25.06.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 237 / Tagesordnungspunkt 38

Peter WeißCDU/CSU - Armuts- und Reichtumsbericht, Familienpolitik

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! „ Wohlstand für alle“ –

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ludwig Erhard!)

mit diesem Slogan und Buchtitel hat Ludwig Erhard einst sein Konzept der sozialen Markwirtschaft zum politischen und wirtschaftlichen Erfolgsschlager gemacht. Herr Strengmann-Kuhn, wenn Sie schon „Wohlstand für alle“ in Ihrer Rede hier erwähnen, wäre es klug gewesen, Sie hätten Ihrer Kanzlerkandidatin schon früher gesagt, dass das von Ludwig Erhard stammt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Immer weitere und breitere Schichten unseres Volkes zu Wohlstand zu führe„n“, das versprach damals Ludwig Erhard. Die Frage ist: Ist das auch heute möglich? Und die erfreuliche Botschaft des Armuts- und Reichtumsberichts ist: Ja, das ist auch heute möglich. – Deswegen freue ich mich, dass wir einen wirklich hoffnungsmachenden und zukunftsorientierten Armuts- und Reichtumsbericht vorliegen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will nur ein paar wenige, wie ich finde, relativ eindeutige Aussagen zitieren:

Erstens. Das letzte Jahr vor der Pandemie, die ja dann diesen tiefen Einbruch brachte, war von einem deutlichen Einkommenswachstum geprägt, und hiervon haben alle, also nicht nur einige, sondern alle Einkommensbereiche profitiert.

Zweitens. Die Anzahl der Bezieher von Arbeitslosengeld II hat bis zum Beginn der Pandemie weiter abgenommen; sie ist jetzt in der Pandemie leider wieder angestiegen. Ebenso sank die Quote der erheblichen materiellen Deprivation – auf Deutsch etwa: erhebliche Entbehrungen, die den Menschen auferlegt sind – von 11,6 Prozent im Jahr 2013 auf 6,8 Prozent im Jahr 2019. Insgesamt hat der Bezug von Mindestsicherungsleistungen bis zum Jahr 2019 weiter abgenommen.

Die wichtigste Botschaft ist: Die Wahrscheinlichkeit, dass man den Bereich niedrigen Einkommens verlassen kann, ist in Deutschland insgesamt höher als die Wahrscheinlichkeit, in Einkommensarmut zu fallen, also mehr Aufstieg als Abstieg. Und genau das macht Wohlstand für alle aus. Wir wollen für alle Menschen in Deutschland die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg schaffen: mehr Aufstieg und möglichst keinen Abstieg!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die allermeisten Menschen ist übrigens die Phase niedrigen Einkommens eine Übergangsphase. Nach einem Jahr hat etwa ein Drittel den Bereich der geringen Einkommen bereits verlassen, nach drei Jahren fast die Hälfte. Auf die Frage: „Wie kommt man denn aus der Einkommensarmut raus, also von unten nach oben?“, gibt der Bericht auch eine eindeutige Antwort: Nicht dadurch, dass man Almosen oder Geld verteilt; vielmehr sind Bildungsniveau und Erwerbsintensität die Schlüssel zur Verbesserung der Einkommensposition – klare Aussage. Hohe Schulbildung, gute berufliche und akademische Bildung ermöglichen Aufstiege auch aus einfachsten Verhältnissen. Und vor allen Dingen: Wer den Aufstieg geschafft hat, kann davon ausgehen, dass auch seine Kinder und Kindeskinder diesen Aufstieg weiter fortsetzen. Das ist die gute Botschaft!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch einmal kurz ein Blick auf die Bezieher von Arbeitslosengeld II – da sehen wir das deutlich –: Zwei Drittel sind Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung. – Da erkennt man den Hauptgrund. Deswegen war es wichtig, dass wir in dieser Legislaturperiode für diejenigen, die schon sehr lange in Langzeitarbeitslosigkeit sind, endlich ein Instrument geschaffen haben, nämlich das Teilhabe-Chancen-Gesetz mit mehrjährigen Lohnkostenzuschüssen. Deswegen war es wichtig, dass wir zweimal das Qualifizierungschancengesetz mit einem klaren Angebot zur Fort- und Weiterbildung reformiert und seinen Leistungsumfang verbessert haben.

Aber wir werden in Zukunft – da brauchen wir Fachkräfte, die sind gefragt – noch mehr tun müssen für Qualifizierung, Fort- und Weiterbildung. Manche brauchen eben eine zweite oder vielleicht auch eine dritte Chance, um Schul- und Berufsabschluss nachzuholen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Also das Konzept eines aktivierenden Sozialstaates und echter Hilfe zur Selbsthilfe.

(Zuruf der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in der Pandemie hat sich eines bewiesen: Ein echtes Bollwerk gegen Armut sind unsere leistungsfähigen Sozialversicherungen. Sie haben gerade in der Pandemie ihre Stärke bewiesen. Ich finde, unsere Sozialversicherungen sind auch deswegen stark, weil sie eine starke Selbstverwaltung haben, in der die Versicherten, Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter Verantwortung für die Sozialversicherungen übernehmen.

Ich persönlich werde jetzt aus freien Stücken nicht mehr kandidieren und damit nicht mehr dem nächsten Deutschen Bundestag angehören, darf also jetzt auch meine letzte Rede hier im Parlament halten. Ich will Ihnen sagen: Ich freue mich darauf, dass ich anschließend zusammen mit Daniela Kolbe, die ja eben ihre Abschiedsrede gehalten hat, die Aufgabe des Bundeswahlbeauftragten für die Sozialwahlen für die nächsten sechs Jahre übernehmen darf, und ich hoffe, dass wir in dieser Funktion auch einen Beitrag zur Stärkung der Selbstverwaltung unserer Sozialversicherungen leisten können.

(Franziska Gminder [AfD]: Die sind aber pleite!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was ich jetzt ausspreche, ist keine Drohung, sondern ein freundliches Angebot. Ich bin mir sicher: Daniela Kolbe und ich werden in den kommenden Jahren auf diejenigen, die dem Parlament weiterhin angehören, sicherlich mit etlichen guten Ideen und Vorschlägen zukommen, wie wir die Selbstverwaltung in Deutschland stärken können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

Es war und es ist eine tolle Aufgabe, Abgeordneter zu sein, und zudem auch eine große Ehre. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, ich danke den Ministerien, vor allem natürlich dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die gute Zusammenarbeit. Und ich wünsche Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, den künftigen Parlamentarierinnen und Parlamentariern, unserem Land alles Gute und Gottes Segen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN – Die Fraktion der CDU/CSU sowie Abgeordnete der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen erheben sich)

Herzlichen Dank, lieber Kollege Weiß, für die langjährige intensive, immer konstruktive Zusammenarbeit, die wir alle mit Ihnen pflegen konnten. Es war nicht immer leicht, mit Ihrer Art, alles geradeheraus zu sagen, zu arbeiten; aber Sie waren immer sehr korrekt in Ihrem Verhalten. Und es hat immer wahnsinnig viel Spaß gemacht, sich mit Ihnen im Guten in der Sache auseinanderzusetzen. Herzlichen Dank! Wir wünschen Ihnen persönlich alles, alles Gute!

(Beifall)

Zum Abschluss der Debatte hören wir Michael Schrodi von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Personen

Dokumente

Automatisch erkannte Entitäten beta

Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7530916
Wahlperiode 19
Sitzung 237
Tagesordnungspunkt Armuts- und Reichtumsbericht, Familienpolitik
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta