17.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 21 / Tagesordnungspunkt 8

Manfred GrundCDU/CSU - Vereinbarte Debatte - 30 Jahre Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Der ersten Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, eingesetzt vor 30 Jahren, gehörten 16 Bundestagsabgeordnete an, mehrheitlich aus Ostdeutschland. Den Vorsitz übernahm der DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann. Der Fokus dieser Enquete-Kommission lag auf der Analyse der Vergangenheit durch Darstellung der Zusammenhänge der Wirkmechanismen in der SED-Diktatur. Zu den sechs Themenfeldern der Enquete-Kommission gehörte unter fünftens „Rolle und Selbstverständnis der Kirchen“. Und tatsächlich waren die Kirchen, waren Christen unter den ersten Opfern der SED.

1952 wurde entlang der Demarkationslinie ein 5 Kilometer breiter Streifen, ein Sperrgebiet, eingerichtet. Somit lagen im katholischen Eichsfeld von 85 Pfarreien 40 im Sperrgebiet. Gottesdienste, Wallfahrten, Prozessionen waren verboten, Bischöfen und Priestern die Einreise untersagt. Widerständiges Verhalten wurde mit Gefängnis und Zwangsaussiedlung bestraft. In den Akten der Abteilung Inneres beim damaligen Rat des Kreises Heiligenstadt sind diese Repressalien dokumentiert. Aber es finden sich auch Berichte über den Widerstand, welchen Christen und Kirchgemeinden gegen diese religiöse Unterdrückung geleistet haben. Es sind Glaubenszeugnisse, und es gehörte Zivilcourage und Mut dazu; es war eben kein Spaziergang.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der ersten SED-Enquete-Kommission war ein Treffen von zwei Dutzend Politikern mit DDR-Biografie am 14. Dezember 1991 im Bonhoeffer-Haus in Berlin vorausgegangen. Eingeladen dazu hatte der evangelische Pfarrer Christian Dietrich. Im Ergebnis kam es zur Gründung des Forums zur Aufklärung und Erneuerung mit Wolfgang Ullmann als Vorsitzendem und zur Einsetzung dieser Enquete-Kommission zur Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur.

Der Kommissionsauftrag war, offene und verdeckte Repressionsmechanismen offenzulegen und das Alltagsleben in der SED-Diktatur zu erkunden. Auch sollten Seilschaften und Nachwirkungen der SED-Diktatur aufgeklärt werden, inklusive der Modrow-Regierung. Denn mit dem rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbot war eine juristische Aufarbeitung der SED-Diktatur nur eingeschränkt möglich, und die Strafverfolgung wurde nach einigen Prozessabbrüchen öffentlich als schwach wahrgenommen. Es stand zu befürchten, dass die Akzeptanz des Rechtsstaates nachhaltig beschädigt wird. Und es war den SED-Funktionären gelungen, sich selbst aus der Verantwortung zu nehmen und alles der Staatssicherheit, der Stasi, in die Schuhe zu schieben.

Die Presse und auch Teile der westdeutschen Öffentlichkeit machten dabei mit, und ganz, ganz schnell saßen SED-Funktionäre in den Talkshows und erklärten die Welt. Doch aus den Tätern von gestern sollten nicht die Gewinner der Wende werden, und die Menschen aus Ostdeutschland sollten nicht aus ihrer Geschichte vertrieben werden.

Am 17. Juni 1994 hat Gerd Poppe dazu im Deutschen Bundestag Folgendes ausgeführt:

Neuland betreten hat der Deutsche Bundestag auch mit diesem ungewöhnlichen Antrag. Es steht ihm gut an, in der ersten Legislaturperiode nach dem Zustandekommen der deutschen Einheit diesen Versuch unternommen zu haben … Es ging nicht um die Demütigung der Ostdeutschen …, sondern um die Wiederherstellung ihrer Würde.

Und weiter sagte er:

Die Ergebnisse sind nicht in elitären Zirkeln, sondern vor den Augen der Öffentlichkeit zusammengetragen worden.

Meine Damen und Herren, diese erste Enquete-Kommission vor 30 Jahren war der Versuch, einen antitotalitären Konsens zu finden. Heute, 30 Jahre später, ist uns dieser antitotalitäre Konsens verloren gegangen. Auch gibt es bis heute keinen Hochschullehrstuhl zur Geschichte des Kommunismus in Deutschland. – Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Ich finde, nachdem es nunmehr 146 Genderprofessuren gibt, wäre ein Lehrstuhl zur Erforschung der SED-Diktatur nicht weniger bedeutsam.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD sowie der Abg. Linda Teuteberg [FDP])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534292
Wahlperiode 20
Sitzung 21
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte - 30 Jahre Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
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