07.09.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 239 / Tagesordnungspunkt 1

Armin Laschet - Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundeskanzlerin hat heute diese Debatte eröffnet, und sie hat einen Vergleich gezogen zwischen dem Jahr 2005 und dem Jahr 2021.

(Zuruf von der SPD: Oijoijoi!)

– Ja, ich verstehe, dass Sie da „Oijoijoi“ sagen. Denn bis 2005 hat Rot-Grün regiert.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das ist dünn! Das ist echt dünn!)

Die Bilanz waren 5 Millionen Arbeitslose. Wir hatten ein geringeres Bruttoinlandsprodukt. Deshalb ist es gut, einmal daran zu erinnern, dass wir zuletzt 16 gute Jahre für Deutschland erlebt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn jetzt, mitten in der Pandemie, 2,6 Millionen Menschen ohne Arbeit sind und es damals 5 Millionen waren,

(Zuruf von der SPD: Dann haben wir das der SPD zu verdanken!)

dann heißt das: Es gibt weniger Armut. Armut bei Kindern hängt auch davon ab, ob Eltern Arbeitsmöglichkeiten haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb ist das Erste: Wir müssen für mehr Arbeitsplätze sorgen.

Das Zweite ist: Sie malen hier düstere Bilder von Umwelt- und Klimapolitik. Vor 16 Jahren kamen knapp 10 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien. Heute sind es 46 Prozent.

(Zuruf von der SPD: Trotz Altmaier!)

In diesen Jahren ist viel bewegt worden. Deshalb ist es richtig, dass wir an dieser Stelle der Bundeskanzlerin danken. Sie hat dieses Land gut durch viele Krisen geführt, und all Ihre Schwarzmalerei hat wenig mit dem zu tun, was in diesen 16 Jahren geleistet worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt immer diesen netten Spruch: Ja, warum wollt ihr jetzt was Neues machen? Ihr hattet doch 16 Jahre Zeit.

(Zuruf von der AfD: So ist es!)

Was ist denn bei der Digitalisierung passiert? Christian Lindner hat das ein wenig angedeutet.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das ist die Wahrheit!)

– Ja, die Wahrheit. Wenn Sie „Wahrheit“ rufen, bin ich immer skeptisch.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Sie sind Katholik! Sie müssen wissen, was „Wahrheit“ heißt!)

2005 hat Netflix per Post DVDs verschickt.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Der Staat verschickt auch noch CD-ROMs! Manchmal sogar Briefe!)

Die Welt hat sich seither ein wenig verändert. Jetzt, im Jahre 2021, zu kritisieren, wie man 2005 reagiert hat, ist einfach unseriös.

Wir alle haben in dieser Pandemie gemerkt, dass Bund, Länder und Kommunen auf die Herausforderungen unserer Zeit nicht richtig eingestellt sind. Wenn die Gesundheitsämter mit Faxen arbeiten,

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer waren denn die Gesundheitsminister?)

ist es Aufgabe der Kommunen, dies zu ändern. Wenn die Länder nicht schnell genug sind bei der Bildung, Frau Baerbock, ist das eine Länderaufgabe. Aber immer so zu tun, als sei diese Bundesregierung an allem schuld, ist falsch. In elf Ländern regieren Sie mit, und wenn es da nicht gut läuft, sind Sie auch dafür verantwortlich. Man kann sich nicht immer aus der Verantwortung herausziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Natürlich ist nach 16 Jahren jetzt vieles neu zu gestalten. Wir stehen an einer Epochenwende. Wir alle spüren das. Europa ist unter Druck gekommen. Europa hat in der Pandemie gemerkt, wie abhängig man von einer fremden Macht war, selbst bei simpelsten medizinischen Gütern.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: „Macht“! Was für eine Formulierung!)

Insofern wird unsere europäische Welt mit einem wertebasierten Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell jetzt die Gestaltung der Zukunft auf sich nehmen müssen. Das geht nur europäisch. Wir brauchen einen Zusammenschluss Europas, um für unser Menschenbild einzutreten: gegenüber China, einem Herausforderer, gleichzeitig Systemrivale und Partner, auch gegenüber anderen in der Welt. Das ist eine der großen Aufgaben, die wir jetzt anpacken müssen.

Das Gleiche gilt für den Klimawandel. Wir können hier über kleinteilige Maßnahmen diskutieren. Wir als Deutschland werden auch unseren Teil leisten müssen. Aber wir werden diese große Aufgabe nur als globale Aufgabe, als Klimaaußenpolitik, bewältigen. Da werden wir auch mit Ländern reden müssen, die unser Menschenbild nicht teilen: mit Russland, mit China, mit der arabischen Welt. Nur wenn wir hier zu mehr Gemeinsamkeiten kommen, werden wir diese Menschheitsaufgabe lösen. Deshalb rate ich uns, etwas von diesem Klein-Klein wegzukommen und uns dieser großen Aufgabe anzunehmen, die jetzt in den nächsten zehn Jahren vor uns liegt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen – zu der Frage der äußeren Sicherheit und zu der Frage der inneren Sicherheit will ich nachher noch kommen – mit all unseren Prozessen im Land schneller werden. Der Finanzminister hat hier eben gesagt, wir müssten mehr Wohnungen bauen. Ja, das stimmt. Wir müssten mehr Wohnungen bauen.

(Zuruf von der AfD: 300 000 Abschiebungen, die verschleppt werden!)

Sie haben die Zeit von Helmut Kohl gewürdigt, in der mehr Wohnungen gebaut worden sind. Aber, sehr verehrter Herr Scholz, glauben Sie allen Ernstes, man kriegt das mit mehr Vorschriften, mehr Blockaden, mehr Regeln hin?

(Zuruf der Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD])

Rot-rot-grüne Berliner Wohnungsbaupolitik: Zum ersten Mal seit 2009 sind weniger Wohnungen gebaut worden.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Falsch! Das stimmt überhaupt nicht! – Zuruf von der SPD: So ein Quatsch!)

Glauben Sie, mit dieser Methode würden Sie mehr Wohnungen in Deutschland bauen? Das ist doch eine absurde Vorstellung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Bauvorschriften damals waren ganz andere. Jedes Jahr werden neue Dinge draufgelegt. In Ihren Wahlprogrammen stehen eine Menge neuer Vorschriften, die jetzt alle kommen sollen. Sie müssen aber jemanden, der Geld investiert, ermutigen, dass er das in Wohnungen steckt. Es muss attraktiv sein, zu bauen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei aller Liebe, sehr verehrter Herr Scholz, man kann nicht mit der Raute durch die Gegend laufen und reden wie Saskia Esken. Das passt einfach nicht zusammen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das Gleiche gilt für die Wirtschaftspolitik. Wir haben in der Pandemie mit vielen Milliarden – Sie haben das erwähnt – die Kurzarbeit bezahlt, wir haben Unternehmen Hilfe gegeben, damit sie gut durch die Krise kommen. Das war übrigens möglich, weil wir davor eine Politik gemacht haben, die der Herr Präsident noch als Finanzminister verantwortet hat: die Politik der Schuldenbremse und der schwarzen Null.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Weil wir in guten Zeiten Rücklagen gebildet haben, konnten wir, anders als viele andere europäische Länder, in der Krise helfen.

Ihr Parteivorsitzender Herr Walter-Borjans – ich kenne ihn aus Nordrhein-Westfalen –

(René Röspel [SPD]: Guter Mann!)

hat gesagt: „Die Schuldenbremse ist der Fetisch von Wolfgang Schäuble. Der ist falsch; Schulden sind gut.“ – Dazu kamen so dolle Sätze wie: Die Schulden von heute sind die Steuerkraft von morgen. – Die Politik, die wir gegen Sie durchgesetzt haben, hat dazu geführt, dass wir solide gehaushaltet haben. Ich fürchte, wenn die Union nicht mehr da ist, wenn Sie keinen Kanzler mehr vor sich haben,

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Da müssen Sie keine Angst haben! Das wird schon!)

der auf Sie achtet, dann werden Sie wieder Schulden machen, und dann werden Sie wieder Steuern erhöhen, wie wir das von Ihnen kennen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD – Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Die Schuldenbremse steht mit unserer Zustimmung im Grundgesetz!)

Deshalb gehört in den Dank an die Bundeskanzlerin natürlich auch, dass sie in diesen 16 Jahren 12 Jahre gut auf die Sozialdemokraten aufgepasst hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Das war eine große Leistung.

Die Philosophie nach der Krise muss doch sein: Wir kommen nur zu wirtschaftlichem Wachstum, wenn wir Fesseln wegnehmen, wenn wir Bürokratie wegnehmen, wenn wir Freiräume schaffen, damit investiert werden kann, und wenn wir all denen, die jetzt darauf warten, wieder zu investieren, nicht das Geld entziehen, das sie für Investitionen brauchen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Die Schuldenbremse ist eine Fessel!)

Wir alle haben doch vor der Pandemie diese Lehre gezogen; mich wundert, dass man das so schnell vergessen kann.

(Zuruf von der SPD: Herr Söder würde nicht so reden!)

Jahrelang ging es ohne neue Steuererhöhungen. Jedes Jahr im Frühjahr kam die Steuerschätzung, und am Ende des Jahres gab es immer mehr Steuereinnahmen, weil die Wirtschaft brummte, weil die Menschen Beschäftigung hatten, weil die Arbeitslosigkeit niedrig war und viele Menschen Steuern gezahlt haben.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sie haben die Gesundheitsämter kaputtgespart! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

Wie kann man das so schnell vergessen? Warum macht man jetzt wieder die gleichen Fehler, die man davor gemacht hat? Steuern erhöhen und Schulden machen, das ist der falsche Weg!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine Bemerkung zu Ihnen, Frau Baerbock. Sie haben über Verlässlichkeit in der Politik gesprochen. Sie haben dem SPD-Kanzlerkandidaten vorgeworfen, dass er in der Lausitz von einem Kohleausstieg im Jahr 2038 spricht und in anderen Regionen andere Daten nennt. Das ist vielleicht sogar ein berechtigter Punkt.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das ist ja eine Allianz!)

Aber eines ist unredlich – und da haben die Grünen am allerwenigsten Grund, hier moralisch so überheblich aufzutreten –:

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt komm nicht mit der Platte Garzweiler!)

Diese Große Koalition hat als erste eine Kohleausstiegskommission eingesetzt und den Kohleausstieg eingeleitet. Das ist das Erste, was man hier einmal feststellen muss. Diese Kommission sollte einen gesellschaftlichen Konsens erzielen,

(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

mit Gewerkschaften, Arbeitgebern, Wissenschaftlern wie Professor Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und allen Umweltverbänden, die daran beteiligt waren. Sie sollten die Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Strom prüfen und sind zum Enddatum 2038 gekommen.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist falsch! Nicht alle zusammen!)

– Sie sind zum Enddatum 2038 gekommen. Lassen Sie sich mal von Michael Vassiliadis und anderen die letzte Nacht schildern. Eine einzige Gegenstimme gab es gegen dieses Datum. Sie kam von einer Bürgermeisterin aus dem Osten, weil es um eine Umsiedlung ging.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lausitz ist das! Die kenne ich sehr gut!)

Alle anderen 27 haben Ja gesagt. Sie haben dann ein Minderheitsvotum abgegeben, in dem sie gesagt haben: Wir könnten uns auch 2030 vorstellen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aha!)

Aber im Sinne eines gesellschaftlichen Konsenses, der in einer solchen Frage wichtig ist, haben sie sich für 2038 entschieden.

Jetzt wird man sehen, wie sich der CO2-Preis entwickelt. Vielleicht geht es schneller. Wir in Nordrhein-Westfalen, im Westen, werden schneller sein. Aber in Ostdeutschland hat man bereits 1990 brutalste Brüche erleben müssen. Die Menschen dort haben das Recht darauf, dass, wenn die Politik etwas zusagt, diese Zusage mindestens ein Jahr haltbar ist und nicht direkt infrage gestellt wird, wenn es in die Umsetzung geht. Das ist der Punkt, um den es geht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Baerbock?

Ja.

Frau Baerbock.

Vielen Dank, Herr Laschet. – Da Sie mich direkt angesprochen haben und das ja eine der großen Zukunftsfragen für die nächste Bundesregierung sein wird, möchte ich Sie als Erstes daran erinnern, was in diesem Kompromiss drinstand. Sie haben ja schon mal etwas behauptet, was nicht der Realität entsprach,

(Zurufe von der CDU/CSU und der AfD: Frage!)

nämlich dass die Umweltverbände am Ausstiegsdatum 2038 schuld sind. Deswegen möchte ich an dieser Stelle einmal sagen, was im Kohlekompromiss drinstand. Wir haben den nämlich hier im Deutschen Bundestag beraten und auch das Gesetz, das Sie dann hier als Große Koalition eingebracht haben. Der Vorschlag der Kohlekommission enthielt Revisionsklauseln, die es ermöglichen, immer wieder zu überprüfen, ob das CO2-Budget noch eingehalten wird oder nicht. Diese Revisionsklauseln haben Sie dann als Große Koalition aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Erste Frage: Wissen Sie das eigentlich? Zweite Frage: Warum sagen Sie dann, der Kohlekompromiss wurde eins zu eins umgesetzt?

Zweiter Punkt. Sie haben, anders als behauptet, als Große Koalition mit beschlossen, dass das Kraftwerk Datteln 4 ans Netz geht.

Das heißt, das, was Sie hier gesagt haben, nämlich dass der Kohlekompromiss hier eins zu eins eingebracht worden sei, stimmt einfach nicht. Da die Bundesregierung selber mit Zahlen aus dem Bundesumweltministerium berechnet hat, dass wir die Klimaziele verfehlen, wäre jetzt doch der Zeitpunkt, zu sagen – das ist das, was die Kohlekommission beschlossen hat –: Wenn wir die Ziele verfehlen, müssen wir den Kohleausstieg vorziehen, weil das ein Kompromiss ist, an den wir uns alle halten.

(Christian Lindner [FDP]: Nächster Job: Parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium!)

Daher meine Frage an Sie: Halten Sie sich an die Zusage, wenn wir die Klimaziele verfehlen, den Kohleausstieg vorzuziehen, so wie es gemeinsam beschlossen worden ist?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alice Weidel [AfD]: So, Herr Laschet, jetzt aber!)

