21.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 223 / Tagesordnungspunkt 4

Lars CastellucciSPD - Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen und, heute in besonderer Weise, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, die uns zusehen! Das ist eine Debatte über das Sterben; aber eigentlich ist es eine Debatte über das Leben und über das Sterben, das ein Teil dieses Lebens ist. Dem müssen wir uns stellen. Es fällt gar nicht leicht, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen. Weil das so ist, müssen wir uns dafür Zeit nehmen, Zeit mit so einer Orientierungsdebatte, aber – das ich will eingangs auch sagen – auch Zeit über die wenigen verbleibenden Sitzungswochen hinaus; wir sollten nicht schon in dieser Wahlperiode zu einer endgültigen Entscheidung kommen.

Es gibt einen Spruch, der wird im Zusammenhang von Leben, Sterben, Tod gerne zitiert; er heißt: „Alles hat seine Zeit.“ Geborenwerden hat seine Zeit, Sterben hat seine Zeit, Pflanzen hat seine Zeit, Ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit usw. Die Wahrheit heute ist allerdings: Niemand hat Zeit. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir nicht nur über Fristen reden, über Paragrafen. Wenn es gut gehen soll beim Leben und auch am Lebensende, dann brauchen wir andere Menschen, und die brauchen eben Zeit: Eltern für ihre Kinder, Kinder für ihre Eltern; Pflegekräfte für die Kranken, für die Älteren; ich für dich, du für mich. Nur so kann es gehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein gutes Deutschland von morgen ist eben nicht nur „höher, schneller, weiter“, sondern es ist ein Land, in dem wir füreinander einstehen, in dem wir aufeinander achten, einander respektieren; daran müssen wir arbeiten.

Das Bundesverfassungsgericht hat uns nun einen Auftrag gegeben und, ich möchte sagen, den respektiere ich ganz ausdrücklich. Ich respektiere die freien Willens, freiwillig getroffene Entscheidung, sich selbst das Leben zu nehmen – auch wenn ich traurig bin in jedem einzelnen Fall. Ich respektiere auch, dass dafür die Hilfe anderer in Anspruch genommen werden kann.

Aber ich muss doch daraus kein Modell machen!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn wenn es ein Modell würde, welche Entscheidungen werden dann so freiwillig künftig noch getroffen? Dann wird doch gefragt werden: Lohnt sich das noch – die nächste Operation oder auch nur die Anschaffung? Dann wachsen Erwartungen der Gesellschaft – oder ich denke nur, sie könnten da sein –, es könnte die Überlegung kommen, dass das Häuschen doch zur Pflege nicht draufgehen soll. Oder: Ich bin nur noch eine Last.

Da sage ich: Stopp! Niemand in diesem Land ist überflüssig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mehr noch: Niemand in diesem Land soll sich überflüssig fühlen. Deswegen: Ja zu selbstbestimmten Entscheidungen, aber auch – bitte, Kolleginnen und Kollegen – darauf achten, dass gesellschaftlich nicht noch mehr ins Rutschen gerät. Deshalb bin auch ich für Schranken – für Schranken, die wir auch im Strafrecht setzen müssen. Es braucht Schutz der Selbstbestimmung, auch für verletzliche Gruppen, Prävention, eine gute Versorgung. Dafür müssen wir jetzt einen neuen Anlauf miteinander wagen. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von fünf Fraktionen lade ich herzlich dazu ein, mitzuwirken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Helling-Plahr aus der FDP-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7516514
Wahlperiode 19
Sitzung 223
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine