Ralf KapschackSPD - Gesetzliche Rentenversicherung, Bürgerversicherung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Menschen fragt, was ihre wichtigsten Themen sind, was sie beschäftigt, dann hört man in den aktuellen Umfragen nach Klimawandel und Corona schnell das Thema Rente. Deshalb ist es gut, dass wir uns kurz vor Ende der Wahlperiode heute hier noch einmal ausführlich darüber unterhalten, damit die Wählerinnen und Wähler im September wissen, woran sie sind.
Die gesetzliche Rente stärken ist ein Thema dieser Debatte. Das ist nicht nur eine gute Idee, das ist zwingend notwendig, um das Vertrauen in den Sozialstaat zu erhalten. Zugegeben, die gesetzliche Rente ist vielleicht nicht so sexy wie ein Aktiendepot, aber im Gegensatz zu Kapitalmarktfantasien ist sie zuverlässig.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])
Deshalb haben wir die gesetzliche Rente mit vielen Leistungsverbesserungen in den vergangenen Jahren gestärkt.
Vor allem mit der Einführung einer Grundrente sorgen wir dafür, dass ein Kernversprechen des Sozialstaats gilt: Wer jahrzehntelang in die Rentenversicherung eingezahlt hat, soll im Alter etwas davon haben. Das war, wie alle mitbekommen haben, mit unserem Koalitionspartner nicht ganz so einfach, aber mittlerweile findet auch der Kollege Straubinger die Grundrente großartig, wie er im Ausschuss erklärt hat.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)
Und er hat recht: Die Grundrente ist ein Riesenschritt.
Die von den Grünen geforderte Garantierente setzt am gleichen Problem an, geringe Rentenansprüche bei langjähriger Versicherungszeit oder Erwerbstätigkeit sollen aufgewertet werden. Im Detail gibt es Unterschiede. So wirkt die grüne Garantierente eher positiv für Männer, die Grundrente eher positiv für Frauen. Das halten wir für besser, weil vor allen Dingen Frauen im Alter eine geringere Rente haben als Männer.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird auch nicht wahrer, wenn du es dauernd wiederholst!)
Damit die Menschen die gesetzliche Rente für eine sinnvolle Einrichtung halten, muss sie sich am erworbenen Lebensstandard orientieren. Deshalb müssen die Renten den Löhnen und Gehältern folgen, damit auch Rentnerinnen und Rentner am Wohlstand teilhaben können. Wir haben durchgesetzt, dass das Rentenniveau bis 2025 nicht unter 48 Prozent absinkt.
(Beifall bei der SPD)
Wir wollen, dass das Rentenniveau längerfristig stabilisiert wird und, wenn möglich, wollen wir es auch wieder erhöhen.
Gute Löhne, Tarifverträge und eine aktive Arbeitsmarktpolitik sind die entscheidenden Stellschrauben für eine gute Rente; und da gibt es noch einiges zu tun. Zuallererst muss der Mindestlohn deutlich rauf, auf 12 Euro!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Das reicht aber noch nicht. Nach den jüngsten Zahlen nimmt die Tarifbindung weiter ab. Nur noch 42 von 100 Betrieben in Deutschland unterliegen einem Tarifvertrag. Diese Tarifflucht muss gestoppt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Tarifverträge müssen leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können. Das ist gut für gleiche Wettbewerbsbedingungen von Unternehmen.
(Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das ist aber auch gut für die Beschäftigten, und das ist auch gut für eine ordentliche Altersversorgung.
In der aktuellen Debatte gibt es ja immer wieder die schlichte Forderung: Wir leben länger, also müssen wir auch länger arbeiten. Auch der Kanzlerkandidat der Union, Herr Laschet, kommt mit solchen Ideen um die Ecke. Das ist nicht nur falsch, sondern fast schon zynisch;
(Beifall der Abg. Kerstin Tack [SPD])
denn eine weitere pauschale Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters würde für viele, die nicht länger arbeiten können, eine Rentenkürzung bedeuten. Und das machen wir nicht mit.
