Axel KnoerigCDU/CSU - Arbeit und Soziales
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Versuche, die Mindestlohnkommission zu beeinflussen und einen politisch gewollten Mindestlohn festzusetzen, sei es über den nationalen Weg oder den europäischen, stellen einen schweren Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie dar.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
Das sind Worte – jetzt muss ich erst mal schauen, wo die FDP ist – aus einem Antrag der FDP aus der vergangenen Wahlperiode,
(Johannes Vogel [FDP]: Sehr wahr!)
der den Titel trägt: „Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission garantieren, Subsidiarität achten“.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch jetzt Altpapier!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, ich habe diesen Antrag mal mitgebracht,
(Johannes Vogel [FDP]: Immer gut, die Anträge der FDP!)
und – Herr Vogel, Sie nicken schon – ich werde nach meinem Redebeitrag zu Ihnen kommen und Ihnen diesen Antrag mit den Inhalten, die Sie vergessen haben, geben.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)
Meine Damen und Herren, treffender als die FDP-Fraktion unter dem damaligen Vorsitzenden Christian Lindner hätte ich es nicht formulieren können. Es beschreibt wirklich eindrücklich das Problem des Vorgehens von Bundesarbeitsminister Heil bei der Anhebung des Mindestlohns, Frau Griese.
Damit kein Missverständnis entsteht: Es geht um das Vorgehen, nicht um das Ziel.
(Johannes Vogel [FDP]: Aha!)
Der Mindestlohn in Deutschland – das sagen wir ganz klar – muss höher ausfallen und muss auch schneller steigen als bisher.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hört! Hört!)
CDU und CSU sind angetreten, die Regierungsarbeit kritisch und auch konstruktiv zu begleiten,
(Zuruf von der SPD: Na klar doch!)
und deswegen will ich hier auch unsere Positionen darlegen. Wir befürworten die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro. Weshalb?
(Zuruf von der SPD: Geht doch!)
Erstens. Die Mindestlohnbezieher haben tendenziell stärker unter Corona gelitten als die Gut- und Durchschnittsverdiener. Oftmals haben sie in kritischen Bereichen, wie der Logistik, lebenserhaltende Arbeit geleistet. Hier sagen wir als Union: 12 Euro sind eine Art Anerkennung dieser Leistungen unter diesen erschwerten Bedingungen.
(Zurufe von der SPD)
Zweitens. Die Mindestlohnbezieher sind von der gestiegenen Inflation, nicht zuletzt aufgrund der Energiepreise, besonders hart getroffen. In einer sozialen Marktwirtschaft ist es der bessere Weg, dies über eine höhere Entlohnung für selbst geleistete Arbeit zu kompensieren als durch eine Aufstockung der Bundesregierung.
Herr Kollege, der Kollege Markus Kurth erwägt, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen. Möchten Sie das gerne zulassen?
Das machen wir doch, Herr Kurth.
Bitte schön.
Herr Knoerig, Sie geben an, das Ziel von 12 Euro Mindestlohn als Unionsfraktion mit uns zu teilen, sagen aber, der Weg sei eben nicht der richtige. Das hieße also, die Mindestlohnkommission müsste die 12 Euro festschreiben.
Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberseite – die BDA, Gesamtmetall und die anderen Arbeitgeberverbände – auch nur die leiseste Andeutung gemacht hat, in der Mindestlohnkommission zu diesem Schritt bereit zu sein? Wenn Sie dafür keine Anhaltspunkte haben: Wie anders, als mit einer gesetzlichen Änderung, würden Sie denn dann das ja angeblich auch von Ihnen geteilte Ziel erreichen wollen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Werter Herr Kollege Kurth, Sie haben Ihren Einstieg gut gewählt; Sie haben das, was ich hier zum Ausdruck bringen wollte, gut reflektiert. Ich sage Ihnen aber auch eines ganz klar: Es wird versucht, dass wir als Union uns an dem Verfahren festbeißen, sodass Sie als Regierung sagen können: Seht ihr, die wollen die 12 Euro im Grunde genommen nicht. – Ich sage Ihnen ganz klar: Das ist mit uns nicht zu machen. Wir stehen an der Seite derer, die einen Mindestlohn bekommen, und ich habe Ihnen gerade zwei gute Gründe genannt: nicht nur die Coronapandemie, sondern auch die Energiepreise und die Inflation. Deswegen sagen wir: Das Ziel von 12 Euro ist richtig.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um das Wie!)
– Ich lade Sie ein: Hören Sie meinem Redebeitrag weiterhin so aufmerksam zu. Dann werde ich Ihnen auch noch darlegen, wie wir das – gegebenenfalls auch mit Ihnen, wenn Sie es wünschen – optimieren möchten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Antwort!)
Ich komme zu meinem dritten Punkt – da gucke ich auch noch mal zur FDP, und ich sage es in aller Klarheit und Deutlichkeit –: Für uns kann es keine faktische Ausschaltung der Mindestlohnkommission geben. – Das will ich hier noch mal auf den Punkt bringen.
Meine Damen und Herren, die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände müssen in die Lohnfindung eingebunden werden; ohne sie geht es nicht. Dafür hat ja auch die SPD bei der Einführung entsprechend mitgestimmt. Die Gewerkschaften müssen die Möglichkeit haben, wenn erforderlich, ihre Tarifverträge nachzuzeichnen. Man sieht ja jetzt, dass das bis Juni, Juli in Teilen auch vorgenommen wird.
Ich mache Ihnen noch einen konstruktiven Vorschlag der Union: Ergänzen Sie den Auftrag der Mindestlohnkommission um ein Kriterium für eine angemessene Alterssicherung! Bislang bildet die Mindestlohnkommission die tarifliche Lohnentwicklung nach. Um die Mindestlöhne schneller anheben zu können – das sagen wir –, sollte die Nachzeichnung beendet werden.
Dieser Koalition fehlt schon zu Beginn der Mut, der Lage im Land ins Gesicht zu sehen.
(Lachen der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das gilt insbesondere für die Rentenpolitik. Eine echte Reform der Rente ist dringend erforderlich. Ihre vielgerühmten doppelten Haltelinien nimmt Ihnen angesichts der demografischen Entwicklung wirklich niemand mehr ab. Das ist keine Politik des Respekts, wie der Herr Bundeskanzler so gerne sagt, das ist das Gegenteil: Das ist respekt- und auch verantwortungslos.
Meine Damen und Herren, wer sein Leben lang hart gearbeitet hat, der muss auch im Alter ein gutes Auskommen haben, und dafür setzen wir uns ein.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie hoch ist das denn? – Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Sie haben 16 Jahre lang regiert!)
Wir brauchen Lösungen, die auch über diese Legislaturperiode hinaus Wirkung zeigen, und daran werden wir entsprechend mitwirken.
Meine Damen und Herren, Sie werden jetzt sicherlich – und da gucke ich auch zur FDP – auf Ihr Vorhaben Aktienrente hinweisen. Das ist schön und gut; wirklich eine nette Idee.
(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Das nun gerade nicht!)
10 Milliarden Euro werden aber vorne und hinten nicht ausreichen, um die Rente zu sichern.
(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Was in Jahrzehnten versäumt worden ist!)
Die Rentenversicherung hat in 2021 dargelegt, dass sie 340 Milliarden Euro an die Rentnerinnen und Rentner ausgeschüttet hat; die Tendenz ist steigend. Wir brauchen deshalb schnell Geld. Es kommen jetzt die sogenannten Babyboomer-Zeiten. In der Mitte des Jahrzehnts werden viele in den Ruhestand wechseln, und für den langfristigen Aufbau eines Kapitalstocks reicht die Zeit schlichtweg nicht aus. Wir haben viel Zeit verloren, weil die SPD eine aktienbasierte Rente wie der Teufel das Weihwasser bekämpft hat.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zu Recht!)
Ich frage Sie: Was ist denn sozialer, als auch Normalverdiener an den steigenden Aktienkursen teilhaben zu lassen?
Ich betone: Bei der Rente müssen alle drei Säulen angegangen werden. Die private und auch die betriebliche Altersvorsorge müssen ebenfalls gestärkt werden.
Wachen Sie endlich auf! Da gucke ich zum Arbeitsministerium. Auch hier gilt: Respekt vor der Lebensleistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! Das zeigt sich vor allem, indem man die Realität annimmt und dann auch entsprechend handelt. Deswegen sage ich: Wagen Sie doch mal einen großen Wurf!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ein weiteres Thema will ich noch ganz kurz ansprechen: die Pflege. Ich meine, Minister Spahn hat hier ein gutes Fundament vorgelegt; darauf kann der Herr Lauterbach aufbauen.
Es gab jetzt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das sich mit der häuslichen Pflege beschäftigt hat und viele Fragen aufwirft. Da geht es um 300 000, 400 000 Pflegedienstleistende aus Mittel- und Osteuropa. Da sagen wir ganz klar: Wir wollen, dass für unsere älteren Mitbürger weiter eine 24-Stunden-Pflege zu Hause möglich gemacht wird, dass das hier also weiterhin vollzogen werden darf. Und da frage ich mich mit Blick zum Arbeitsministerium: Warum handeln Sie hier nicht?
Herr Kollege.
Sie haben hier jetzt doch Verantwortung. Da muss gehandelt werden.
Herr Kollege.
Ducken Sie sich nicht weg! Wir helfen gerne mit Vorschlägen, aber handeln müssen Sie schon selbst.
Herr Kollege, Ihre Zeit wäre vorbei gewesen.
Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin, für die großzügig eingeräumte Überziehung um 40 Sekunden.
Danke.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist gut, dass Sie das gesagt haben, weil das jetzt sicherlich dazu führen wird, dass Ihr PGF hierherkommt und dem nächsten Kollegen sagen wird, wie es weitergeht.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schonend beibringt!)
– Schonend beibringt. – Die nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Stephanie Aeffner.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533076 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 11 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |