16.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 20 / Zusatzpunkt 3

Jörg NürnbergerSPD - Aktuelle Stunde - Lage in der Ukraine angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeden Tag sehen wir wieder und wieder die unerträglichen Bilder von einem schrecklichen Krieg, Bilder von einem Angriffskrieg mitten in Europa, dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Die dadurch verursachte Lage in der Ukraine ist dramatisch und bestürzt uns zutiefst. Europa und Deutschland unterstützen die Ukraine deshalb in dieser Lage zivil und militärisch. Und der Hinweis sei gestattet, Herr Hahn: Es ist ein Gebot militärischer und politischer Vernunft, keine Details über Waffenlieferungen öffentlich bekannt zu geben. Das würde unsere eigenen Soldaten gefährden, die diese Waffen liefern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Quatsch!)

Deutschland verhält sich solidarisch, und das entspricht auch unserer Verantwortung in Europa. Wir müssen uns aber gleichzeitig fragen, welche Auswirkungen dieser brutale und völkerrechtswidrige Angriff auf unsere westliche Staatengemeinschaft hat. Der Westen ist geeinter denn je. Die NATO und die Europäische Union stehen eng zusammen, und die EU hat in kürzester Zeit vier Sanktionspakete von bisher nicht dagewesenem Ausmaß verabschiedet. Gleichzeitig ist es unsere Aufgabe und im Interesse aller westlichen Staaten, dafür zu sorgen, dass aus dem Krieg in der Ukraine kein Flächenbrand in ganz Europa wird. Deshalb kann man auch manchen sehr verständlichen Forderungen der Ukraine, wie zum Beispiel der nach einer Flugverbotszone, nicht entsprechen; denn das würde uns in diese Kriegssituation einbinden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)

Angesichts des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt, hat sich die sicherheits- und verteidigungspolitische Lage auch in den NATO-Mitgliedstaaten und in Deutschland dramatisch verändert. Die Aggression Russlands bedroht die Friedensordnung in ganz Europa. Wir stehen vor bisher ungekannten Herausforderungen, die auch – da geht es mir hier nicht, wie vielleicht anderen, um eine Schuldzuweisung, sondern um eine objektive Feststellung – die Versäumnisse der Verteidigungspolitik der vergangenen Jahre offenbaren. Das gilt besonders mit Blick auf die Ausrüstung der Bundeswehr. Die Notwendigkeit, mehr in unsere Sicherheit und damit auch in militärische Sicherheit zu investieren, ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Wir müssen uns noch stärker auf die Landes- und Bündnisverteidigung fokussieren, insbesondere auch im Hinblick auf unsere östlichen NATO-Partner, und zwar nicht nur wegen der aktuellen Lage, sondern auch langfristig.

Die NATO-Ostflanke wird bereits heute durch deutsche Soldatinnen und Soldaten in Litauen und in allernächster Zukunft in der Slowakei gestärkt. In Rumänien haben wir sechs Eurofighter stationiert. In der Ostsee und im Mittelmeer stärken Marineeinheiten die NATO-Nord- und ‑südflanke.

Parallel zum aktuellen Engagement der Bundeswehr gilt es nun, wichtige und lange überfällige Investitionen voranzubringen. Ich bin daher froh, dass Bundeskanzler Scholz erklärt hat, dass dafür zum einen dieses Sondervermögen gebildet wird und dass zum anderen die Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreicht werden wird. Wir senden damit nämlich wichtige Signale, erstens an unsere Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr – wir kümmern uns endlich um eure Ausrüstung! –, zweitens an unsere Bündnispartner in der EU und in der NATO – wir stehen zusammen! –, drittens an die Industrie – wir sorgen für langfristige Planungssicherheit! – und viertens vor allen Dingen auch an Wladimir Putin: Wir lassen uns nicht einschüchtern!

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit diesem Sondervermögen sind wir erstmals in der Lage, längerfristige Projekte ohne jährliche, jeweils wiederkehrende erneute Haushaltsberatungen abzuwickeln.

Unser Ziel ist jetzt also eine Bundeswehr, die im vollen Umfang einsatzfähig ist, eine Bundeswehr, die damit auch ihre Kernaufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung vollständig erfüllen kann, und das mit bestmöglicher Ausrüstung. Unsere Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat bereits einen Plan vorgelegt, wie diese Ziele erreicht werden können. Es soll künftig keine militärischen Luftschlösser mehr geben, sondern es soll auf bewährte marktverfügbare Produkte und Systeme gesetzt und auf bestehende Lösungen aufgebaut werden. Das Beschaffungswesen soll modernisiert werden. Man muss in dieser Krisensituation auch darüber nachdenken, Artikel 346 AEUV, nach dem Ausnahmeregelungen von den Vergabevorschriften möglich sind, anzuwenden. Das Sondervermögen wird die Beschaffungsvorhaben beschleunigen können. Hier hat die Bundesministerin auch angekündigt, das immer stets mit dem Bundestag abzustimmen. Die 25-Millionen-Euro-Vorlagen werden erhalten bleiben. Unsere Bevölkerung steht hinter diesen Plänen; 74 Prozent der Menschen in Deutschland stimmen diesen zu. Insofern ist die Koalition bereit, diese Verantwortung zu übernehmen.

Wir wollen aber hier vor allen Dingen darüber diskutieren, wie wir zur Rückkehr der Diplomatie und zu einer friedlichen Konfliktlösung kommen. Es ist unser vorrangiges Ziel, Herrn Putin dazu zu bewegen, die Kampfhandlungen einzustellen. Wladimir Putin, stellen Sie die Kampfhandlungen sofort ein! Wladimir Putin, beenden Sie diesen Krieg!

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534154
Wahlperiode 20
Sitzung 20
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Lage in der Ukraine angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands
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