(Beifall bei der SPD)
Es ist im Übrigen keine besonders neue Erkenntnis, dass die Lebenserwartung ungleich verteilt ist. Der Bayerische Rundfunk hat neulich berichtet, dass die Kluft zwischen der Lebenserwartung im Süden Deutschlands und der im Norden dramatisch ist. In Bremerhaven sterben Männer sechs Jahre früher als in München. Das hat sicherlich nicht nur was mit der guten Luft in München zu tun, sondern mit der Sozialstruktur, mit der Arbeitsmarkt- und Berufsstruktur in Bremerhaven.
Wer länger arbeiten will und kann, soll das gerne tun – wir wollen das fördern. Aber es muss freiwillig sein. Die gesetzliche Rente muss reichen, um im Alter ordentlich über die Runden zu kommen.
(Beifall bei der SPD)
Zusätzliche Vorsorge ist für uns eine Ergänzung, aber kein Ersatz. Es war der Konstruktionsfehler bei Riester,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wohl wahr!)
den Anspruch zu haben, Einbußen bei der gesetzlichen Rente ausgleichen zu können. Das hat neben vielem anderem nicht funktioniert.
Die beste Ergänzung zur gesetzlichen Rente ist die betriebliche Altersversorgung, am besten tarifvertraglich organisiert. Allerdings hat nur die Hälfte der Beschäftigten überhaupt Zugang zur betrieblichen Altersversorgung, im Handwerk ist es jeder Zehnte. Welche Möglichkeiten sich mit Fantasie bei tarifvertraglichen Regelungen auftun, zeigt die von der IG Metall ausgehandelte Vereinbarung für das Metallhandwerk in Niedersachsen. Dort können Beschäftigte früher in Rente gehen – ohne Abschläge; denn die Arbeitgeber zahlen für Beschäftigte ab 50 jeden Monat 50 Euro zusätzlich in die Rentenkasse.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Deswegen haben wir einen Antrag dazu gemacht!)
Damit können Abschläge ausgeglichen werden, bzw. die Rente wird erhöht, wenn man das Renteneintrittsalter erreicht.
Wir wollen zusätzliche Zahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung erleichtern. Die Grünen schlagen zur Stärkung der gesetzlichen Rente eine Bürgerversicherung vor. Das ist nahe bei unserer Idee einer Erwerbstätigenversicherung, in die alle einbezogen werden sollen: Arbeiter, Angestellte, Selbstständige, Beamte und natürlich auch Abgeordnete.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Bei der Bürger- und Erwerbstätigenversicherung geht es um gesellschaftliche Solidarität, und Solidarität in der Alterssicherung heißt eben für uns auch, dass Mandatsträger/-innen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Das ist keine neue Debatte. Eine Expertenkommission hatte 2013 unter dem ehemaligen FDP-Justizminister Schmidt-Jortzig Vorschläge für eine Reform der Altersversorgung von Abgeordneten gemacht. Ein Teil der Kommission um Schmidt-Jortzig – jetzt müssten der FDP die Ohren klingeln – hat den Vorschlag gemacht, Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen
(Zuruf von der SPD: Hui!)
mit einem Bausteinmodell von Zusatzversorgung und privater Vorsorge. So ähnlich ist auch der Vorschlag der Linken.
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Na, das ist aber nicht richtig! Das stimmt ja nicht!)
Wir haben da zwei Kritikpunkte. Erstens schweigen Sie sich über die Finanzierung der Beiträge aus. Zweitens. Bei aller Sympathie für den Vorschlag, die Beitragsbemessungsgrenze zu erhöhen: Er hat einige rechtliche Brisanz, wenn es darum geht, dass künftig Rentenansprüche gedeckelt werden sollen.
In jedem Fall würde es das Image der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich verbessern, wenn auch Abgeordnete dort organisiert wären.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE] – Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Im September wird ein neuer Bundestag gewählt. Die SPD hat auf ihrem Parteitag die Forderung nach einer Erwerbstätigenversicherung noch einmal bekräftigt. Und ich bin sicher: Die neue Bundestagsfraktion wird dieses Thema, nämlich die Einbeziehung von Abgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung, in der nächsten Wahlperiode mit Mut und Energie anpacken.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Kapschack. – Als nächster Redner hat der Kollege Martin Sichert, AfD-Fraktion, das Wort.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7523408 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 231 |
Tagesordnungspunkt | Gesetzliche Rentenversicherung, Bürgerversicherung |