24.03.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 217 / Zusatzpunkt 1

Lothar MaierAfD - Aktuelle Stunde – Deutsche und europäische Türkeipolitik

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Begriff der Menschenrechte ist einer, der in der Türkei offenbar nicht bei allen gleichermaßen hohe Wertschätzung findet. Ich musste das erleben, als ich vor wenigen Jahren – das war vor Beginn dieser Legislaturperiode – in Ankara an einem Seminar teilnahm, in dem es um Verbraucherrechte ging. Ich sagte: Geschützt zu sein vor Betrug, vor Übervorteilung, vor gefährlichen Produkten, ist ein Menschenrecht, ein Grundrecht. – Darauf erhob sich Unruhe unter den Teilnehmern. Ein Teilnehmer sagte: Hören Sie, der Begriff der Menschenrechte, der gefällt uns nicht, den benutzen wir nicht; Menschenrechte, das ist nichts weiter als ein Kampfbegriff, den der Westen verwendet, um die Türkei dauernd auf die Anklagebank zu setzen.

Nun denkt sicherlich nicht jeder so in der Türkei. Es ist ein modernes Land. Das kann internationale Rechtsnormen nicht einfach ignorieren. Es gibt auch eine immer breiter werdende gebildete Bevölkerungsschicht, in der Menschenrechte durchaus zum Wertekatalog gehören. Aber auch bei dieser Schicht finden Menschenrechte zwei Grenzen. Die eine ist der Islam – darüber möchte ich hier nicht weiter reden –, der ja sagt: Die Menschenrechte finden ihre Grenzen da, wo der Koran etwas anderes sagt. – Die andere ist – das soll mein Thema sein – ein ethnisch-kulturell geprägtes Bild vom Türkentum und seiner Mission. Daraus resultiert der Versuch, eine ethnisch homogene Bevölkerung zu schaffen, zunächst in der Türkei selbst, aber dann auch in von ihr beeinflussten Ländern. Das bedeutet: Minderheiten müssen entweder angepasst oder ausgemerzt werden.

Das zieht sich durch die ganze moderne türkische Geschichte. Es beginnt bei den Armeniern – der Kollege Braun wird dazu noch mehr sagen –; darüber haben wir uns hier im Haus ja schon des Öfteren unterhalten. Es gibt aber auch noch eine andere große Opfergruppe, von der weniger die Rede ist: Das sind die Griechen, von denen in dem Zeitraum von 1912 bis 1921 1,8 Millionen in den Kämpfen teils vertrieben, teils umgebracht worden sind. Die noch übriggebliebenen 13 000 Griechen, die danach in Istanbul – wie sie selber sagen würden: in Konstantinopel – noch lebten, sind erst 1964 vertrieben worden. 1974, zehn Jahre später, hat die Türkei den Nordostteil von Zypern besetzt und auch dort alle Griechen vertrieben.

Heute ist es der Versuch der türkischen Regierung, die türkische Bevölkerung im Ausland homogen zu erhalten. Präsident Erdogan hat die Assimilation an die Kultur und die Sprache der aufnehmenden Völker als Verbrechen bezeichnet. Erdogan hat bei einer Gelegenheit wörtlich gesagt:

Wir haben unsere Grenzen nicht freiwillig akzeptiert. Wir müssen überall sein, wo unsere Ahnen waren.

Stellen Sie sich vor, ein deutscher Politiker würde einen solchen Satz sagen, vielleicht sogar noch in Polen.

In Deutschland hat die türkische Politik eine Reihe von Instrumenten, um unsere Politik zu beeinflussen. Das sind die von einem türkischen Ministerium aus gesteuerten DITIB-Moscheevereine, es sind die Idealistenvereine, es sind die Grauen Wölfe. Es sind auch die omnipräsenten türkischen Medien, die von der türkischen Bevölkerungsgruppe vielfach intensiver genutzt werden als die deutschen Medien. Und es ist, nicht zu unterschätzen, der türkische Geheimdienst MIT, der nach den Angaben der Tageszeitung „Die Welt“ in Deutschland mit 6 000 Agenten die Deutschtürken überwacht und bespitzelt. Einer auf 500 – das Ministerium für Staatssicherheit der DDR wäre neidisch geworden.

(Beifall bei der AfD)

Die deutsche Politik muss nun nicht versuchen, unseren Wertekatalog in der ganzen Welt durchzusetzen. Sie muss ihn aber im eigenen Land durchsetzen, und das ohne Kompromisse. Das heißt auch: Keine Ehrenmorde, keine Zwangsverschleierungen, keine Zwangsheiraten, keine Clanstrukturen als Parallelwelt, keine Verächtlichmachung der aufnehmenden Gesellschaft und auch kein tägliches Neuaushandeln der Regeln des Zusammenlebens, wie es sich viele vorstellen. Diese Regeln sind bestimmt durch die deutschen Gesetze und durch das Grundgesetz.

(Beifall bei der AfD)

Die Kultur der Freiheit, meine Damen und Herren, will selbstbewusst sein. Dieses Selbstbewusstsein muss auch bewahrt werden gegenüber denen, die der Freiheit nicht viel abgewinnen können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Professor Maier. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Gabriela Heinrich, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7510070
Wahlperiode 19
Sitzung 217
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde – Deutsche und europäische Türkeipolitik
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