Julia KlöcknerCDU/CSU - Wirtschaft und Klimaschutz
Guten Morgen zusammen! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister, für Ihr neues Amt wünsche ich Ihnen viel Elan, gute Entscheidungen und den Blick für das große Ganze, aber auch für das Kleine, das Konkrete, das Alltagspraktische, was heute in Ihrer Rede doch etwas zu kurz gekommen ist. Wir als Opposition bieten Ihnen eine konstruktive, eine kritische Begleitung an. Wir werden das unterstützen, was wir für vernünftig halten, aber eigene Vorschläge machen, wo wir Besseres erwarten.
Herr Wirtschaftsminister, Sie möchten den Turbo anwerfen – für den Klimaschutz. Und für die Wirtschaft? Die vielen Familienunternehmen, auch die Industriebetriebe mit ihren zahlreichen Arbeitsplätzen erwarten von einem Wirtschaftsminister einen Fürsprecher. Sie erwarten von einem Wirtschaftsminister einen Anwalt, der ihre Themen nach vorne bringt. Es ist aber schon bemerkenswert, dass einem Wirtschaftsminister Unternehmertum, Eigenverantwortung und Wettbewerb eher lästig sind; denn in Ihrer Rede war davon überhaupt kein Wort zu hören.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen es sich aber ein bisschen einfach!)
Deshalb, sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister: Wo „Wirtschaftsminister“ draufsteht, muss auch Wirtschaftsminister drin sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn Sie dann doch über Wirtschaft sprechen, dann kündigen Sie an, Ihr Ministerium transformiere die Wirtschaft. Ich möchte klarstellen: Nicht Sie transformieren die Wirtschaft. Macher der Transformation sind die, über die Sie leider viel zu wenig gesprochen haben, nämlich die Unternehmer, die Erfinder, die Gründer.
(Timon Gremmels [SPD]: Die Beschäftigten!)
Deshalb: Grüne Planwirtschaft wird nicht funktionieren.
(Widerspruch bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Eijeijei!)
In diesen Monaten Unternehmer oder Unternehmerin zu sein, ist ja nicht immer ein Vergnügen. Selbstständige lösen ihre Altersvorsorge auf und stecken das Geld in Betriebe und Arbeitsplätze, um diese zu retten. An dieser Stelle möchte ich all denen danken, die in dieser schwierigen Zeit durchhalten. Das ist Unternehmertum. Mit Unterlassen kommt unser Land nicht voran.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und wer glaubte, mit der Coronapandemie schon genug zu schultern, der kämpft nun auch mit steigenden Energie- und Lohnnebenkosten und mit Lieferengpässen. – Es ist schon hoch interessant, dass den Grünen an der Stelle, wo es darum geht, dass Selbstständige ihre Altersvorsorge, die für uns Abgeordnete gut geregelt ist, auflösen, um Arbeitsplätze zu retten, nichts anderes einfällt, als zu lachen.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, über Peter Altmaier! Das ist das Problem!)
Das zeigt viel; das zeigt, dass Wirtschaft für Sie hier überhaupt keine Rolle spielt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Energie- und Lohnnebenkosten steigen; es gibt Lieferengpässe, Preisexplosionen, Fachkräftemangel. Oder schauen wir auf die Schlüsselindustrie mit Hunderttausenden von Arbeitsplätzen: Wurden vor Corona in Deutschland noch 5 Millionen Autos gebaut, sind es jetzt 3 Millionen. Einen Bundeswirtschaftsminister muss das umtreiben; das darf ihm keine Ruhe lassen. Deshalb erwarten wir von Ihnen, Herr Habeck, einen Turbo für Klimaschutz – ja –, aber bitte auch für die Wirtschaftspolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber statt Turbo sind Sie gestern im Kabinett erst mal auf die Bremse getreten. Was haben Sie gemacht? Stichwort „Bürokratieentlastung“: Der Normenkontrollrat wurde aus dem Kanzleramt verbannt; früher war das Chefsache; jetzt läuft das unter „ferner liefen“.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben diesen aktuellen Herausforderungen werden uns langfristig auch strukturelle Herausforderungen beschäftigen; die Themen Klimaschutz, Energie und Emissionshandel wird nachher mein Kollege Andreas Jung ansprechen. Ich bin mir sicher: Ohne eine Weiterentwicklung unserer sozialen Marktwirtschaft zu einer digitalen, nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft wird es nicht gehen. Wirtschaft, Staat und Gesellschaft benötigen hierfür einen Digitalisierungsbooster. Noch mehr Regulierung wäre hier Gift. Wir brauchen Entfesselung, Freiraum für Innovation. Deshalb, sehr geehrter Herr Habeck: Wir brauchen Experimentierräume für Leuchtturmprojekte.
