Marc HenrichmannCDU/CSU - Meinungsfreiheit in Sozialen Medien
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das vierte Wort im Antrag der AfD ist „Russland“, und man braucht nicht lange, um einen Unternehmer, nämlich den Gründer von Telegram, zu hofieren und ihn fast als Heiligen mit hehren Ansätzen zu bezeichnen. Ich habe mich sehr geschämt – das muss ich leider sagen –, als die sogenannten, von den Medien so bezeichneten Russland-Connections der SPD verhindert haben, dass wir uns viel früher an die Seite der Ukraine gestellt haben. Aber wenn ich jetzt, auf dem Höhepunkt der Eskalation, diese Russlandfeierlichkeiten im AfD-Antrag wieder lese, dann wird mir schlecht. Das ist billige Propaganda und Provokation.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der AfD)
Aber auch inhaltlich ist der Antrag mau. Vieles ist gesagt. Ich möchte nur anführen, dass sich in Telegram-Gruppen beispielsweise auch die Täter, die die Polizisten in Rheinland-Pfalz erschossen haben, haben feiern lassen. Auch das BKA sagt – auch das wurde angesprochen –, dass Telegram ein beliebter Weg sei, mit Drogen zu handeln. Ob das jetzt die Erklärung für den dürftigen Inhalt ist und auch für das Abfeiern von Telegram seitens der AfD, darüber möchte ich nur spekulieren.
Kollege Henrichmann, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Abgeordneten Cotar?
Gerne.
Danke, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben behauptet, dass in unserem Antrag Russland abgefeiert wird, und Sie haben sich sehr abfällig über Pawel Durow geäußert. Ist Ihnen bewusst, dass dieser Mann Russland verlassen musste, weil er von der russischen Regierung unter Druck gesetzt worden ist, die Daten herauszugeben, weil er so unter Druck gesetzt worden ist, dass er um sein Leben fürchten musste? Deswegen hat er mittlerweile auch eine andere Staatsangehörigkeit. Er tauchte unter, weil er um sein Leben fürchten musste, weil er vor Russland und vor Putin weglaufen musste. Und Sie unterstellen mir, ich hätte im Antrag Putin gelobt, und beleidigen diesen Mann, der für die Freiheit gekämpft hat wie kein anderer. Kann es sein, dass Sie unseren Antrag nicht gelesen oder nicht verstanden haben, Herr Kollege?
(Beifall bei der AfD)
Ja, ich gebe zu, es ist schwergefallen, ihn zu lesen, und auch, ihn zu verstehen; aber ich habe es tatsächlich getan. „ Russland“ taucht ja relativ früh auf, und Sie wissen, dass Telegram und die russische Regierung sich relativ zeitnah wieder angenähert haben. Insofern wollen Sie jetzt nicht ernsthaft Ihre Affinität zur russischen Regierung bestreiten, oder? Ich kann es ja noch ausweiten: Sie sind nach Syrien gefahren, Teile Ihrer Fraktion, und haben Assad gefeiert. Dass Sie Putin bei jeder Gelegenheit hofieren, ist, glaube ich, auch jedem bekannt. – Das ist schwach. Ich finde es – auch das noch mal als Ergänzung – ehrlicherweise ziemlich schräg, wenn Sie schreiben: Es ist Privatsache der erwachsenen Nutzer von Telegram. – Es ist schon ziemlich schräg, was in Ihrem Antrag verbreitet wird. Deswegen brauchen wir, glaube ich, über Ihre Russlandaffinität nicht weiter zu sprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Oder immer wieder!)
Telegram ist in der Tat ein Kommunikationsweg. Das ist so ein bisschen zu vergleichen mit der Dorfkneipe, die per se nicht das Problem ist, sondern der Stammtisch, an dem vielleicht gepöbelt, beschimpft und beleidigt wird. Da muss angesetzt werden. Ich habe selber im Wahlkreis eine Kommune, die auf diesem Weg beispielsweise über ihre Arbeit berichtet, und das mit gutem Gewissen und auch mit guten Absichten. Deswegen ist es richtig, ja, die Meinungsfreiheit hochzuhalten und zu schützen. Aber da muss eben auch Abwägung her. Wir sind in einem Rechtsstaat, und da gelten Regeln, und auch die Würde des Einzelnen, des Menschen ist eben abzuwägen.
In Sachen staatlicher Schutzanspruch – das muss ich so deutlich sagen – ist die Ampel aber ein Totalausfall. Ganz ehrlich, ich habe bis jetzt noch in keinem Redebeitrag gehört, wie wir die Probleme, die alle zutreffend beschreiben, angehen. Es ist ja so: Die Ampel ist hier als Tiger gestartet. Im Dezember noch haben Herr Buschmann und Frau Faeser ein entschlossenes Vorgehen propagiert, bis hin zum Verbot und zur Abschaltung von Telegram. Herr Grötsch hat im Ausschuss für die SPD noch am 12. Januar gesagt, das NetzDG hätte viel schärfer ausfallen müssen.
Dann hat man aber offenbar den Anpacker nicht gefunden, und man hat in der Tat nach Europa geguckt. Der DSA, Digital Services Act, wurde schon angesprochen. Die Position des Rates und des Europäischen Parlamentes bleiben in wichtigen Punkten deutlich hinter dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz zurück, so der Staatssekretär der SPD am 26. Januar. Auf die Frage, was man denn tut, um dieses DSA-Paket auf den richtigen Weg zu bringen, ist man jede Antwort schuldig geblieben. Die Ampel hat keinerlei Idee, was sie tun möchte. Am 27. Januar hat der „Spiegel“ berichtet: Frau Faeser forderte drastische Maßnahmen, jetzt rudert sie zurück. Am 4. Februar meldete die „WAZ“, Jubelmeldungen seien unangemessen; Faeser „freut sich wie Bolle“ – Zitat –, dass sich Telegram „auf ein Gespräch mit ihr einlässt“. Dazu kam es nicht etwa, weil es eine schlagkräftige Bundesregierung in Deutschland gibt, sondern weil Google offenbar eine E-Mail-Adresse an die Ampel, an Frau Faeser weitergeleitet hat, um überhaupt mal Kontakt zu Telegram herzustellen.
Das Ganze ist Weichgespültes ohne Ansatz. Und gleichzeitig sagen uns Experten, dass Telegram nur ein Minimalprogramm ist, was die Löschung von Hate Speech angeht. Dass die AfD völlig lost ist und Anstand und Respekt in der Diskussion hier vermissen lässt, wurde deutlich; aber, liebe Bundesregierung, Sie sind jetzt 100 Tage im Amt. Ich glaube, insbesondere die betroffenen Familien der ermordeten Polizisten und andere von Hate Speech, Hass und Hetze betroffene Personen können erwarten, dass Sie Ihren Job machen. Es reicht nicht, in Sonntagsreden zu fordern, dass Hass und Hetze entschieden bekämpft werden, wenn Sie an der Stelle nicht endlich konkret werden und uns sagen, was Sie vorhaben, um das zu unterbinden.
(Maximilian Funke-Kaiser [FDP]: DSA! Hören Sie doch zu! Genau das haben wir gemacht!)
Bislang habe ich hier nichts gehört.
Den Antrag der AfD lehnen wir ab.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Robin Mesarosch das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7534306 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 21 |
Tagesordnungspunkt | Meinungsfreiheit in Sozialen Medien |