Vielen Dank für die Zwischenfrage, Frau Baerbock, die ja auch einen kleinen Erläuterungsteil enthielt,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

der aber leider nicht stimmte. Ich bedaure, dass die Umweltverbände nicht zu dem stehen, was sie da mit beschlossen haben. Der Abschlussbericht mit dem Datum 2038 wurde mit 27 Jastimmen angenommen.

(Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Da können jetzt noch so viele Menschen im Netz versuchen, sich davon zu distanzieren. Ich wünsche mir Verlässlichkeit von denen, die so ein Dokument unterschreiben. – Das ist der erste Teil meiner Antwort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der zweite Teil. Ja, es stimmt, es gibt diese Eckpunkte. Natürlich wird jetzt alle paar Jahre – 2023, 2025 usw. – überprüft: Ist das denn umsetzbar? Ist der Strom verfügbar? Wenn man immer neue Ziele und Beschleunigungspfade für den Ausbau der Erneuerbaren festlegt – das ist ja richtig –, dann muss man aber auch die Trassen bauen, dann brauchen wir eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Meistens ist es Ihre Fraktion, die als Erstes eine Bürgerinitiative gegen eine Trasse gründet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Die dritte Bemerkung. Um das ein für alle Mal hier klarzustellen: Sie haben eben die Frage aufgegriffen: Muss man wegen eines solchen Wetterereignisses seine Politik ändern? Diese Wettereignisse – –

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Datteln!)

– Ja, Datteln. Das ist jetzt gerade noch mal gerichtlich überprüft worden. Die ursprüngliche Baugenehmigung ist in der Regierungszeit von SPD und Grünen in Nordrhein-Westfalen erteilt worden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

So viel zu Datteln 4. Vielen Dank, dass Sie mich noch mal an Datteln erinnert haben!

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Lindner [FDP], an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Setzen, sechs!)

– Ja, es ist leider so. Das können Sie alles nachprüfen.

Aber jetzt kommt die Kernfrage, die Sie gerade angesprochen haben.

(Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] nimmt wieder Platz – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Stehen bleiben!)

– Es ist okay; ich rede jetzt mal weiter. – Die Frage, die Sie in Ihrer Rede gestellt haben, war: Muss man eigentlich wegen eines solchen Wetterereignisses die Politik ändern? Diese Wetterereignisse ereilen uns seit Jahren. Junge, aber auch ältere Leute engagieren sich schon länger bei Fridays for Future, sind auf den Straßen. Das Thema Klima hat Klaus Töpfer als Umweltminister bereits 1992 auf die Tagesordnung gehoben.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Klaus Töpfer ist übrigens auch für den Kohleausstieg!)

Zu dieser Zeit haben Sie sich nicht gegen Kohle engagiert. Das ganze Engagement der Grünen in dieser Zeit, fast 20 Jahre, richtete sich gegen die Kernkraft. Das war die falsche Reihenfolge. Mit Blick auf den Klimawandel hätten wir erst aus der Kohle und dann aus der Kernenergie aussteigen müssen. Das ist etwas, dem man sich stellen muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber was ich Ihnen wirklich vorwerfe und was mich ärgert, weil es unseriös ist – 2015 wurde das Pariser Klimaabkommen unterschrieben; jeder weiß, dass Klima ein wichtiges Thema ist –: Sie beschließen in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den Sozialdemokraten wenige Monate vor meinem Amtsantritt im Jahr 2016: Wir betreiben Braunkohletagebaue bis 2045. Wir werden den Hambacher Forst roden. – Wir waren es, die dann ausgestiegen sind. Sie haben sich am nächsten Tag, am Tag nach der Wahlniederlage, zu den Barrikaden der anderen Seite gestellt. Das hat mit seriöser Politik nichts zu tun! Überhaupt nichts!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jetzt komme ich zu einem zweiten Punkt, der wichtig ist: Wir müssen wieder zu wirtschaftlichem Wachstum zurückkommen. Das geht mit Entfesselung, mit weniger Bürokratie, mit beschleunigten Verfahren, mit Unterstützung für die Familienunternehmen, gerade im ländlichen Raum, die Steuererhöhungen zum jetzigen Zeitpunkt als Gift für Investitionen empfinden würden.

Aber wir müssen auch den Aufstieg durch Bildung unterstützen; Christian Lindner hat über diese Frage gesprochen. Die beste Sozialpolitik ist, Kindern aus Hartz IV herauszuhelfen, Aufstieg möglich zu machen, unabhängig von der Herkunft der Eltern. Deshalb ist der Beschluss des Vermittlungsausschusses vom gestrigen Tag, dass wir auch Ganztagsangebote für das sechste bis zehnte Lebensjahr jetzt als Rechtsanspruch festschreiben, ein so wichtiger. Wir brauchen ein anderes Verständnis von Sozialpolitik.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ich bin sehr gespannt!)

