10.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 233 / Zusatzpunkt 15

Ralf KapschackSPD - Aktuelle Stunde - Doppelbesteuerung von Renten

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Grunde genommen ist die Sache ganz einfach: Der Bundesfinanzhof hat die Bundesregierung aufgefordert, sicherzustellen, dass auch in Zukunft keine doppelte Besteuerung von Renten stattfindet. Der Bundesfinanzminister hat gesagt: Ich lege dazu Vorschläge vor. – Was auch sonst? Im Grunde genommen ist damit die Geschichte erzählt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber wer sich so kurz vor der Bundestagswahl, in der vorletzten Sitzungswoche, mit dem Thema Rente beschäftigt, der redet sicherlich nicht nur über die Besteuerung von Renten, so wichtig das auch sein mag. Der Kollege Vogel hat das ja eben auch deutlich gemacht. Die Stichworte „Steuern“ und „Rente“ fallen ja auch oft beim Bundeszuschuss zur Rente. Er wird gerne als Beweis dafür angeführt, dass die Rente auf finanziell schwachen Füßen steht. Das ist völliger Unsinn. Steuermittel, die Beiträge flankieren, um die Rente zu finanzieren, sind nicht zuletzt ein bewusstes sozialpolitisches Instrument, um gesellschaftliche Verantwortung auf die Schultern aller zu verteilen.

(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Richtig! Seit 1957!)

Was die Menschen aber in diesen Tagen beim Thema Rente insbesondere umtreibt, ist der Vorschlag, das Renteneintrittsalter auf 68 zu erhöhen. Dieser Vorschlag kommt – wir haben es schon gehört – vom Wissenschaftlichen Beirat beim Wirtschaftsministerium. Und der wiederholt gebetsmühlenartig: Wir leben länger, also müssen wir auch länger arbeiten; anders ist die gesetzliche Rente auf Dauer nicht zu finanzieren. – Diese Logik ist ebenso schlicht wie falsch.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lebenserwartung hat nicht zuletzt etwas mit dem sozialen Status zu tun, mit Lebensumständen und Arbeitsmarktchancen. Männer in München – ich habe es an dieser Stelle schon mal gesagt – leben sechs Jahre länger als Männer in Bremerhaven. Dafür gibt es Gründe. Und was ist mit denen, die es jetzt schon nicht bis zur Rente schaffen? Was ist mit denen, die körperlich belastende Tätigkeiten ausüben und durch vorzeitigen Rentenbezug massive Abschläge in Kauf nehmen müssen, beim Arbeiten bis 68 in Zukunft noch mehr? Nichts dazu im Papier des Wissenschaftlichen Beirats! Entweder kommen diese Menschen in der Welt eines Wissenschaftlichen Beirats nicht vor – sie sind ihm schlicht egal –, oder er hat keine Antwort auf diese Fragen.

Wir lehnen eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters ab.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir auch!)

Wer will und kann, kann schon heute länger arbeiten. Dafür haben wir mit dem Flexirentengesetz gesorgt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das weiß Herr Börsch-Supan nicht!)

Zugegeben, da ist noch Luft nach oben. Längeres Arbeiten soll durch bessere Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitmodelle attraktiver werden – freiwillig und nicht als starre Hürde oder Grenze, die Tausende nicht schaffen.

Für die Finanzierung der Rente ist wichtig, dass viele Beitragszahler den Rentnern gegenüberstehen. Das kann in der Tat die Politik beeinflussen, zum Beispiel durch eine bessere Erwerbsbeteiligung von Frauen durch die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine gute Arbeitsmarktpolitik bleibt die beste Voraussetzung für eine gute Rente. Das zeigen übrigens auch die Prognosen der vergangenen Jahrzehnte, die deutlich weniger Beschäftigte und deutlich höhere Beiträge prognostiziert haben. Aber wir wissen, dass das Dumme an Prognosen ist: Sie beziehen sich auf die Zukunft.

Es ist eben kein Konflikt zwischen Jung und Alt, wenn wir die gesetzliche Rente auch durch höhere Beiträge stärken. Im Gegenteil: Niedrigere Leistungen oder ein längeres Arbeitsleben würden vor allem die Jüngeren treffen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich würde mir wünschen, alle, die Arbeiten bis 68 und länger fordern, würden mit dem gleichen Engagement eine deutlich höhere Tarifbindung und damit gute Löhne als Basis für eine auskömmliche Rente fordern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Leider Fehlanzeige!

Die gesetzliche Rente steht vor Herausforderungen – überhaupt keine Frage –, gerade durch die geburtenstarken Jahrgänge, die in den nächsten Jahren in Rente gehen. Wer aber Katastrophenbilder an die Wand malt wie ein gewisser Herr Börsch-Supan,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Tja!)

der bekommt sicherlich kurzfristig Aufmerksamkeit und vielleicht auch Beifall; das Vertrauen in Staat und Politik geht aber dabei baden.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wohl wahr!)

Deshalb: Für uns ist die Stärkung der gesetzlichen Rente durch eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen, durch eine gute Arbeitsmarktpolitik und durch garantierte staatliche Zuschüsse die beste Investition in den Sozialstaat, eine gute Investition in den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

Vielen Dank. – Das war meine letzte Rede in diesem Haus. Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit. Alles Gute!

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: War eine gute Rede!)

Alles Gute auf dem weiteren Weg! – Das Wort hat der Kollege Sepp Müller für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7526498
Wahlperiode 19
Sitzung 233
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Doppelbesteuerung von Renten
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