Alexander DobrindtCDU/CSU - Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, es ist die letzte Sitzung des Deutschen Bundestags vor der Wahl. Lassen Sie mich deswegen zu Beginn meiner Rede noch ein paar Sätze sagen: Es ist eine Epoche, die zu Ende geht. Sie haben vor 16 Jahren von Rot-Grün ein Land mit Rekordarbeitslosigkeit,
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)
Rekordverschuldung, mit einem Negativrekord beim Wachstum übernommen. Wir leben heute in einem Land mit 45 Millionen Erwerbstätigen, mit 2,5 Millionen Arbeitslosen weniger, mit Chancen für junge Menschen bei Ausbildung und Beschäftigung. Das war eine gute Richtungsentscheidung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich habe mit Ihnen in den letzten Jahren in verschiedenen Funktionen zusammengearbeitet, gern zusammengearbeitet. Das verlief nicht immer konfliktfrei. Aber ich darf an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Es war immer geprägt von meinem höchsten Respekt gegenüber Ihnen persönlich, Ihrer Haltung, Ihrem Amtsverständnis und Ihrem Dienst für unser Land. Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela, danke, Glück auf und Gottes Segen!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dass in Deutschland eine Richtungsentscheidung ansteht, hätte eigentlich nicht deutlicher werden können als durch die Rede von Herrn Korte.
(Zurufe von der SPD)
Sehr geehrter Herr Korte, das war doch keine Rede zur Lage und Situation in Deutschland, das war eine reine Bewerbungsrede für Rot-Rot-Grün; nichts anderes steckt dahinter.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Unglaublich, dass Sie jetzt auf eine Antwort warten und Olaf Scholz diese noch nicht gegeben hat.
(Christian Dürr [FDP]: Aber wir würden ihm noch Redezeit geben!)
Wir alle warten darauf, ob sie heute noch kommt.
(Zuruf der Abg. Saskia Esken [SPD])
Herr Kollege Dobrindt, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lötzsch?
Noch eine Bewerbungsrede?
(Zuruf von der LINKEN: Nicht bei Ihnen! – Jan Korte [DIE LINKE]: Abwarten!)
Die Frage war zunächst, ob Sie die Frage oder die Zwischenbemerkung erlauben.
Wenn das eine Frage an mich und nicht an Olaf Scholz ist, gerne.
Ja. – Herr Präsident, unsere Geschäftsordnung sieht ja auch Zwischenbemerkungen vor. In meinem Fall ist es eher eine Danksagung. Der Kollege Dobrindt hat ja ein Video produziert, in dem er meint, vor Rot-Rot-Grün warnen zu müssen. Mich lässt er dort auch auftreten, und zwar direkt nach Arnold Schwarzenegger,
(Beifall der Abg. Katja Mast [SPD] – Heiterkeit des Abg. Ralph Brinkhaus [CDU/CSU])
und zwar mit den Worten: Schwarze Null als Fetisch. – Nun gingen Sie augenscheinlich davon aus, dass die Bürgerinnen und Bürger entsetzt sind. Ich kann Ihnen aber sagen: Ich habe viel Fanpost bekommen. Erstens: Schwarze Null als Fetisch. Das ist richtig; die Bürger haben mir zugestimmt. Zweitens haben sie gesagt: Endlich mal eine Frau mit einer ordentlichen roten Lederjacke. Und drittens haben sie gefragt: Kann man die Linke auch in Bayern wählen? Das kann ich bestätigen.
Ich bedanke mich für diese Werbung für meine Partei und mich und verzichte ausdrücklich auf ein Honorar.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Herr Kollege Dobrindt, Sie können ohne Anrechnung auf die Redezeit darauf antworten.
Liebe Kollegin, vielen Dank auch für diesen Werbeblock. Das Video „Richtungsentscheidung“ kann man sehen auf www.csu.de. Herzlichen Dank dafür!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber es geht ja um mehr als diese eine Richtungsentscheidung, die Sie angesprochen haben – nämlich die Frage, ob wir die Neuverschuldung ins Unendliche treiben oder ob wir zur schwarzen Null stehen –; es geht auch darum, ob Familien weiter entlastet werden oder ob sie belastet werden. SPD, Grüne und Linke wollen das Ehegattensplitting abschaffen.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Falsch! – Gabriele Katzmarek [SPD]: Angst ist ein schlechter Berater! – Zuruf von der LINKEN: Erzählen Sie hier keine Märchen! Sie haben das Steuerkonzept nicht verstanden!)
Wer das Ehegattensplitting abschafft, der macht doch nichts anderes, als dass er für Millionen von Familien die Steuern erhöht; das ist das Ergebnis dieser Entscheidung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Christian Dürr [FDP] – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Mein Gott, lies zu Ende, bevor du die Überschrift zitierst!)
Ja, Frau Giffey hat vor Kurzem dazu gesagt: Das trifft ja nur Alleinverdienerfamilien.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wer schreibt denn so was auf?)
Erstens ist das falsch, und zweitens sage ich Ihnen: Was für Sie „nur“ ist, das ist für uns die Mitte der Gesellschaft; um die geht es da.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ihr Parteivorsitzender übrigens, Norbert Walter-Borjans, sagt dazu, dass die Abschaffung des Ehegattensplittings ja „nur“ die Reichen trifft. Ich sage Ihnen: 80 Prozent der Familien, die vom Ehegattensplitting profitieren, haben ein Familieneinkommen von unter 60 000 Euro im Jahr. Und das sind für Sie die Reichen? Für mich ist das die Mitte der Gesellschaft, und die gehört entlastet und nicht belastet, meine Damen und Herren!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Übrigens: Auf die Frage einer jungen Familie mit drei Kindern und zwei Einkommen, wie dieser Familie mehr von ihrem Einkommen übrig bleiben kann, hat Frau Giffey letzte Woche eine Gegenfrage gestellt, nämlich ob denn schon Sozialleistungen beantragt worden seien. – Ist das ernsthaft Ihre Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit: Steuervorteile wegnehmen und dafür Sozialleistungen anbieten?
(Beifall der Abg. Daniela Ludwig [CDU/CSU])
Ich sage Ihnen: Wir wollen etwas anderes. Das Ehegattensplitting erhalten, den Kindervorteil ausweiten und Alleinerziehende um 5 000 Euro pro Jahr entlasten; das ist unser Modell.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Saskia Esken [SPD])
Und wir wollen Deutschland fit machen für die Zukunft. Herr Bundesfinanzminister, zu einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft gehören auch wettbewerbsfähige Unternehmensteuern. Entlastungen für Unternehmen sind für Sie, Herr Bundesfinanzminister – wörtliches Zitat – „ein absurder Einfall“. Stattdessen wollen Sie die Erbschaftsteuer erhöhen, eine Vermögensteuer einführen. Da gibt es in der Regel sehr viel Applaus von der ganz linken Seite. Aber ich will Ihnen auch deutlich sagen: Mit diesen Ideen werden Sie nicht das Vermögen besteuern; Sie werden im Mittelstand, bei Familienbetrieben, bei der Landwirtschaft die Substanz besteuern. Das zerstört Investitionen und Innovationen, und das führt am Schluss nicht zu mehr Beschäftigung, sondern zu Arbeitslosigkeit. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Sie haben heute wieder von Respekt gesprochen. Dieser Respekt gilt offensichtlich nicht dem deutschen Mittelstand. Sie haben hier vorhin pauschal unterstellt, dass diese Unternehmen riesige Gewinne machen. Sehr geehrter Finanzminister, es wäre besser gewesen, Sie hätten hier erwähnt, wie viele Unternehmen – auch Familienunternehmen – in den letzten Monaten auf ihre Rücklagen und Ersparnisse zurückgreifen mussten und dass sie nicht riesige Gewinne gemacht haben, sondern große Risiken eingehen mussten, eigenes Kapital in die Hand genommen haben, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu schützen. Und diese brauchen Entlastungen und keine Belastungen von Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir müssen eine Diskussion über die Souveränität führen – Souveränität von Deutschland und Europa. Wir haben in der Pandemie doch mehr als deutlich festgestellt, dass die Globalisierung Fehler hat. Die Globalisierung hat ihre Fehler gezeigt, als Masken und Schutzausrüstung gefehlt haben, als Medikamente knapp geworden sind. Jetzt gerade sehen wir, dass in Deutschland Automobilbänder stillstehen, weil Computerchips nicht ausreichend zur Verfügung stehen.
