06.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 227 / Tagesordnungspunkt 22

Carsten BrodesserCDU/CSU - Schwarmfinanzierung, Restschuldversicherungen

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Schwarmfinanzierungs-Begleitgesetz bringen wir heute ein ganzes Bündel von gesetzlichen Regelungen zum Abschluss, die zum großen Teil dem Verbraucherschutz dienen. Im Kerngesetz, also in Bezug auf die Schwarmfinanzierung – darauf ist der Kollege Binding schon eingegangen –, haben wir dieses immer populärer werdende Finanzierungsinstrument auf europarechtlich solide Beine gestellt sowie die Haftung für fehlerhafte Informationen für die Verbraucher klargestellt.

Die ursprünglich im Entwurf sehr weit gefasste Haftung für fehlerhafte Prospektinhalte auch für die Aufsichtsorgane solcher Plattformen ging unseres Erachtens zu weit. Deshalb haben wir die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und auf Vorsatz beschränkt. Eine ähnliche Haftungsbeschränkung – auch das hat der Kollege Binding erwähnt – bei Leitungsorganen für unrichtige Angaben im Anlageinformationsblatt ist aus unserer Sicht jedoch nicht vertretbar; denn der Anleger muss sich auf die Richtigkeit der Informationen im Anlagebasisinformationsblatt verlassen können.

Die Einführung eines Vieraugenprinzips durch einen zweiten Geschäftsführer bei Leasing- und Factoring-Unternehmen wird vor allem für kleinere Anbieter eine Herausforderung sein, weshalb wir die Umsetzungsfrist auf den 1. Januar 2024 ausgedehnt haben.

Erwähnenswert ist ferner eine Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes in Bezug auf die Pensionskassen, die die Rahmenbedingungen für Unterstützungszahlungen durch Arbeitgeber verbessert. Wir stärken damit die Sicherheit und Finanzierbarkeit der betrieblichen Altersvorsorge und das Vertrauen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die betrieblichen Pensionsverpflichtungen.

Großen Raum nahm im parlamentarischen Verfahren die Deckelung von Abschlussprovisionen bei Restschuldversicherungen ein, die meine Fraktion bereits im letzten Jahr eingefordert hatte. Auswüchse mit in der Spitze über 50 Prozent Provisionsanteil an der Gesamtprämie gehören nun der Vergangenheit an; denn diese Provisionen sind zukünftig durch eine Deckelung auf 2,5 Prozent des versicherten Darlehensbetrages begrenzt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben Umgehungsmöglichkeiten bei der Vertriebsvergütung ausgeschlossen und eine Stornohaftung eingeführt.

Für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist dies ein guter Tag; denn wir ermöglichen dadurch auch in Zukunft eine passende Absicherung gegen existenzielle Risiken zum fairen Preis.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Eberhard Brecht [SPD])

Allen, die an dem vorliegenden Gesetzentwurf beteiligt waren, möchte ich ausdrücklich für ihre kollegiale und konstruktive Zusammenarbeit danken. Mein Dank gilt insbesondere den Kolleginnen und Kollegen unseres Koalitionspartners sowie den Fachabteilungen im BMF.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie sehen, trage ich heute bei dieser Rede im Plenum keine Krawatte.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sieht besser aus!)

Das hat auch einen guten Grund; denn in den letzten Wochen ist mir mehrfach der Kragen geplatzt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP – Otto Fricke [FDP]: So schlimm ist der Söder nicht!)

Denn wichtig ist nicht nur das, was in diesem Gesetz geregelt wurde, sondern auch das, was eben nicht geregelt wurde.

Im Rahmen der öffentlichen Anhörung wurde die Verordnung zur Absenkung des Höchstrechnungszinses in der Lebensversicherung von 0,9 auf 0,25 Prozent thematisiert, womit sich auch der vorliegende Antrag der FDP befasst.

(Frank Schäffler [FDP]: Guter Antrag!)

Diese betreffende Verordnung bedarf zwar formal nicht der parlamentarischen Zustimmung, hat aber erheblichen Einfluss auf die Systeme der betrieblichen und privaten Altersvorsorge.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wohl wahr! Wohl wahr!)

Im Anschreiben zu dieser Rechtsverordnung schreibt das BMF, dass die Anpassung des Höchstrechnungszinses dem Vorschlag der Deutschen Akutarvereinigung entspreche. Das ist richtig. Was das BMF jedoch verschweigt, ist die Tatsache, dass die Deutsche Aktuarvereinigung bereits im Dezember letzten Jahres in aller Klarheit auf die dringende Notwendigkeit hinwies, die Beitragsgarantie in der Riester-Rente sowie bei der Beitragszusage mit Mindestleistung in der betrieblichen Altersvorsorge zu reformieren.

Das war aber nur ein Teil eines unwürdigen Schauspiels, dessen Hauptdarsteller ausdrücklich nicht meine Kolleginnen und Kollegen der SPD im Finanzausschuss waren; denn sie wussten ja selber nicht, wie es weitergeht. Nein, Hauptdarsteller dieser Tragödie war der Bundesfinanzminister Olaf Scholz.

(Christian Dürr [FDP]: Oh!)

Aber der Reihe nach: Anfang 2018 schlossen die Union und die SPD den Koalitionsvertrag, womit sich auch der Bundesfinanzminister verpflichtete, die private Altersvorsorge weiterzuentwickeln und zügig ein attraktives Riester-Standardprodukt zu präsentieren. Gleichzeitig wurde eine Rentenkommission mit Vertretern aus Union, SPD, Gewerkschaften, Arbeitgebern und der Wissenschaft eingesetzt, die sich ebenfalls mit notwendigen Anpassungen der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge beschäftigen sollte. Parallel dazu tagten über anderthalb Jahre flankierende Arbeitsgruppen der Fraktionen.

Im März letzten Jahres legte die Rentenkommission ihren Abschlussbericht vor. Sie empfahl unter anderem, künftig modifizierte Garantien bei der Riester-Rente zu ermöglichen, um ein angemessenes Verhältnis von Rendite, Sicherheit und Risiken zu erhalten. Im Frühjahr 2020 tagten dann verschiedene Arbeitsgruppen der Riester-Produktanbieter auf Einladung des BMF. Im Oktober wurden die abschließenden Gespräche dann wieder ohne weitere Hinweise abgesagt.

Bereits im Frühjahr letzten Jahres veröffentlichte die Fraktionsarbeitsgruppe meiner Fraktion ihre konkreten Verbesserungsvorschläge, um die staatlich geförderte Altersvorsorge günstiger, bürokratieärmer und zukunftssicherer zu machen. Noch vor der Sommerpause im letzten Jahr sendeten wir diese Vorschläge an Olaf Scholz. Wir haben auf dieses Schreiben bis heute keine Antwort erhalten.

(Otto Fricke [FDP]: Da sehen Sie mal, was der Minister vom Parlament hält! Sie kriegen auch keine!)

Es ist ja nicht so, als hätten wir den „Obersten Führer“ Nordkoreas, Kim Jong Un, angeschrieben und keine Antwort erwartet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der war gut!)

Nein, wir sprechen hier vom Bundesfinanzminister, der notwendige Schritte zur Reform der staatlich geförderten Altersvorsorge unternehmen sollte.

Im Dezember 2020 sprach ich dann selbst mit Olaf Scholz.

(Otto Fricke [FDP]: Ui! – Zurufe von der LINKEN: He!)

Er versicherte mir, dass er nach Weihnachten wirklich gute Reformvorschläge unterbreiten wolle.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich frage mich heute: Welches Weihnachten hat er wohl gemeint?

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Anstatt zu handeln, hat er vertröstet, gebremst und sich letztlich der Problemstellung verweigert.

(Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben vor 20 Jahren mit der Riester-Rente die Möglichkeit geschaffen, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Einstieg in eine zusätzliche Altersvorsorge schmackhaft zu machen.

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Über 16 Millionen Menschen haben der Politik und ihren Empfehlungen vertraut. Wie die Zukunft der staatlich geförderten Altersvorsorge im Detail aussehen wird, entscheidet die nächste Regierung, leider.

(Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Unabhängig davon, ob sich zukünftig die Menschen in unserem Land für eine Zulagenrente, für ein Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt oder für einen Bürgerfonds entscheiden werden, müssen die 16 Millionen bestehenden Sparer im Auge behalten werden,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Es sind nur 11 Millionen! Es gibt 16 Millionen Verträge, aber nur 11 Millionen Riester-Sparer!)

und es ist die Aufgabe des Bundesfinanzministers, das aktuelle System bis dahin zumindest zu stabilisieren.

Die passende und auch noch mögliche minimalinvasive Lösung in den verbleibenden Wochen ist eine Öffnung der Beitragsgarantie, die auch nach Meinung der Wissenschaft zu mehr Rendite und mehr Sicherheit führt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eine Anhörung zu diesem Thema im Ausschuss für Arbeit und Soziales am Montag dieser Woche hat dies auch noch einmal untermauert. Herr Scholz – auch wenn er heute nicht da ist –,

(Otto Fricke [FDP]: Mal wieder nicht!)

nutzen Sie diese Chance, 16 Millionen Riester-Sparer zu entlasten!

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 11 Millionen Riester-Sparer!

Wir erwarten jetzt Ihr Handeln.

Und: Herr Heil, nutzen auch Sie diese Chance, damit die Beitragszusage mit Mindestleistung als Teil der betrieblichen Altersvorsorge erhalten bleibt!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schöne Rede, Carsten! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie stimmen dem Gesetzentwurf zu, trotz dieser Rede, oder? Das muss man nicht verstehen!)

Vielen Dank, Herr Kollege. Ich bin sicher, dass diese beachtliche Rede von Herrn Bundesfinanzminister Scholz wirklich zur Kenntnis genommen wird.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja! Dieses Weihnachten! – Abg. Frank Schäffler [FDP] begibt sich zum Rednerpult)

– Herr Kollege Schäffler, auch Sie müssen aufgerufen werden. Aber Sie haben als Nächster jetzt das Wort. – Nächster Redner ist der Kollege Frank Schäffler, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7519839
Wahlperiode 19
Sitzung 227
Tagesordnungspunkt Schwarmfinanzierung, Restschuldversicherungen
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