Kinder zu stärken, ist das Richtige und nicht staatliche Umverteilung.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Was heißt das? – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt das denn?)

Das ist ein fundamentaler Unterschied.

Wir haben in Nordrhein-Westfalen zusammen mit der FDP in schwierigsten Stadtteilen Talentschulen errichtet –

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Schulen mit besserer Ausstattung, besserer Bildung, besserem Lehrerschlüssel, –

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Vorletzter Platz: NRW!)

um Kindern, auch aus Einwandererfamilien, Aufstiegschancen durch Bildung zu ermöglichen. Wir müssen das Erlernen der deutschen Sprache schon im Kindergarten fördern, damit die Kinder jede Aufstiegschance in dieser Gesellschaft haben. Das gilt es übrigens auch anzuerkennen. Das ist der Unterschied zum rechten Teil des Hauses.

Ugur Sahin beispielsweise – er wird immer nur zitiert, wenn es gut läuft – kam hierher, als er vier Jahre alt war, hat kein Wort Deutsch gesprochen. Er hat eine gute Bildung genossen, ist als erstes Kind aus seiner Familie auf das Gymnasium gegangen, hat sein Abitur gemacht, ist seinen Bildungsweg gegangen und hat am Ende für die ganze Welt einen Impfstoff entwickelt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir brauchen mehr solcher Aufstiegsgeschichten. Ich sage auch dazu: Diese Vielfalt in unserer Gesellschaft muss sich auch in unseren Verwaltungen widerspiegeln,

(Zuruf von der AfD: Kompetenz!)

muss sich auch in einer Bundesregierung widerspiegeln. Es gibt nicht nur die talentierten Menschen, die Impfstoffe entwickeln; es gibt viele Tausende, die immer noch nicht die Chance haben, ihre Potenziale einzubringen. Auch dafür stehen wir, weil Leistung und Bildungsaufstieg unser Prinzip ist und nicht soziale Umverteilung, wie Sie es in Ihren Programmen fordern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Benjamin Strasser [FDP])

Das dritte Thema ist: Wie erreichen wir Klimaneutralität?

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Jetzt sind wir gespannt!)

Es ärgert mich, wenn man immer neue Daten in der Zukunft erfindet, was man alles 2045 und dann und dann machen will. Wir brauchen Zielpunkte; da liegen wir auch nicht auseinander. Aber das Kunststück ist doch, die Industrie so umzubauen, damit die Industriearbeitsplätze auch in zehn und zwanzig Jahren noch vorhanden sind, und dafür zu sorgen, dass es dann noch Stahlindustrie, noch Automobilindustrie bei uns gibt. Mich wundert es ja, dass es, obwohl sich die Automobilindustrie so umgestellt hat, wie wir das alle wünschen, ganz auf dem Weg zur Klimaneutralität ist, immer noch Gruppen gibt, die jetzt gegen die IAA in München demonstrieren, sie blockieren, sie stören wollen.

(Zuruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Ich will, dass es auch in zwanzig Jahren noch Automobilindustrie in Deutschland gibt! Das muss doch die Vorgabe sein!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Und ich bin froh, dass es diese Ausstellung gibt und dass wir in Deutschland die besten Autos bauen. Dann muss man aber auch die Grenzwerte so festlegen, dass man da mitkommt. Sie können in Brüssel Grenzwerte für die Stahlindustrie beschließen, aber dann ist klar: Dieses Stahlwerk ist dann weder in Salzgitter noch in Duisburg noch im Saarland zu betreiben. Denn wenn Kohle und Eisenerz verbunden werden, wird immer CO2 frei. Das ist ein Naturgesetz. Dass das nicht mehr gilt, können Sie auch nicht mit einer Änderung der Geschäftsordnung im Bundestag beschließen, auch nicht mit Zweidrittelmehrheit.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Ein Naturgesetz ist ein Naturgesetz.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Und wenn man will, dass diese Industrien in Zukunft noch hierbleiben, muss man ihnen den Weg dahin ebnen: mit einer Lösung für den Übergang, bis es möglich ist, grünen Stahl zu erzeugen, mit mehr Wasserstoff. Dazu braucht man aber Zeit.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen sind Sie gegen den Kommissionsvorschlag?)

Wenn sie morgen nach Indien, nach China abwandern, muss der Stahl Zehntausende Kilometer über die Weltmeere transportiert werden, mit hoher CO2-Belastung. Und unsere Klimabilanz ist ganz toll, weil die Stahlproduktion – 6 Prozent – nicht mehr da ist.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Wir könnten uns brüsten, dass wir eine tolle Klimabilanz haben; aber die Industriearbeitsplätze sind weg.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb sind Sie gegen den EU-Kommissionsvorschlag?)

