19.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 229 / Tagesordnungspunkt 3

Eberhard BrechtSPD - Jahresbericht 2020 der Wehrbeauftragten

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Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Dr. Högl! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundeswehr ist keine Armee des Bundespräsidenten, sie ist auch keine Armee der Bundesregierung, auch wenn das im BMVg einige Herren gern so sehen würden. Sie ist eine Parlamentsarmee.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] und Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir alle tragen Verantwortung für unsere Streitkräfte und insbesondere für deren verfassungsmäßige Verortung. Egal ob Polizei oder Bundeswehr – niemandem in unserem Land darf die Möglichkeit gegeben werden, sich mit Waffengewalt den Weg in eine Diktatur freizuschießen. Ein solches Szenarium ist so abwegig nicht, wie es die Waffenfunde bei einigen KSK-Soldaten gezeigt haben.

(Jan Ralf Nolte [AfD]: Unglaublich!)

In der jüngeren Geschichte haben immer wieder extremistische Strömungen die Streitkräfte ihres jeweiligen Landes infiltriert, um damit ihre antidemokratischen Vorstellungen gewaltsam umzusetzen. So begünstigte der vom Reichspräsidenten Friedrich Ebert sicherlich in bester Absicht geschlossene Pakt mit dem rechtsnationalen General Wilhelm Groener die politische Entfremdung zwischen den Streitkräften und den Verfassungsorganen.

Herr Kollege Brecht, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Aber gerne. Bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Wir sitzen ja eigentlich immer beide zusammen im Ausschuss. Deswegen wundere ich mich ein bisschen. Wir haben jetzt hier die Gelegenheit, über den Bericht der Wehrbeauftragten zu reden. Was Ihnen als Erstes einfällt, sind KSK-Soldaten, die irgendwie eine Diktatur errichten wollen oder so.

(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das wollen Sie nicht hören!)

Sie reden hier von Waffenfunden bei mehreren KSK-Soldaten, die das nahelegen würden. Der eine Fall ist uns allen bekannt, er ging auch durch die Medien. Was sind das sonst noch für KSK-Soldaten, bei denen es Waffenfunde gab und bei denen Sie Gründe haben für den Verdacht, dass sie sich den Weg in eine Diktatur freischießen wollen? Ich halte das für völligen Irrsinn. Ich halte das für eine Verunglimpfung des gesamten Verbandes. Aber Sie können sich ja mal dazu erklären.

(Beifall bei der AfD)

Herr Kollege, es liegt mir fern, einen Generalverdacht gegenüber dem KSK zu äußern. Frau Dr. Högl hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass es im KSK tatsächlich eine breite Unterstützung für die demokratische Verfasstheit in diesem Lande gibt. Nichtsdestotrotz: Wozu muss ein Soldat zu Hause Waffen lagern? Sie müssen diese Frage mal beantworten, weil es doch viele Vorfälle dieser Art gegeben hat. Umso wichtiger ist, dass man an dieser Stelle wachsam ist.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Zurück zum Thema der Weimarer Republik: General Feldmarschall von Hindenburg konnte öffentlich für die Reichswehr beanspruchen, gleichberechtigt mit dem Parlament zu sein. Die Reichswehr verstand sich also nicht als Parlamentsarmee, sondern sie verstand sich als unabhängiges Verfassungsorgan. In der Konsequenz dieser illoyalen Grundhaltung gegenüber der jungen Republik stand die Reichswehr beim Kapp-Putsch 1920 auf der falschen, nämlich auf der nichtdemokratischen Seite.

Nun noch mal zu Ihnen, Herr Kollege: Eine breite extremistische Unterwanderung der Bundeswehr gibt es nicht. Trotzdem müssen wir allen Einzelfällen nachgehen. Ich danke der Verteidigungsministerin, dass sie dem Extremismus, welcher Form auch immer, den Kampf angesagt hat, auch wenn es bei der Informationspolitik sicherlich noch Luft nach oben gibt.

Sehr geehrte Damen und Herren, neben disziplinarischer Verfolgung solcher Vergehen geht es auch um Innere Führung. Und ganz oben auf der Agenda der Inneren Führung sollte politische Bildung stehen – allerdings nicht, wie ich sie in der NVA schmerzhaft erlebt habe, als Politunterricht –, hierbei geht es nicht um Indoktrination, sondern um Wissensvermittlung und erlebte Pluralität in dem weitgespannten Rahmen des im Grundgesetz formulierten Wertekanons.

(Beifall bei der SPD)

Hierzu sollte die Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung intensiviert werden. Dabei stellt sich die Frage, ob politische Bildung bei bereits weitgehend sozialisierten jungen Menschen – die kommen ja schon irgendwo her – tatsächlich noch Wirkung zeigen kann. Das sollte im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr intensiv untersucht werden.

Meine Damen und Herren, auch im jüngsten Bericht der Wehrbeauftragten wurde die geplante neue zentrale Dienstvorschrift für ethische Bildung in der Bundeswehr kritisch bewertet. Dieser Bildungsauftrag – das ist jedenfalls meine Meinung – sollte nicht den Disziplinarvorgesetzten übertragen werden. Warum greift das Verteidigungsministerium nicht auf die vorhandenen Seelsorgerinnen und Seelsorger zurück? Sie sind militärisch und ethisch geschult. Sie könnten auch als Ansprechpartner für konfessionslose Soldatinnen und Soldaten dienen. Ich denke, dieses Maß eines von der Bundeswehrhierarchie unabhängigen Gedankenaustausches über Fragen von Ethik und Moral sollten plural aufgestellte Streitkräfte wohl doch ertragen können, Frau Ministerin.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Ende darf ich allen Soldatinnen und Soldaten danken, die in der Landesverteidigung und in internationalen Einsätzen tätig sind, insbesondere bei der Pandemiebekämpfung. Das war eine großartige Unterstützung der Zivilbevölkerung. Ich darf auch sehr herzlich Frau Dr. Högl und ihrem Team für ihre sehr gute Arbeit danken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brecht. – Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7522437
Wahlperiode 19
Sitzung 229
Tagesordnungspunkt Jahresbericht 2020 der Wehrbeauftragten
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