Uli GrötschSPD - Einsatz von Spähsoftware durch Bundesbehörden
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Renner, ich kann Ihre Aufregung – das wird Sie nicht überraschen – nicht so recht nachvollziehen.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Ich schon!)
Ich will auch gerne sagen, warum nicht.
Erstens. Unsere Sicherheitsbehörden halten sich beim Einsatz von Überwachungssoftware nachgewiesenermaßen an die Vorgaben der Gerichte und natürlich an die Vorgaben des Gesetzgebers. Das Bundeskriminalamt, das Sie eben angesprochen haben, setzt Pegasus – und das auch nur in ganz wenigen Bereichen – auf die gleiche Art und Weise ein: eben nur zur Abwehr im Bereich des Terrorismus oder der Organisierten Kriminalität. Es plant dahin gehend auch nichts anderes. Wer das Gegenteil behauptet – so finde ich –, muss Beweise liefern; denn ansonsten sind das nur Unterstellungen. Ich jedenfalls habe größtes Vertrauen in das gesetzeskonforme Handeln des Bundeskriminalamtes und anderer deutscher Sicherheitsbehörden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Zweitens. Das Bundesinnenministerium hat auf Ihre Nachfrage ja bestätigt, dass keine Spähsoftware auf Smartphones von Angehörigen und Mitarbeitern der Bundesregierung und der nachgeordneten Behörden festgestellt werden konnte. Das ist doch in Ihren Augen vermutlich eine gute Nachricht.
Drittens. Sie müssten doch eigentlich hocherfreut sein, dass wir im Koalitionsvertrag klipp und klar geregelt haben, keine Überwachungstechnologien an repressive Regime weiterzugeben. Denn wir wissen, klar, dass solche Technologien wie Pegasus, die auch verschlüsselte Kommunikation knacken können, in falschen Händen tatsächlich gefährlich sind.
Wir wissen bereits von Fällen aus Saudi-Arabien oder aus Ungarn, dass Regimekritiker, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten ausgespäht wurden. Mir hat erst im Dezember 2021 der ungarische Investigativjournalist Szabolcs Panyi beschrieben, wie er von der ungarischen Regierung mit Pegasus überwacht wurde. In falschen Händen – das ist ganz klar richtig – ist Pegasus ein Unterdrückungswerkzeug und gefährlich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Aber – das gehört zur Wahrheit dazu – wir können im Deutschen Bundestag nicht verhindern, dass die israelische Securityfirma NSO Group ihre Produkte an autoritäre Regime verkauft. Aber wir können dafür sorgen, dass künftig keine Firma mit Sitz in Deutschland solche Überwachungstechnik an Unrechtsregime verkaufen darf. Ich sage deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen: Genau so wie es für Rüstungsgüter wie etwa Panzer oder U-Boote in Deutschland eine Exportkontrolle gibt, so muss es auch für derartige in Deutschland programmierte Software eine Exportkontrolle geben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke, warum schreien Sie denn „Skandal“ und nicht „Juhu“ angesichts der Vereinbarung im Ampelkoalitionsvertrag – ich habe es eben schon gesagt –, dass der Staat künftig keine Sicherheitslücken ankaufen oder offenhalten wird? Wieso jubeln Sie eigentlich nicht angesichts der Zusage, dass der Staat künftig sogar verpflichtet wird, Sicherheitslücken umgehend zu schließen? Und warum feiern Sie keine Party angesichts der Zusage, dass wir den Einsatz von Überwachungssoftware an die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Onlinedurchsuchung anpassen wollen?
Kollege Grötsch, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Renner?
Bitte schön.
Ich ahnte es.
Danke, Herr Kollege Grötsch, für die Möglichkeit, zu fragen. – Erstens. Der Datenschutzbeauftragte der Europäischen Union hat unlängst, am 15. Februar, die Mitgliedstaaten aufgefordert, den Einsatz entsprechender Spionagesoftware sofort zu stoppen. Ich würde gerne die Haltung der Bundesregierung zu dieser konkreten Forderung wissen.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Wir sind hier im Parlament!)
Es geht ja um ein Moratorium des bestehenden Einsatzes von Pegasus, Candiru und Co.
Zweitens. Sie haben darauf hingewiesen, dass hier alles rechtmäßig läuft. Ich habe in meiner Rede danach gefragt – dazu würde ich gerne Ihre Kenntnis wissen –: Was ist mit dem Bundesnachrichtendienst und seinen Kooperationen?
(Konstantin Kuhle [FDP]: Das muss die Bundesregierung beantworten!)
Können Sie ausschließen, dass Daten zu Zielpersonen, die über Pegasus erfasst werden, nicht an andere Geheimdienste weitergegeben werden, die diese Daten dann zum Beispiel zur Zielerfassung im Drohnenkrieg nutzen? Das können Sie nicht ausschließen.
Deswegen bleibe ich dabei: Der Einsatz und der Ankauf dieser Spionagesoftware muss sofort unterbunden werden, weil er nicht verfassungskonform ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Na ja, Frau Renner, die Haltung der Bundesregierung kann nicht zuletzt beim Kollegen Mahmut Özdemir erfragt werden.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Ja, genau! Er soll das mal beantworten!)
Ich kann Ihnen aber gerne meine Haltung dazu sagen.
Ich bin jemand – das wissen Sie –, der ein hohes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden in Deutschland und tatsächlich auch in die Nachrichtendienste hat. Ich habe sehr viel mit der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste zu tun, und wir haben 2016 – Sie haben den Bundesnachrichtendienst angesprochen – den Rechtsrahmen für den BND gerade in derlei Angelegenheiten – Stichwort „Ringtausch“; Sie wissen, wovon ich spreche – klipp und klar gefasst. Ja, ich gehe davon aus, dass sich die Beschäftigten bei den Sicherheitsbehörden an die Gesetze halten.
(Zuruf von der LINKEN: Echt?)
Sollte das nicht so sein und das bekannt werden, hätte das natürlich Konsequenzen.
Ich glaube auch, dass sich die Mentalität in den Diensten in den letzten Jahren entsprechend entwickelt hat. Aber das ist nicht die erste Debatte, in der wir feststellen, dass das Thema „Vertrauen in staatliche Institutionen oder insbesondere in Sicherheitsbehörden“ auf der einen Seite stärker ausgeprägt ist und auf der anderen Seite nicht. Es steht Ihnen natürlich offen und steht Ihnen auch zu, dass Sie dazu eine Haltung einnehmen, die Ihnen entspricht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe auch so eine Haltung!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen – das passt vielleicht auch zu der Frage von Frau Renner –, dass unsere Sicherheitsbehörden auf der Höhe der Zeit sind, aber auch auf Augenhöhe mit anderen internationalen Partnern im Bereich technischer Fähigkeiten bzw. Cyberfähigkeiten.
Sie wollen die Sicherheitsbehörden in einer Zeit, in der fast jeder mit Messengern und nicht über Festnetzleitungen kommuniziert, handlungsunfähig und blind machen. Das werden wir auch in dieser Koalition ganz bestimmt nicht zulassen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Marc Henrichmann für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7533966 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 18 |
Tagesordnungspunkt | Einsatz von Spähsoftware durch Bundesbehörden |