Es wundert mich, dass auch die SPD so wenig über dieses Thema spricht.

(Claudia Moll [SPD]: Das stimmt nicht! – Ulli Nissen [SPD]: Unfug!)

Diese Energiewende muss sozialverträglich gelingen. Wir brauchen diese Industriearbeitsplätze, und deshalb brauchen wir einen Prozess hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft: in der Chemie, bei der Automobilindustrie, beim Stahl und in vielen anderen Bereichen mehr.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn dafür?)

Das gelingt aber nur durch Forschung, durch Innovation. Das gelingt nicht, wenn Sie immer neue Auflagen für die Industrie machen; denn die sind auf dem Wege und wollen es leisten. Ich könnte Ihnen jetzt zehn Beispiele nennen, wo das schon sehr konkret passiert.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Es reicht ein Beispiel!)

Das ist aber nicht mit Verboten zu erreichen.

Ich glaube, dass es im Kern darum geht, wie man es macht. Und dazu braucht man Wirtschaftskompetenz, Kenntnisse, wie ein Unternehmen funktioniert, wie Strukturwandel geht. Strukturwandel geht nicht mit Sprüchen, sondern Strukturwandel geht nur mit der Kenntnis von Prozessen, mit Innovation, mit Investitionen in Batterietechnik, in Grünen Wasserstoff, in klimaneutrale Werkstoffe und, und, und. Und dazu habe ich heute von den freundlichen Wettbewerbern keine Antworten gehört.

(Ulli Nissen [SPD]: Von Ihnen auch nicht!)

So wird Deutschland jedenfalls nicht Industrieland bleiben, wenn man mit den Konzepten agiert, die Rot-Grün heute hier vorgetragen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben heute auch wenig über Digitalisierung gehört. Das ist die große Aufgabe, die jetzt vor uns liegt:

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: „Frau Bär“ heißt die Frau!)

die Verwaltung so umzubauen, dass sie bürgerfreundlicher wird, dass das Digitale genutzt wird, um Prozesse zu erleichtern.

Und das Dritte, wozu wir überhaupt nichts gehört haben, ist die Frage der Sicherheit in diesem Land. Wenn wir für sozialen Zusammenhalt einstehen wollen, aber merken, dass die Gesellschaft von allen Seiten aggressiver wird – das ist jetzt auch wieder in der Coronapandemie zu spüren –, dann heißt das doch, dass wir diesen Menschen zuhören müssen,

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie eigentlich mal, was Sie wollen, oder nur, was andere nicht wollen?)

dass wir ernst nehmen müssen, was sie vortragen, und dass wir darüber nicht so leichtfertig hinweggehen dürfen. Und in der Tat: Man darf es nicht auch noch befeuern.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal, was Sie wollen!)

Die Millionen Menschen, die sich haben testen und sich danach haben impfen lassen, sind keine Versuchskaninchen. Bitte mäßigen Sie sich in Ihrer Sprache, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie über diese Dinge reden!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg. Yasmin Fahimi [SPD])

Wir haben diese Querdenker überall erlebt. Und ich sage Ihnen und Ihrer Partei noch etwas: Wenn ein Querdenker auf die Bühne springt und herumkrakeelt, dann ist es, selbst wenn man diesen Menschen nicht kennt, nicht richtig, ihn gleich von Sicherheitskräften wegbringen zu lassen. Das befeuert doch die Legende dieser Leute, die hier sitzen und die unser Land aufhetzen in diesen Fragen. Deshalb: Zuhören, ernst nehmen, was andere vortragen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der AfD)

Und deshalb ist Sicherheit ein ganz wichtiges Thema. Die innere Sicherheit garantiert – –

(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Sie wollten doch gerade über Sicherheit sprechen: Und dann darf jemand einfach so auf die Bühne springen?)

– Nein, Frau Hendricks, es darf niemand einfach auf die Bühne springen. Aber die Frage ist, ob es nicht die bessere Antwort ist, den dann zu beruhigen und ihm eine Antwort zu geben, als ihn mit Sicherheitskräften von der Bühne zu beseitigen; das ist die Kernfrage.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber Sicherheit ist mehr.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Dann können die bei Ihnen ja mal vorbeikommen auf der Bühne! – Gegenruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Was soll denn das jetzt heißen? Ist das eine Drohung? Oder was ist denn das jetzt? Das ist ja unglaublich hier!)

Sicherheit ist auch der Kampf gegen Rechtsextremismus. Das ist die größte Bedrohung in diesem Land.

(Jan Korte [DIE LINKE]: NSU!)

– Ich weiß nicht, ob Sie das bestreiten, Herr Korte. Aber der Rechtsterrorismus ist die größte Gefahr in diesem Land, weil er Anschläge auf Menschen verübt.

(Dr. Joe Weingarten [SPD]: Deswegen haben Sie Herrn Maaßen auf der Liste!)

NSU – das war ein Staatsversagen ohne jeden Zweifel.

(Dr. Joe Weingarten [SPD]: Was ist mit Herrn Maaßen?)

Hier brauchen wir klare Regeln.

Gleichzeitig haben wir inzwischen auch einen fundamentalistischen Terrorismus,

(Dr. Joe Weingarten [SPD]: Was ist mit Herrn Maaßen?)

wir haben Clankriminalität, die die Menschen verunsichert. Deshalb muss man das anpacken. Dazu braucht man eine Haltung, eine klare Haltung.

(Dr. Joe Weingarten [SPD]: Maaßen!)

Wir haben das in Nordrhein-Westfalen erlebt.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sie stellen doch den Innenminister!)

Anis Amri war ein bekannter Fall: 13 Identitäten, reiste quer durch das Land. Jeder wusste, wer er ist. Er war ständig beobachtet. Und man hat uns dann erklärt: Ja, aber festnehmen kann man den nicht; der ist ja nur ein Gefährder; der hat ja noch nichts gemacht. – So war die Begründung. Man hat auch gesagt: Man kann einen Gefährder nicht abschieben; denn es gibt ja keinen Straftatbestand, den er begangen hat.

(Marc Bernhard [AfD]: Sie stellen doch die Regierung! Sie regieren doch! So ein Quatsch! Sie verantworten es doch!)

Da hat sich etwas geändert. Jetzt gibt es die Grundhaltung: Es ist möglich, dass jemand, der Gefährder ist, der deutlich macht, er will auch töten und ist bereit zur Gewalt, festgenommen und des Landes verwiesen werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

Wir sind ein liberales, ein weltoffenes Land, aber wir haben ein Prinzip: Nulltoleranz. Inzwischen sind in Nordrhein-Westfalen seit 2017 auf Grundlage eines Paragrafen, von dem Sie gesagt haben, das ginge gar nicht, 35 Gefährder des Landes verwiesen worden. Wir wollen konsequent sein, damit Sicherheit in diesem Land gelingt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das ist eine Frage, die man jetzt, gerade nach Afghanistan, auch international beantworten muss.

In Frankreich beginnt morgen der wichtige Prozess gegen die mutmaßlichen Attentäter von Paris. Die Anschläge damals haben Frankreich ins Herz getroffen. Ich bin morgen beim französischen Präsidenten; das ist freundlicherweise schon erwähnt worden. An dem Thema können Sie jetzt wieder sehen, dass wir mehr Europa brauchen in der Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung. Die Attentäter kamen durch Deutschland, lebten in Brüssel, fuhren nach Paris

(Beatrix von Storch [AfD]: Und reisten frei durch ganz Europa, genau!)

und haben die Anschläge begangen. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier europäisch zusammenarbeiten, dass wir Frankreich, das besonders von Terroranschlägen betroffen war, signalisieren: Wir gehen diesen Weg zusammen. Wir werden gemeinsam in Europa für mehr Sicherheit sorgen. Das ist das Versprechen,

(Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])

damit Terrorismus nicht wieder so wüten kann wie im Jahre 2015.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Zweite. Außenpolitisch hat dieser Bundestag den Afghanistan-Einsatz nach dem 11. September 2001, der sich in wenigen Tagen jährt, nicht mit dem Argument beschlossen, die Taliban zu beseitigen, sondern diesen rechtsfreien Raum, der da entstanden war und der Ursache für weltweiten Terrorismus war – Osama Bin Laden und al-Qaida haben von Afghanistan aus den Anschlag in New York geplant –, zu verhindern. Das war das Ziel. Das ist gelungen.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das ist doch überhaupt nicht erwiesen!)

Dieser Teil ist gelungen. Wir haben Hoffnungen gehabt, dass sich am Ende mehr in Afghanistan verändert. Das ist am Ende leider nicht gelungen. Aber die Lehre muss sein, dass wir, die internationale Gemeinschaft und Europa, jetzt alles dafür tun, dass nicht erneut unter den Taliban ein neuer rechtsfreier Raum entsteht, der uns hier in unserer Sicherheit bedroht; das ist der eine Teil.

Und: Wir müssen nach diesem für das westliche Bündnis wahrscheinlich größten Desaster seit seiner Gründung einfach erkennen: Wo müssen wir besser werden? Sind wir Europäer wirklich auf alle Ewigkeit nicht in der Lage, allein einen Flughafen zu sichern? Wir sollten uns das Ziel setzen: Ja, wir müssen auch mal handeln können, wenn die Amerikaner nicht handeln. Das war einmal der Beginn der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik 1999 nach den Kriegen auf dem Balkan. Damals haben wir Krieg in Europa, Völkermord, Massenvergewaltigungen gesehen. Gestoppt wurde das erst durch einen NATO-Einsatz, weil Europa dazu nicht allein in der Lage war. Danach hat man begonnen, eine Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu entwickeln, die in Fragmenten weitergekommen ist, aber 20 Jahre später noch nicht so stark ist, dass wir heute auch allein handeln könnten. Dies muss das Ziel sein: zu mehr Europa, zu mehr Handlungsfähigkeit zu kommen.

Das bedeutet aber auch, dass, wenn man sich verabredet, gemeinsame Projekte, auch gemeinsame Projekte zum Schutz unserer Soldaten, zu machen, das dann auch in Deutschland durchgehalten wird, dass wir dann auch sagen: Ja, wir sind bereit, 2 Prozent für Sicherheit auszugeben.

(Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])

Und das werfe ich SPD und Grünen vor. Beim ersten Teil, den europäischen Bekenntnissen, sind Sie dabei. Aber wenn es dann um die Umsetzung geht, wenn es um das gemeinsame Rüstungsprojekt geht, wenn es um die bewaffnete Drohne geht, dann liegt die Vorlage seit Monaten beim Finanzminister, weil er sich nicht gegen seine eigene Partei durchsetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist das!)

Das ist das Problem, das wir haben. Deshalb muss man eine Haltung haben. Man muss sich Ziele setzen und dann auch für Mehrheiten dafür sorgen.

Ich will zum Schluss kommen. Wir haben eben Herrn Bartsch hier gehört.

(Zuruf des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])

Das, was Herr Bartsch hier vorgetragen hat, hörte sich ja an wie eine Bewerbungsrede.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Erfolgreich!)

– Ja, ob Sie erfolgreich sind, werden wir sehen. Wir tun alles, dass das nicht passiert, dass es kein rot-rot-grünes Bündnis gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Nicht so! – Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, bei Ihnen läuft es ja auch gut!)

Aber Sie haben das hier so charmant vorgetragen. Um mit Ihrer Sprache zu sprechen, müssten die Leute jetzt draußen sagen: Völker, hört die Signale!

(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)

Also, wir wissen, was da geplant ist. Wir wissen, dass Begegnungen, auch hier in diesem Hause, schon vor den Sommerferien stattgefunden haben.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Eijeijei! Potzblitz!)

Deshalb haben die Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf

(Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Sie haben Ihr Bekenntnis und Ihren Minnegesang abgegeben –,

(Jan Korte [DIE LINKE]: Sie haben jetzt eine Verschwörungstheorie!)

dass derjenige, der Bundeskanzler werden will, hier klipp und klar sagt, ob er mit einer Partei, die die NATO auflösen will, den Verfassungsschutz auflösen will, die Bundeswehr abrüsten will, statt sie zu stärken,

(Zurufe von der LINKEN)

das Kommando Spezialkräfte auflösen will, die bei jedem europäischen Einigungsvertrag – Maastricht, Amsterdam, Nizza, Lissabon – immer Nein gesagt hat, ob Sie, Herr Scholz, wirklich wollen, dass diese Leute in eine potenzielle Bundesregierung berufen werden. Es ist nicht so schwer, Nein zu sagen.

Ich sage Ihnen: Wir werden mit Ihnen nicht koalieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jan Korte [DIE LINKE]: Wir mit Ihnen auch nicht! – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Da bin ich sehr erleichtert!)

Ich sage der AfD: Mit Ihnen kooperieren wir nicht,

(Yasmin Fahimi [SPD]: Und Herr Maaßen? Was macht der bei Ihnen? Und Herr Maaßen?)

verhandeln wir nicht und werden wir nie koalieren. Wir tun alles, dass Sie nicht mehr in deutschen Parlamenten vertreten sind. Das ist unser Kampf gegen Ihre Haltung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Haha! Sie tun alles, dass wir dabei sind!)

Diese Klarheit von Demokraten gegen bestimmte Positionen wünsche ich mir.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die erwarte ich von Ihnen gegenüber Herrn Maaßen! Zeigen Sie mal die Klarheit! Und gegenüber Herrn Jansa!)

Helmut Schmidt übrigens, auf den Sie sich neuerdings genauso gern berufen wie auf Angela Merkel – Gerhard Schröder höre ich nicht so laut bei Ihren Berufungen; Helmut Schmidt und Angela Merkel sind jetzt die Benchmarks –, hat immer und hätte auch jetzt in dieser Frage klar gegen Links- und Rechtsextreme gestanden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bettina Stark-Watzinger [FDP])

Deshalb wünsche ich mir, dass diese Klarheit kommt.

(Zuruf der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist die Frage, um die es bei der Bundestagswahl geht.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Ihnen fällt aber auch gar nichts mehr ein!)

Wir werden alles tun, dass es nicht zu einem rot-rot-grünen Bündnis in Deutschland kommt. Das können wir Ihnen versprechen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP – Die Abgeordneten der CDU/CSU erheben sich)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7531970
Wahlperiode 19
Sitzung 239
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland
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