternehmensverbänden. Ja, wir kümmern uns. Ja, wir reden gerade in dieser Coronapandemie mit vielen Bürgerinnen und Bürgern, die erhebliche Sorgen haben, die Zukunftsängste haben.

Aber wir wollen natürlich keine gläsernen Abgeordneten. Aber, lieber Kollege Schnieder, wir wollen nach vier Jahren Legislaturperiode auch keine vergoldeten Abgeordneten. Das kann auch nicht das Ziel sein. Das muss man hier mal deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich muss ehrlich sagen: Die Bürger rufen an; sie machen sich Sorgen in dieser Pandemiezeit. Und dann wird heute erneut in der Presse berichtet, dass ein Abgeordneter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine sechsstellige Provision angenommen hat für die Vermittlung von Masken. So wird jedenfalls berichtet.

Das reiht sich ein in eine Liste: Amthor, Guttenberg, Nüßlein, Fischer und heute Löbel. Ich kann nur sagen: Das ist nicht tragbar! Da kann man in Ihren Reihen auch nicht mehr von einem Einzelfall sprechen; das ist mittlerweile System. Da erwarte ich, dass das vollumfänglich aufgeklärt wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Marco Buschmann [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, was ich für absolut zynisch halte, ist, wenn ich dann heute als Rechtfertigung lese, dass das, was man gemacht hat, marktgerecht ist. Wir bekommen als Abgeordnete eine Diät, und da kann doch wohl jeder sagen, dass die auskömmlich ist. Das ist viel Geld, was wir bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wenn wir dann noch von jemandem, der eine Provision bekommt, hören, dass das marktgerecht ist – liebe Kolleginnen und Kollegen der Unions-Bundestagsfraktion: Ist das das Verständnis Ludwig Erhards von sozialer Marktwirtschaft, das er Ihnen mal ins Stammbuch geschrieben hat? Nein, das ist das absolute Gegenteil, das ist Bereicherung! Wenn man das dann noch als marktgerecht bezeichnet, ist das ehrlicherweise auch zynisch.

Ich will aber auch sagen, dass jede Partei hier im Deutschen Bundestag Fälle gehabt hat, wo wir uns auch Kritik gefallen lassen müssen. Darum ist es richtig, dass wir in dieser Woche das Lobbyregister auf den Weg gebracht haben und dass wir dabei sind, die veröffentlichungspflichtigen Angaben weiter zu konkretisieren, und dass wir insgesamt mehr offenlegen wollen.

Frau Haßelmann, bei aller Kritik, die Sie angebracht haben, muss ich Ihnen auch sagen: In Ihren Reihen gab es mal die sogenannte Bonusmeilen-Affäre; das sollte man nicht verheimlichen. Gleichzeitig möchte ich auf das hinweisen, was Sie an Lobbyregistern in grün geführten Bundesländern auf den Weg gebracht haben: in Hessen – nichts, und in Baden-Württemberg fällt Ihnen sechs Wochen vor der Wahl ein, dass Sie da noch irgendetwas abzuarbeiten haben.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sie machen doch mit!)

Das ist genauso mangelhaft. Das ist grüne Regierungsführung. Das ist auch keine Transparenz. Sie machen auch kein Lobbyregister, wenn Sie in Verantwortung sind. Das muss man auch sagen.

(Beifall bei der SPD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die SPD hat doch zugestimmt in Baden-Württemberg! Wissen Sie das? – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: So ist es! Einem Lobbyregister light! Aber so was von light!)

– Liebe Frau Haßelmann, soweit ich mich daran erinnern kann, stellen Sie in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten. Sie haben einen Koalitionsvertrag ausgehandelt, und Sie haben in den vergangenen fünf Jahren nichts gemacht beim Thema Lobbyregister. Jetzt stellen Sie auf der Zielgeraden fest, dass noch was zu tun ist. Die SPD freut sich darüber, dass Sie was tun, aber sich immer nur hierhinzustellen und zu sagen, wir hätten nichts vorangebracht und wir würden nichts tun, das ist auch falsch.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genauso wie Sie hier, Herr Wiese! Das ist hier doch genau das Gleiche!)

Sie regieren in elf Landesregierungen, und an vielen Stellen habe ich den Eindruck, Sie vergessen das hier in Berlin oder wollen das vergessen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lächerlich!)

Jetzt muss ich aber noch mal zu Herrn Protschka kommen. Wo ist er denn?

(Zurufe: Der ist schon weg!)

– Er ist schon gegangen, gut. – Wenn wir über die Sitzungen dieser Woche sprechen, haben wir sicherlich viele Tiefpunkte. Aber das, was gerade hier am Rednerpult von Herrn Protschka gesagt worden ist – ich glaube, das war der Tiefpunkt dieser Sitzungswoche, den wir hier erlebt haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss das mal ganz klar sagen: Sich hierhinzustellen, wirres Zeug zu reden und für sich dann auch noch zu behaupten, dass man die Partei ist, die letztendlich alles richtig macht, das ist ehrlicherweise schon ein starkes Stück.

Ich will mal in Ihre Reihen gucken, was bei Ihnen ist: Alice Weidel zahlt die Steuern in der Schweiz, hat Schwierigkeiten dabei, sich zu erinnern, wie die Kassenführung in ihrem Kreisverband ist. Sie können sich nicht daran erinnern, wer Spendengelder an Ihre Partei gegeben hat. Wir haben viele Fragen dazu, und wir würden uns sehr darüber freuen, wenn wir erfahren könnten, wer denn eigentlich die kostenlosen Zeitungen in Landtagswahlkämpfen zur Verteilung an die Haushalte finanziert.

(Dr. Matthias Bartke [SPD]: In der Tat!)

Sie können da sehr viel zur Transparenz beitragen; Sie können sehr viel tun und machen. Ich habe aber den Eindruck: Da sitzt in der ersten Reihe die Fortsetzung der alten Hessen-CDU, und die Schwarze-Kassen-Verstrickung lebt in der AfD fort. Das ist keine Transparenz!

(Beifall bei der SPD)

Und das, was Herr Protschka gerade gesagt hat, war ehrlicherweise an Irrsinn nicht zu überbieten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Das Wort hat Herr Dr. Marco Buschmann von der FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7506744
Wahlperiode 19
Sitzung 216
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Transparenz von politischen Entscheidungen
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta