Gero Clemens HockerFDP - Agrarmarkt, Lebensmittellieferketten
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kann nicht sein, dass ein Milchbauer zu dem Zeitpunkt, da seine Milch abgeholt wird, nicht weiß, welchen Preis er für 1 Liter bekommt, sondern das erst einige Tage später per Bescheid erfährt. Und es kann auch nicht sein, dass die Erzeuger, Landwirte, verdorbene Ware, die der Lebensmitteleinzelhandel nicht hat absetzen können, zurücknehmen müssen. Meine Damen und Herren, das Ungleichgewicht der Marktkräfte zwischen Erzeugern auf der einen Seite und Lebensmitteleinzelhandel auf der anderen Seite kann auch nicht sein.
Aber ich sage es ganz ausdrücklich an die Kolleginnen und Kollegen der SPD: Meine Damen und Herren, das ist auch nicht zuletzt auf Sigmar Gabriel zurückzuführen,
(Lachen bei Abgeordneten der SPD)
der 2016 Wirtschaftsminister gewesen ist, der sich nämlich über die Empfehlung des Bundeskartellamtes, der Experten, hinweggesetzt hat und die Fusion von Kaiser’s Tengelmann mit Edeka durchgewunken hat, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das gehört zur Wahrheit dazu.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
So richtig es ist, dass UTP umgesetzt wird, so sehr habe ich auch den Eindruck, dass die Bundesregierung ein bisschen versucht, sich aus der Verantwortung für die schlechte und falsche Agrarpolitik der letzten dreieinhalb Jahre zu stehlen, und den Schwarzen Peter einfach anderen zuschieben will.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Bundesregierung, Sie wollen davon ablenken, dass Sie in den letzten Jahren zu häufig zu gerne auf NGOs gehört haben und eben nicht der wissenschaftlichen und fachlichen Praxis das Wort geredet haben: bei Insektenschutz, bei Düngeverordnungen, bei der Nutztierhalterverordnung und vielen anderen Themen mehr. So einfach kommen Sie nicht durchs Loch, Frau Ministerin.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch populistisch!)
Sie haben im zweiten Halbjahr 2020, vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020, während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft tatsächlich auch keine einzige Initiative vorzuweisen, die einen Beitrag dafür geleistet hätte, dass die Wettbewerbs- und Produktionsstandards innerhalb des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes angeglichen werden.
(Zuruf der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])
Deswegen machen Sie es sich zu einfach, UTP mehr als erforderlich, mehr als eins zu eins umzusetzen und jetzt pauschal dem Lebensmitteleinzelhandel den Schwarzen Peter zuzuschieben. Damit kommen Sie nicht durchs Loch, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Ich sage es ganz ausdrücklich: Wenn man mit dem Handel spricht, dann sagen die Kolleginnen und Kollegen: Na ja, das ist ja alles schön und gut; aber es birgt natürlich die Gefahr, wenn Sie die Daumenschrauben zu fest andrehen, dass die Warenströme künftig eben von außerhalb Deutschlands – aus der Europäischen Union, vielleicht auch aus Übersee – nach Deutschland und zum Verbraucher gelangen. Sie erweisen den Landwirten in Deutschland einen Bärendienst, wenn Sie die Schrauben zu fest anziehen.
Was wir wirklich endlich bräuchten, verehrte Kolleginnen und Kollegen, verehrte Frau Ministerin, ist ein Auflagenmoratorium, damit Landwirte, die Investitionen, die sie gerne tätigen – egal ob bei Tierhaltung, Ackerbau oder wo auch immer –, weil sie sich gerne weiterentwickeln wollen, tatsächlich auch amortisieren können und für einen kritischen Zeitraum tatsächlich auch die Gewähr haben, dass der Gesetzgeber nicht kommt und auf dem Gesetzeswege wiederum neue Auflagen erlässt, bevor die ersten Investitionen überhaupt zurückgezahlt werden konnten. Das wäre Ihre Aufgabe, und da müssen Sie liefern, anstatt den Schwarzen Peter einfach anderen zuzuschieben.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP)
Vielen Dank, Dr. Gero Hocker. – So, liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind noch zehn Minuten Abstimmungszeit übrig. Ich möchte Sie darauf hinweisen: Zehn Minuten lang können Sie bei der namentlichen Abstimmung noch abstimmen.
Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Dr. Kirsten Tackmann.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7519793 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 227 |
Tagesordnungspunkt | Agrarmarkt, Lebensmittellieferketten |