Mathias MiddelbergCDU/CSU - Finanzen, Haushalt
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines vorweg: Lieber Herr Lindner, wir wünschen Ihnen im Amt alles Gute. Wir stehen vor großen Herausforderungen, finanzpolitisch und haushaltspolitisch, und deswegen hat dieses Land gute Arbeit, gerade im Finanzministerium, verdient.
Sie haben einige Dinge angesprochen, und es stehen auch einige Punkte in Ihrem Koalitionsvertrag, die wir durchaus unterstützen, etwa die Vereinfachung des Steuersystems und die Digitalisierung der Prozesse. Sie wollen die Ausgaben des Bundes auf den Prüfstand stellen und Umschichtungspotenziale identifizieren. Sie wollen die Superabschreibungen auf Klimathemen ausdehnen. Wir hatten das schon für digitale Wirtschaftsgüter eingeführt. Das alles sind sinnvolle Punkte. Ich sage Ihnen sehr klar zu: Darüber können Sie mit der Union in den nächsten Jahren konstruktiv reden. Das werden wir konstruktiv begleiten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Insgesamt aber muss man, wenn man Ihren Koalitionsvertrag studiert – Sie haben hier nur sehr zaghaft ein paar Punkte genannt –, feststellen: Steuerpolitisch beschränkt sich das auf Kleinteiliges. Eine steuerpolitische Agenda, ein steuerpolitisches Programm hat diese Bundesregierung leider nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wie die letzten drei!)
Tatsächlich ist Ihr Konzept Stillstand, und der zaghafte Hinweis auf den baden-württembergischen Finanzminister, der vielleicht das eine oder andere zu überlegen beginnt, ist ja ganz reizvoll und nett. Das schätzen wir auch, aber das ersetzt natürlich keine steuerpolitische Agenda, die Sie tatsächlich nicht haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dann stellen Sie die ganze Sache aber etwas netter dar, indem Sie mit einem Interview in dieses Jahr starten, in dem Sie 30 Milliarden Euro Entlastung für Bürger und Unternehmen in diesem Land ankündigen. Wenn man sich das aber genauer ansieht, stellt man fest: Das ist nicht ganz so markig und nicht ganz so toll.
Die Beiträge zur Rentenversicherung sollen voll absetzbar gemacht werden. Das ist im Übrigen kein neues Projekt; schon die alte Regierung hatte das vorbereitet. Sie machen das auch nicht freiwillig; denn wir müssen das im Grunde machen, weil wir Hinweise des Bundesfinanzhofes dazu bekommen haben. Trotzdem ist die Maßnahme gut.
Stichwort „EEG-Umlage“. Es ist richtig, dass Sie die komplett abbauen wollen. Aber ehrlicherweise muss man dazusagen: Die alte Regierung hat hier schon gehandelt, 40 Prozent der EEG-Umlage sind schon abgebaut. Das ist zum 1. Januar dieses Jahres bereits in Kraft getreten. Ebenso muss man ehrlicherweise sagen: So eine richtige Nettoentlastung ist das ja nicht, sondern dem stehen Belastungen gegenüber, nämlich die deutliche Anhebung des CO2-Preises. Für die meisten Leute wird sich das daher egalisieren, vielleicht sogar zu Mehrbelastungen führen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dritter Punkt, den Sie angesprochen haben: Sie wollen die Verlustverrechnung erweitern; demnächst kann man das für weitere zwei Jahre machen. Aber wenn die Unternehmer mal schauen, womit sie verrechnen können, dann sehen sie: Das sind die Pandemiejahre 2020 und 2021. In den beiden Jahren werden viele Unternehmer gar keine Gewinne gemacht haben.
(Otto Fricke [FDP]: Was?)
Also, zu verrechnen wird es da effektiv nichts geben; eine Entlastung ist das nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie haben eben gesagt, Steuererhöhungen schlössen Sie aus, Steuererhöhungen werde es nicht geben. Die gibt es de facto aber schon. Sie laufen schon munter an, nämlich durch die kalte Progression, durch die Preissteigerungen, die wir erfahren. Die Preissteigerung liegt jetzt, Stand Dezember 2021, bei 5,3 Prozent. Die EZB sagt für das laufende Jahr 3,2 Prozent voraus. Das frisst jede Lohnerhöhung auf.
Die Lohnsteigerungen führen dazu, dass die Arbeitnehmer im Steuertarif höherwandern, dass sie höher besteuert werden. Andererseits verlieren sie durch die Inflation Kaufkraft. Das heißt, sie werden doppelt getroffen. Das ist ein brutaler Effekt. Gleichzeitig kommen noch die Steigerung des CO2-Preises, die Steigerung der Energiepreise und steigende Beiträge bei den Krankenversicherungen dazu.
(Otto Fricke [FDP]: Was habt ihr uns hinterlassen!)
Sie haben gerade den Bundesbankpräsidenten erwähnt; bei seiner Amtseinführung haben Sie gesagt: Niemand ist mehr auf stabile Preise angewiesen als Menschen mit einem kleinen Einkommen. Für sie können schon zahlenmäßig geringe Preissteigerungen den Unterschied zwischen einem vollen und einem leeren Kühlschrank am Monatsende ausmachen. – Genau darum geht es. Und ein guter Finanzminister würde jetzt gegensteuern. Die Bekämpfung der kalten Progression, das war doch Ihr Thema. Sie haben hier immer auch den Tarif auf Rädern gefordert, also den mit der Preisentwicklung mitlaufenden Tarif, der schleichende Steuererhöhungen verhindert. Jetzt sehen Sie tatenlos zu, wie die Einkommen der kleinen Leute von massiv steigenden Preisen aufgefressen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich sage Ihnen: Steuerpolitisch ist das kein guter Start dieser Regierung.
Haushaltspolitisch nehmen wir die Bekenntnisse zur Haushaltsdisziplin wahr – ich lobe ausdrücklich das Bekenntnis zum Stabilitätspakt in der EU –, aber wir nehmen auch das Bekenntnis zur Schuldenbremse wahr. Ab 2023 wollen Sie die wieder einhalten. Was Sie jetzt aber nicht so deutlich und nicht so laut sagen, ist, dass Sie bis dahin ganz massiv Schulden machen wollen. Sie wollen Schulden auf Vorrat machen. Sie sind dabei auch nicht ehrlich. Sie sagen: Wir brauchen das Geld, um die akute Notlage in der Pandemie zu bewältigen. – Tatsächlich wollen Sie die Mittel aber nicht zur Pandemiebewältigung einsetzen, sondern für ganz andere Zwecke und auch zu ganz anderer Zeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Nachtragshaushalt, den Sie jetzt vorgelegt haben, steht leider beispielhaft für diese Praxis. Dabei geht es nicht um eine verfassungsrechtliche Petitesse, sondern es geht darum, ob Ihr Bekenntnis zur Verfassungsregel der Schuldenbremse wirklich ehrlich gemeint ist. Der Bundesrechnungshof hat sich in der Anhörung zu Beginn dieser Woche sehr klar ausgedrückt: Der einzige Zweck dieses Nachtragshaushaltes sei eine Geldbeschaffung für künftige, nicht notlagenausgelöste Maßnahmen, also eine Kreditermächtigung auf Vorrat. Die vorgesehene Zuweisung weiterer 60 Milliarden Euro an den Fonds sei mit Wortlaut und Zweck der Schuldenregel unvereinbar. Klarer geht es leider – und ich sage bewusst „leider“ – nicht.
Der Klimaschutz – da haben Sie völlig recht – ist ein Kernanliegen der Nachhaltigkeit. Aber auch verantwortlich geführte Haushalte sind ein ganz grundlegendes Anliegen und eine grundlegende Frage nachhaltiger Politik. Wir wollen – und das sollten auch Sie wollen – der jüngeren Generation nicht nur klimapolitisch ein gut bestelltes Feld hinterlassen, sondern auch finanziell noch die Freiräume und die Gestaltungsräume, die diese jüngeren Generationen beanspruchen dürfen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vor diesem Hintergrund sage ich Ihnen: Wir anerkennen die Größe der Herausforderung – denn die ist wirklich groß –, die Klimawende zu leisten und das Ganze haushalterisch vernünftig hinzukriegen. Trotzdem sage ich Ihnen vor dem Hintergrund der Verfassung und auch im Angesicht der Tatsache, dass auch die Einhaltung des Rechts eine Frage der Nachhaltigkeit ist: Ziehen Sie den Nachtragsetat, den Sie vorgelegt haben, bitte zurück, und legen Sie einen neuen Etat für dieses Jahr vor, mit ehrlichen und zutreffenden Zweckbestimmungen. Dann können Sie auch mit uns darüber konstruktiv ins Gespräch kommen.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen alles Gute und uns eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Regierung und Opposition.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Middelberg. – Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Michael Schrodi, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533179 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 12 |
Tagesordnungspunkt | Finanzen, Haushalt |