Wolfgang Kubicki - Ökologisch-soziale Transformation, Wohlstand
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Wohlstand für morgen sichern, das ist, glaube ich, die wichtigste Aufgabe, die auch in den nächsten Jahren vor uns liegt, ganz ohne Zweifel. Deswegen ist die Diskussion, die wir heute beginnen, sehr gut; aber der nächste Deutsche Bundestag wird diese Diskussion sicherlich sehr viel intensiver führen müssen.
Wir sind noch damit beschäftigt, die Folgen der Coronapandemie zu bekämpfen. Die umfangreichen staatlichen Programme laufen noch. Aber der Blick in die Zukunft darf deswegen nicht abhandenkommen.
Wir müssen in Zukunft aber wahrscheinlich auch zwei Schritte schneller gehen, um im Prinzip wettbewerbsfähig zu bleiben im Vergleich mit Amerika oder im Vergleich mit den asiatischen Staaten. Die Bewahrung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wird letztendlich darüber entscheiden, ob die sozialen Sicherungssysteme, die wir in Deutschland haben, auch in Zukunft noch finanzierbar bleiben.
Ich frage mich natürlich, warum die Grünen so einen umfangreichen Antrag jetzt zum Ende der Legislaturperiode vorlegen; denn am Anfang der nächsten wäre das eigentlich viel besser gewesen.
(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was soll das denn?)
Aber, meine Damen und Herren, die CDU/CSU hat in dieser Woche ihr Regierungsprogramm vorgelegt.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Seien Sie doch mal leise! – Wissen Sie, wir machen keine Anträge, wir legen ein Regierungsprogramm vor. Wenn Sie mal einen Blick in das Regierungsprogramm der Union werfen,
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir aber gespannt!)
dann sehen Sie: Darin sind genau diese Zukunftsfragen ganz klar niedergelegt und ganz klar formuliert.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da steht ja nichts drin! – Timon Gremmels [SPD]: Herr Lämmel, ohne rot zu werden! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir sind als die einzige Partei hier im Deutschen Bundestag überzeugt, dass Deutschland ein starker Industriestandort bleiben muss.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ganz genau!)
Dafür werden wir alles tun, meine Damen und Herren.
Aber überbordende Bürokratie, hohe Strompreise, fein ziselierte Gesetze, die Sie ja als Grüne noch feiner stricken wollen, und der Nachholbedarf bei der Infrastruktur sind das, was im Moment die Wirtschaft bei der Entwicklung hemmt.
(Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn regiert?)
Viele von Ihnen kennen die Bilder von Gulliver – das war ja heute schon kurz erwähnt worden –: Die Wirtschaft liegt gefesselt am Boden; rote und grüne Winzlinge versuchen, mit immer mehr Schnüren die Wirtschaft sozusagen handlungsunfähig zu machen.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Timon Gremmels [SPD])
Deswegen heißt unser Regierungsprogramm ein Entfesselungsprogramm für die Wirtschaft. Ganz einfach ist das, meine Damen und Herren. Deswegen brauchen wir keine weiteren grünen und roten Schnüre. Wir brauchen Freiraum für die Wirtschaft, wir brauchen Freiraum für Unternehmer, damit sie das tun können, was ihre Aufgabe ist.
(Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Man wundert sich ja manchmal über Spitzenkandidaten. Da hat Olaf Scholz, SPD-Spitzenkandidat, beim Tag der Industrie diese Woche gesagt: Also, wenn er gewählt wird, dann werden die Strompreise für die Industrie drastisch sinken.
(Zustimmung bei der SPD)
Toll! Das könnte er jetzt schon machen, meine Damen und Herren. Das sind doch leere Versprechungen.
(Zurufe von der SPD)
Heute Nachmittag werden wir eine Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes und weitere Gesetze etwa zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes sowie eine Verordnung zur Umsetzung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2021 verabschieden.
(Zurufe von der SPD)
Olaf Scholz ist derjenige, der persönlich verhindert hat, dass es eine Übergangsregelung beim Spitzenausgleich für die energieintensive Industrie gibt. Punkt eins. Das ist eine starke Belastung der Wirtschaft.
Die Regierung hat eine Carbon-Leakage-Verordnung vorgelegt, die völlig unzureichend war. Wir als Union haben versucht, diese Carbon-Leakage-Verordnung so weit aufzubessern,
(Zuruf des Abg. Timon Gremmels [SPD])
dass diese Belastungen aus dem CO2-Handel für die Wirtschaft tragbar werden. Wer war der Verhinderer? Die Sozialdemokraten, meine Damen und Herren. Da fallen doch Handeln und Reden völlig auseinander.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Timon Gremmels [SPD]: Jetzt wissen wir, warum Altmaier nicht da ist!)
Ein weiteres Beispiel aus dem Grünen-Antrag. Da schreiben Sie: „Deshalb müssen Planungsprozesse beschleunigt und das Planungsrecht entbürokratisiert werden.“
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Hätten Sie mal machen können!)
Da habe ich einen Lachanfall gekriegt. Wissen Sie, ich erinnere mich noch daran, wie wir das Planungsbeschleunigungsgesetz für die Verkehrswege oder das Planungsbeschleunigungsgesetz für den Stromleitungsbau im Zuge der Energiewende machen wollten. Wer hat denn das alles verhindert? Sie, die Grünen!
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bis in den Bundesrat hinein haben Sie alle Vereinfachungen in diesen Gesetzen verhindert, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und jetzt schreiben Sie solche Sätze in Ihren Antrag. Also, da kann man ja nur fragend davorstehen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Lämmel, Sie regieren!)
Noch etwas ganz Schmackiges. Da steht in Ihrem Antrag: eine Handelspolitik, „die sich an den planetaren Grenzen orientiert“. Wow, „an den planetaren Grenzen“!
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, richtig!)
Wollen Sie jetzt mit den Marsmenschen in Handelsbeziehungen treten, oder was heißt das?
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Also wenn Sie solche Anträge schreiben, sollten Sie die so schreiben, dass ein Mensch sie auch versteht.
Meine Damen und Herren, Max Weber hat mal geschrieben: „Die Politik bedeutet ein starkes, langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.“ Das war das Leitmotto meiner Arbeit hier im Deutschen Bundestag. Manche dieser harten Bretter sind so hart gewesen, dass sie nicht so gut geworden sind. Aber im Wesentlichen sind diese Bretter in den letzten Jahren doch ganz gut geglückt.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Lämmel, was wollen Sie eigentlich sagen?)
Leidenschaftlich haben wir über viele Dinge diskutiert. Wir haben uns auch gestritten. Wir haben uns aber immer fair, glaube ich, auseinandergesetzt.
Nun endet nach 16 Jahren meine Tätigkeit hier im Deutschen Bundestag. Ich bleibe der Politik trotzdem treu. Es waren für mich wirklich interessante Jahre, muss ich sagen. Es waren erfolgreiche Jahre. Es waren Jahre, in denen ich immer wieder Neues gelernt habe, und es waren Jahre, in denen wir Erfolge feiern konnten, aber auch sehr viele Niederlagen einstecken mussten. Das ist leider so.
Und wenn ich manchen mit dem Ruf nach Ordnungspolitik oder vielleicht mit meinen Bedenken gegen die Einschränkung von Bürgerrechten während der Pandemie auf die Nerven gegangen bin, dann kommt das daher, meine Damen und Herren, dass ich vor über 30 Jahren erlebt habe, wie ein Land samt seiner Wirtschaft unterging. Damals bin ich mit auf die Straße gegangen. Wir haben für Freiheit, für Demokratie und für soziale Marktwirtschaft gekämpft. Diese Begriffe sind für mich keine hohlen Phrasen. Das ist meine innere Überzeugung, und dafür werde ich auch weiterhin kämpfen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Ich bedanke mich bei allen, die mich über die vielen Jahre begleitet haben. Ich werde auch alle, mit denen ich mich gestritten habe, trotzdem auf der Straße noch grüßen. Also, da brauchen Sie keine Angst zu haben.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Herzlichen Dank und Glückauf! Alles Gute für diejenigen, die gewählt werden. Ich hoffe, dass die Unionsfraktion nach der Wahl zum Deutschen Bundestag doppelt so groß sein wird wie heute.
(Beifall bei der CDU/CSU – Timon Gremmels [SPD]: Ich wollte gerade klatschen! Aber da kann ich nicht mehr klatschen! Da haben Sie Pech gehabt!)
Herr Kollege Lämmel, auch Ihnen gilt der Dank des Hauses für 16 Jahre parlamentarischer Tätigkeit. Erlauben Sie mir die Anmerkung: Ich wünsche Ihnen tatsächlich für die Zeit nach dem Bundestag alles Gute. Aber als Vorsitzender der Bau- und Raumkommission habe ich gerade Schweißperlen auf die Stirn bekommen. Wenn alle Fraktionen doppelt so groß werden, wie sie gegenwärtig sind, dann haben wir Probleme mit der Unterbringung. Aber das ist dann nicht mehr Ihr Problem. – Vielen Dank noch mal für Ihre Tätigkeit.
(Beifall)
Nächster Redner ist der Kollege Leif-Erik Holm, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7530644 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 236 |
Tagesordnungspunkt | Ökologisch-soziale Transformation, Wohlstand |