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wo waren die denn in den letzten Jahren?)
Die neue Bundesregierung ist ja angetreten, um die Digitalkompetenzen zu bündeln. Sie wollten ein Zeichen setzen. Sie setzen ein Zeichen, Herr Habeck, ja, aber das falsche; denn Sie geben Digitalisierungskompetenzen aus Ihrem Haus ab und behalten die Fördertöpfe. Von Bündelung ist da wenig zu spüren.
Als Union haben wir bereits wichtige Maßnahmen angestoßen: das Onlinezugangsgesetz, das Basisregister, das Unternehmerkonto. Deshalb sage ich: Umsetzen ohne zu zögern, das hilft der Wirtschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber was machen Sie? Sie entlassen erst einmal viel wirtschaftspolitischen Sachverstand aus Ihrem Ministerium. Fünf oder sechs Abteilungsleiter mussten gehen. Statt Wirtschaftsexpertise setzen Sie auf NGO-Ideologie. Sie haben einen Staatssekretär, der Mitbegründer von Attac ist; das ist durchaus bemerkenswert. Auf deren Homepage steht: Ziel muss sein, die Produktion von nicht benötigten Gütern auszusetzen. – Und wer bestimmt, was benötigt wird? Sie im Ministerium?
Ihre größte wirtschaftspolitische Schlagzeile war bisher, das Ende des Wachstums einzuleiten.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fake News! – Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP])
Das gilt nicht für den Zuwachs Ihrer Mitarbeiterstellen im Ministerium; das haben wir gemerkt. Ein nachhaltiges, umsichtiges Wirtschaftswachstum ist Innovations- und Wohlstandstreiber und Voraussetzung für Transformation. In meinem Wahlkreis zum Beispiel, in Idar-Oberstein, einer eher strukturschwachen Region, baut BioNTech Hunderte von Arbeitsplätzen auf, weil dieses Unternehmen wächst. Und das ist auch gut so.
(Christian Dürr [FDP]: Unter einer Ampelkoalition, wenn ich das richtig sehe! Guter Punkt! – Tino Chrupalla [AfD]: BioNTech ist nun nicht gerade das beste Beispiel!)
Sehr geehrter Herr Habeck, machen Sie Wirtschaftspolitik zur Chefsache, und bringen Sie der Wirtschaft mehr Wertschätzung entgegen. Die Coronakrise geht tief in das Wirtschaften großer Teile unserer Unternehmen hinein. Wir brauchen ein Sofortprogramm für unseren Standort und für die Wirtschaft. Im Koalitionsvertrag der Ampel finden sich durchaus Ansatzpunkte dazu.
Wir gehen noch weiter – neun Punkte –: Wir brauchen bessere Abschreibungsmöglichkeiten. Die steuerlichen Verlustverrechnungen müssen ausgeweitet werden.
(Christian Dürr [FDP]: Genau! Sie fordern, was Sie selbst nicht gemacht haben!)
Wir brauchen eine Verkürzung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, aber nicht nur bei Energieanlagen, und die Absenkung des Strompreises in 2023; die Abschaffung der EEG-Umlage kommt viel zu spät.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir benötigen eine Verlängerung der Sozialgarantie über 2021 hinaus, die Stärkung zum Beispiel des Eigenkapitals von Personenunternehmen oder, siebtens, die Flexibilisierung der Arbeitszeit; wir wollen keine Tageshöchstzeit, wir wollen eine wöchentliche Höchstzeit.
(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Wer hat denn regiert in den letzten Jahren im Wirtschaftsministerium?)
Weiter wollen wir eine Ratifizierung von CETA oder auch die Anpassung der Coronahilfen.
Was uns aber am meisten erschreckt hat, ist das Staatsverständnis der Ampel.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das peinlich!)
Die größte Enttäuschung ist hier die FDP, die sonst – im Wahlkampf – ordnungspolitisch viel versprochen hat. Jetzt sehen wir: Der Staat soll mehr regulieren, mehr intervenieren, Wettbewerb beschneiden.
(Christian Dürr [FDP]: So ein Quatsch!)
Machen Sie eines: Gleichen Sie die kalte Progression aus, wie das die CDU/CSU-geführten Bundesregierungen vor Ihnen gemacht haben. Liebe FDP, es ist kein Hexenwerk: Machen ist wie wollen, nur krasser.
Am Schluss will ich Ihnen sagen, sehr geehrter Herr Habeck: Sie finden ein motiviertes und gut aufgestelltes Ministerium vor. Nutzen Sie es, auch für die Wirtschaftspolitik!
(Beifall bei der CDU/CSU – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Acht Jahre im Kabinett!)
Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Verena Hubertz.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
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Electoral Period | 20 |
Session | 11 |
Agenda Item | Wirtschaft und Klimaschutz |