Deswegen brauchen wir auch in Deutschland und Europa eine Souveränitätsoffensive. Produkte auch wieder in Deutschland und Europa herstellen – das ist keine Absage an einen freien Welthandel. Im Gegenteil: Das ist das Bekenntnis zu einem freien Welthandel, aber auf Augenhöhe. Wir brauchen deswegen die Bereitschaft, uns nicht dauerhaft einseitig von einer einzigen Region in der Welt abhängig zu machen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Die Linke könnte auch klatschen! – Gegenruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Zu viel verlangt!)
Hier wurde mehrfach darüber gesprochen, dass Deutschland ein Industrieland bleiben soll. Ich will das auch. Ich will aber auch, dass Deutschland ein Automobilland bleibt.
Wir erleben gerade den Start der IAA, der Internationalen Automobil-Ausstellung, und wir erleben gerade auch, wie die Aggression gegen das Automobil und gegen diese internationale Ausstellung auf den Straßen entbrennt. Wir erleben gerade, wie sogenannte Aktivisten Autobahnen blockieren, sich von Autobahnbrücken abseilen und sich und Verkehrsteilnehmer in Gefahr bringen. Es wäre schön, wenn die Grünen an dieser Stelle doch mal deutlich sagen würden, ob diese Aktivisten in Deutschland, die jetzt wieder Gefahr auf unsere Straßen bringen, die gegen das Automobil sind, Ihre Unterstützung haben oder ob Sie sich endlich von so einem Vorgehen distanzieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir stehen zum Automobilstandort Deutschland. Dazu gehört auch, dass wir Spitzentechnologien nicht einfach aufgeben. Die Automobilindustrie ist im Wandel. Das ist der Weg auch hin zur Elektromobilität, aber es hängen auch viele, viele Arbeitsplätze vom Verbrennungsmotor ab. Der Verbrennungsmotor ist deutsche Hochtechnologie, und ich will nicht, dass wir Hochtechnologie in Deutschland einfach aufgeben. Die Batterieelektrik ist ein Weg, aber das ist nicht der einzige Weg; wir brauchen auch die synthetischen Kraftstoffe. Ich will, dass der Verbrennungsmotor CO2-frei weiterbetrieben wird und Arbeitsplätze und Hightech in Deutschland sichert.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Übrigens gilt das Gleiche auch für die Luftfahrtindustrie. In einer schwierigen Situation braucht auch genau diese Industrie Zukunftsperspektiven.
Die Grünen sagen jetzt, sie wollen die Kurzstrecken überflüssig machen. Aber was Sie damit tun, ist, dass Sie die Mobilität in Europa einschränken werden.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! Sie haben das doch verhindert!)
Europa ist aber nicht nur ein Freiheitsversprechen; Europa ist auch ein Mobilitätsversprechen.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann machen Sie mal was dafür!)
Die Menschen wollen in Europa zusammenkommen, und Europa wird zusammengeführt, weil die Menschen zusammenkommen. Dafür braucht es die schnelle Mobilität, und wenn Sie diese schnelle Mobilität unterbinden, dann unterbinden Sie das Zusammenwachsen Europas. Das ist kein proeuropäischer Akt; das ist ein Akt gegen Europa. Wer die Innovationen beim Fliegen nicht durchsetzen, sondern das Fliegen abschaffen will, der begeht einen antieuropäischen Akt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Klima spielt in dieser ganzen Diskussion eine große Rolle. Ich bin dafür, dass wir beim Klimaschutz Ambition und Akzeptanz verbinden: Genau darum geht es bei uns. Beides muss möglich sein, wenn wir über Klimaschutz reden. Man rettet das Klima nicht, wenn man das gesellschaftliche Klima vergiftet.
Deutschland muss Vorreiter beim Klimaschutz sein. Deswegen haben wir in dieser Wahlperiode auch die CO2-Bepreisung für Mobilität und für Wärme beschlossen. Aber gleichzeitig haben wir beschlossen: Wenn der CO2-Preis steigt, dann sinkt der Strompreis. Wenn der CO2-Preis steigt, dann steigt die Pendlerpauschale. Wenn der CO2-Preis steigt, dann wird die Umrüstung der Ölheizung auf Erneuerbare billiger. Das nennt man Umsteuern.
(Peter Boehringer [AfD]: Das nennt man Planwirtschaft!)
Das ist unser Weg an der Stelle – immer mit Entlastungen gepaart.
Sehr geehrte Frau Baerbock, ich habe Ihnen zugehört. Wenn Sie über das Energiegeld reden, dann reden Sie von etwas grundlegend anderem. Sie machen nichts anderes als das: Der CO2-Preis geht an der Zapfsäule rauf. Dann geben Sie einen 75-Euro-Gutschein an die Menschen, den man an der Tankstelle wieder einlösen kann. Das ist doch kein Umsteuern; das ist ein Sich-im-Kreis-Drehen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es einfach nicht verstanden! Dann brauchen Sie gar keine Steuern zu erheben!)
– Ja, doch. Aber Sie können es ja gerne mal konkretisieren, wenn Ihnen jetzt aufgeht, dass das Ganze, was Sie an dieser Stelle erzählen, keinen Sinn macht.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das zeigt, dass Sie es nicht verstanden haben!)
Es sei Ihnen aber gerne zugestanden: Sie sind die ökologische Linke in diesem Haus, alles okay. Uns geht es um Ambitionen und Anreize gleichermaßen, und deswegen sind wir die ökologische Mitte in diesem Haus.
(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben aber auch nur Sie alleine!)
Herr Scholz, noch eine abschließende Frage an der Stelle: Wären Sie eigentlich bereit, Ihren Satz zu wiederholen, den Sie vor einiger Zeit hier bezüglich des EU-Coronawiederaufbaufonds gesagt haben, dass er nämlich der notwendige Einstieg in eine dauerhafte Fiskalunion ist?
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wenn man eine Währung hat, ja! Dann braucht man die!)
Das wäre interessant zu wissen, weil diese Fiskalunion, Herr Scholz, nichts anderes als die Schuldenvergemeinschaftung, die Haftungsunion, die Schuldenunion in Europa ist.
(Beatrix von Storch [AfD]: Der haben Sie zugestimmt! – Peter Boehringer [AfD]: Der stimmten Sie bekanntlich zu! Heuchelei!)
Ich will Ihnen an dieser Stelle erklären: Es gibt einen Unterschied, ob man in einer krisenhaften Situation seinen engsten Nachbarn in Europa unterstützt
(Peter Boehringer [AfD]: Bis 2060!)
oder ob man für eine dauerhafte Schuldenvergemeinschaftung ist. Wir lehnen die Schuldenunion in Europa ab.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU – Peter Boehringer [AfD]: Lächerlich! – Stefan Keuter [AfD]: Unglaublich!)
Vielen Dank, Herr Kollege Dobrindt. – Die nächste Rednerin ist für die Fraktion der SPD die Kollegin Katja Mast.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7531974 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 239 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland |