22.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 224 / Zusatzpunkt 4

Roderich KiesewetterCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Wachsende Gefahr einer Eskalation in der Ostukraine

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eines gleich vorwegsagen, lieber Herr Kollege Sarrazin: Die Eröffnung der Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in Moskau darf nicht verbunden sein mit einer romantischen Russlandvorstellung. Wir gehen fest davon aus, dass ein Ministerpräsident aus dem föderalen Deutschland Themen anspricht, die die unmittelbaren Nachbarn von Sachsen – wie Tschechien, Polen oder die Slowakei – bewegen: die permanente Luftraumverletzung durch russische Flugzeuge oder auch der Druck auf russische Minderheiten im Baltikum.

Und ich möchte an dieser Stelle sehr deutlich machen, dass wir gegenwärtig erleben, wie in dieser Aktuellen Stunde Geschichtsklitterung versucht wird durch die Nationalisten von rechts und die sogenannten Internationalisten von links.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber was wir gerade gehört haben, ist sehr bedenklich, weil hier ein Geschichtsbild propagiert wird, das zwischen 1931 – Rapallo – und 1941 eine Rolle gespielt hat. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Rapallo war 1922!)

– Es wurde vorbereitet früh in den 30er-Jahren.

Worauf es uns doch ankommt – und der Botschafter der Ukraine beweist das ja mit seiner Anwesenheit –, ist Solidarität mit der Ukraine. Kein Wort von dieser Seite des Hauses, dass 2 Millionen Menschen in der Ukraine seit 2014 binnenvertrieben sind, Polen über 1 Million Ukrainer aufgenommen hat, dass über 12 000 Menschen diesem Krieg zum Opfer gefallen sind und über 40 000 Menschen verletzt wurden. Das sind die Folgen der russischen Okkupation der Ostukraine, der russischen Besetzung der Krim. Das ist das, was gerade unsere Verunsicherung und die Gefährdung des Friedens ausmacht: Menschenrechtsverletzungen, Tötungen und die gesamte Frage von völkerrechtswidrigem Verhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Russland hat bewusst die Selbstverpflichtung und die Werte der Charta von Paris, der OSZE, des Europarates und des Budapester Memorandums aufgehoben, ausgehebelt und verletzt. Sie könnten durch Anzeige gemäß Artikel 16 des Wiener Dokuments sehr deutlich machen, dass sie Übungen abhalten, um die Streitkräfte in Form zu halten. Aber all das machen sie nicht; denn sie verfolgen drei Optionen der Verunsicherung: erstens das Zeichen, dass sie die Ukraine gefährden; zweitens dass sie in die Ostukraine einmarschieren könnten, und drittens – das haben vorhin Herr Kollege Wadephul, Herr Kollege Sarrazin und auch Herr Staatsminister Roth angesprochen – dass die Gefahr eines Abschneidens der Ukraine von ihren Seewegen im Schwarzen Meer droht.

Dieses Verhalten Russlands ist bewusst gewählt, und es hat sicherlich innenpolitische Gründe; denn zurzeit gehen in über hundert Städten Russlands Zehntausende auf die Straße und kämpfen nicht nur für Meinungsfreiheit, sondern sie kämpfen auch für die Freiheit eines Todkranken: für Nawalny. Die russische Zivilgesellschaft weiß sehr wohl, was der russische Staat in den vergangenen 20 Jahren mit gezielten Tötungen im Ausland bewirkt hat, was der Tiergartenmord bedeutet und was die Anschläge auf Skripal bedeuten. All das berührt auch die russische Zivilbevölkerung.

Für uns ist es deswegen schon ein klarer Punkt, dass wir unsere Sanktionen und die Art und Weise, wie wir vorgehen, überdenken müssen. Ist es sinnvoll, Nord Stream 2 zu Ende zu bauen? Wäre ein Moratorium nicht ein Zeitgewinn, auch der russischen Seite zu zeigen, dass dies ein hochbrisantes politisches Projekt ist, das wir mittelfristig durch kluge Energiepolitik vielleicht nicht mehr brauchen?

Wäre es nicht ein klares Zeichen an Russland, im Rahmen der Bewältigung des Klimawandels deutlich zu machen, dass Russland Hilfe braucht, technische Unterstützung und dass Russland nicht die Alternative wählen sollte, Juniorpartner der Chinesen zu werden?

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Genau das werden sie aber, wenn Sie so weitermachen! – Weiterer Zuruf von der AfD: Sie drängen sie genau in diese Richtung! – Gegenruf des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD]: Genau!)

Aber alles in allem bleibt für uns eine Lösung, die ich gerne aufzeigen will: erstens Festigkeit, Solidarität an der Seite der Ukraine, bis hin zu einer stärkeren Einbindung in Übungen, in Beratungen, in technologische Begleitung und generell eine Aufwertung der ukrainischen Zivilgesellschaft, im Übrigen auch im Kampf gegen Korruption;

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweitens gegenüber Russland klarzumachen, dass dieses Regime mit seinen oligarchischen Methoden keinen Rückhalt mehr hat in der Bevölkerung und wir parat stehen, die russische Bevölkerung menschenrechtlich zu unterstützen. Dies sollten wir immer wieder vor dem Europäischen Gerichtshof und im Europarat deutlich machen. In diesem Sinne ist diese – –

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das ist eine glatte Einmischung, Herr Kiesewetter!)

– Und der Mann, der den „Vogelschiss“ der deutschen Geschichte angesprochen hat, hat jedes Recht auf Zwischenrufe hier verwirkt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Was ist das denn für eine Denke? Wir dürfen keine Zwischenrufe machen, aber Sie dürfen uns beleidigen! – Gegenruf von der CDU/CSU: Sie beleidigen die deutsche Geschichte! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Spaßvogel! – Gegenruf von der CDU/CSU: Spaßvogel und Vogelschiss passen auch zusammen!)

Das Wort hat Dr. Daniela De Ridder für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7516738
Wahlperiode 19
Sitzung 224
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Wachsende Gefahr einer Eskalation in der Ostukraine
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