23.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 24 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 04

Friedrich MerzCDU/CSU - Bundeskanzleramt (einschl. Ostdeutschland, Integration und Kultur)

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 27. Februar, also vor mehr als drei Wochen, haben Sie, Herr Bundeskanzler, von dieser Stelle aus eine Regierungserklärung abgegeben und von einer Zeitenwende gesprochen. Wir teilen diese Einschätzung unverändert, zumal Putin seinen Krieg in der Ukraine immer brutaler gegen die Zivilbevölkerung führt und wir bis heute kein Mittel gefunden haben, dieses Verbrechen zu beenden. Es ist in der Tat eine Zeitenwende.

Aber erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, einen Eindruck wiederzugeben, den meine Fraktion und auch ich persönlich in der gestrigen Debatte gewonnen haben. In Ihrer Koalition, auch in der Einbringungsrede des Bundesfinanzministers, ist von einer Zeitenwende nicht wirklich viel zu bemerken gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie gehen von Grundannahmen aus, von denen wir schon heute wissen, dass sie einfach nicht stimmen. Das Wachstum unserer Volkswirtschaft wird in diesem Jahr, 2022, nicht 3,6 Prozent betragen, sondern deutlich weniger. Die Inflationsrate wird nicht wieder sinken, sondern sie wird eher weiter steigen. Die Lieferketten sind unterbrochen, und wir müssen befürchten, dass weitere Lieferketten unterbrochen werden. Die Steuereinnahmen werden vermutlich deutlich niedriger ausfallen als erwartet, und vor allem die Ausgaben werden durch den Ukrainekrieg und alle seine Folgen deutlich steigen.

Das wissen wir alle. Das wissen auch Sie. Sie sprechen beschönigend von einem „Ergänzungshaushalt“, den Sie wahrscheinlich schon im nächsten Monat vorlegen müssen, und zwar in einer Größenordnung von bis zu 50 Milliarden Euro. Trotzdem legen Sie in dieser Woche einen Bundeshaushalt vor, so als ob nichts gewesen wäre. Meine Damen und Herren, wenn es richtig ist, was Sie sagen, Herr Bundeskanzler, mit der Zeitenwende, dann müssten Sie im Grunde genommen große Teile Ihres Koalitionsvertrages heute eigentlich neu verhandeln.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die einzige wirklich ernsthafte Abweichung von alledem, was im letzten Jahr auch schon richtig war, ist der Plan, ein Sondervermögen über 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zu errichten. Wenn ich richtig zugehört habe – ich bin gestern Vormittag die ganze Zeit hier gewesen und habe wirklich versucht, aufmerksam zuzuhören –, dann hat gestern keiner der Redner der Koalition hier im Parlament von den notwendigen 2 Prozent Verteidigungsausgaben, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, gesprochen – keiner. Das Wort hat keine Rolle gespielt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb möchte ich hier gerne noch mal an die Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 27. Februar erinnern.

(Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

Sie haben die Einrichtung dieses Sondervermögens von 100 Milliarden Euro vorgeschlagen und haben dann anschließend gesagt – wörtlich –:

Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als 2 Prozent

– mehr als 2 Prozent! –

des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.

Der Eindruck ist entstanden: 100 Milliarden plus 2 Prozent jedes Jahr. Diesen Eindruck haben Sie durch diese Rede entstehen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Dürr [FDP]: Nein! – Widerspruch bei der SPD)

Sie haben dann im nächsten Satz den Vorschlag unterbreitet, dieses Sondervermögen, also in Wahrheit 100 Milliarden Euro neue Schulden, an der Schuldengrenze des Grundgesetzes vorbei in die Verfassung, in das Grundgesetz, aufzunehmen.

Damit zeigt sich jetzt in der Systematik, wie Sie Haushaltsplanung machen, ein gewisses Bild. Das Bild ist wie folgt: Sie schöpfen den Kernhaushalt – so nennen Sie ja mittlerweile den Bundeshaushalt; der heißt jetzt bei Ihnen „Kernhaushalt“ –

(Heiterkeit der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])

bis zur Obergrenze der möglichen Schulden aus. Sie verlängern die Feststellung einer Notlage aus der Coronapandemie mit dem Aussetzen der Schuldenbremse und beanspruchen weiter auch in diesem Jahr zusätzliche 100 Milliarden Euro Schulden. 60 Milliarden Euro transferieren Sie zweckentfremdet in einen Fonds, den Sie jetzt „Klima- und Transformationsfonds“ nennen; das ist also ein klassischer Nebenhaushalt. Sie kündigen jetzt schon an, diese Notlage noch in diesem Jahr erneut zu beantragen – Sie können sie nicht feststellen; Sie können sie nur beantragen, weil wir sie hier beschließen müssen –, weil es unvorhergesehene Ausgaben aus dem Krieg in der Ukraine gibt.

(Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

Weil das alles nicht reicht, soll die Schuldenbremse des Grundgesetzes im Grundgesetz selbst mit noch einmal 100 Milliarden Euro Schulden für die Bundeswehr einmalig ganz außer Kraft gesetzt werden. Das ist die Systematik. Damit wollte ich nur einmal klarmachen, was Sie unter – so haben Sie, Herr Bundesfinanzminister, es ja gestern hier mehrfach gesagt – einer soliden und stetigen Haushaltsplanung und Haushaltsführung verstehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nun wollen wir keinen Zweifel daran lassen, dass auch wir es für dringend notwendig erachten, die Bundeswehr mit mehr Mitteln auszustatten, sie neu auszurüsten.

(Zurufe von der SPD: Aha! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach 16 Jahren ist das auch nötig! – Zurufe von der FDP und der AfD)

– Wissen Sie, dass nun ausgerechnet von der FDP an dieser Stelle immer wieder Zwischenrufe kommen,

(Beatrix von Storch [AfD]: Auch von uns!)

ist insofern erstaunlich, als in den letzten vier Wahlperioden in keiner einzigen Wahlperiode der Etat des Bundesministers der Verteidigung so gering angestiegen ist wie in der Zeit, als Sie an der Regierung beteiligt gewesen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Wir haben den Verteidigungsminister nicht gestellt, Herr Merz! Sie waren das!)

In keiner Zeit ist der Verteidigungshaushalt so schlecht behandelt worden wie in der Zeit, in der Sie, die FDP, in der Regierung waren. Das nur mal zu den Zwischenrufen, die wir hier ständig hören.

(Christian Dürr [FDP]: Jetzt komme ich erst darauf, was Sie meinen: Als Sie den Verteidigungsminister gestellt haben! – Weitere Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

– Sie machen es mit diesen permanenten Zwischenrufen nicht nur sich selber schwerer, als es notwendig ist, sondern auch uns.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Wo waren Sie eigentlich die letzten 16 Jahre?)

– Frau Strack-Zimmermann, Sie als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses sind zu einer gewissen Zurückhaltung verpflichtet.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP])

Wenn Sie hier das Sprachrohr der Zwischenrufer aus Ihrer Fraktion werden, dann diskreditieren Sie sich selbst als Vorsitzende dieses Ausschusses, die eigentlich die wichtige Aufgabe hat, dieses Problem gemeinsam mit uns zu lösen und es nicht unnötig schwerzumachen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Wir stehen heute im Grunde genommen da, wo wir vor 40 Jahren schon einmal standen, als wir über die Nachrüstung in der NATO und in der Bundeswehr sprechen mussten. Wir hatten damals das Glück, einen Bundeskanzler Helmut Schmidt zu haben, der das gegen seine eigene Partei durchgesetzt hat. Hätte er es nicht, wäre die Geschichte nach 1982 anders verlaufen, als sie verlaufen ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und genau an dieser Stelle – genau an dieser Stelle! – stehen wir heute wieder. Wir stehen nicht nur vor einer massiven Bedrohung, sondern sehen uns einer tatsächlich eingetretenen kriegerischen Auseinandersetzung in Europa gegenüber, ausgehend von Russland, der wir jetzt etwas entgegenzusetzen haben.

Deswegen will ich hier für meine Fraktion feststellen: Wir wollen jetzt wirklich der Bundeswehr helfen.

(Saskia Esken [SPD]: Nicht nur Sie! – Zuruf von der FDP: Ach? Jetzt! – Weitere Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Lachen des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])

– Ich weiß gar nicht, was an diesem Satz falsch ist. Was bringt Sie zu solchen Reaktionen?

(Zuruf von der SPD: Der ist nicht schlecht, weil Sie jahrelang nichts gemacht haben! – Tino Chrupalla [AfD]: Weil Sie nicht da waren! 16 Jahre CDU! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 16 Jahre Kanzlerschaft Merkel bringen uns zum Lachen! – Weitere Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

– Entschuldigung, wir wollen der Bundeswehr jetzt wirklich helfen. – Noch mal: Meine Damen und Herren, wir stehen dazu; wir wollen dies. Und Sie, Herr Bundeskanzler, werden verstehen, dass wir, wenn Sie den Weg einer Grundgesetzänderung hier gehen wollen, nur unter klar vereinbarten, geregelten Vereinbarungen überhaupt erwägen, diesen mitzugehen.

Ich will Ihnen sechs Punkte sagen, wie wir uns das vorstellen können.

(Zuruf von der SPD: Hoi! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Meine Damen und Herren, Sie wollen von uns die Zustimmung zu einer Grundgesetzänderung.

(Zurufe von der SPD)

– Also, ich darf mal hier eine Feststellung treffen, weil Sie hier ständig dazwischenrufen:

(Christian Dürr [FDP]: Wir sind schuld!)

Sie bemühen sich ja vernünftigerweise um Gespräche mit uns. Wir sollen viele Dinge mit Ihnen zusammen machen. Deswegen zwei Feststellungen:

Erste Feststellung. Sie werden in Zukunft für jedes Gesetz, das Sie hier im Deutschen Bundestag verabschieden wollen, eine eigenständige Mehrheit brauchen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist nicht die Ersatzbank, von der Sie sich beliebig Ersatzspieler aufs Spielfeld holen können, wenn Sie Ihre eigene Mehrheit nicht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt für alle Vorhaben, einschließlich der Impfpflicht; damit das klar ist.

Zweite Feststellung. Wenn wir überhaupt zu einer Grundgesetzänderung kommen, dann füllen wir das in der Weise auf, dass dann eine Zweidrittelmehrheit zustande kommt. Wir werden es aber nicht so machen, dass einige von Ihnen sagen: Da machen wir nicht mit; die Union wird es schon richten. – Nein, wir richten es nicht.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Das stimmt! Sie richten es nicht!)

Sie werden mit jedem einzelnen Abgeordneten hier Ja sagen müssen zu dem, was dann mit der Grundgesetzänderung verbunden sein wird

(Zuruf von der SPD: Ja, natürlich!)

– mit jedem einzelnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das geht nur unter folgenden Bedingungen:

Erstens. Wir wollen und wir werden Sie, Herr Bundeskanzler, auf die zugesagten 2 Prozent festlegen –

(Beifall bei der CDU/CSU)

nicht 100 Milliarden, sondern 2 Prozent.

Zweitens. Die Ausgaben müssen so, wie Sie es hier gesagt haben, Investitionen in die Bundeswehr sein,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Genau!)

für nichts anderes, nur für die Bundeswehr.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie können von mir aus feministische Außenpolitik machen,

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oijoijoi! – Zurufe von der SPD)

auch feministische Entwicklungshilfepolitik – aber nicht mit diesem Etat für die Bundeswehr.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ganz genau!)

Wir schlagen Ihnen vor, dass wir begleitend ein Gesetz über die Fähigkeiten und die Finanzierung der Bundeswehr verabschieden, damit dies auch in einem einfachgesetzlichen Rahmen festgehalten wird.

Drittens. Die 2 Prozent des BIP müssen dauerhaft erreicht werden und nicht nur einmalig.

(Beifall der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])

Rein rechnerisch sind sie mit den 100 Milliarden Euro nach fünf Jahren bereits erschöpft. Wir wollen, dass über diese fünf Jahre hinaus nicht irgendwo, sondern im Kernhaushalt der Bundesrepublik Deutschland die Kernaufgabe Verteidigung mit mehr als 2 Prozent des BIP der Bundesrepublik Deutschland finanziert wird.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ihr habt 16 Jahre Zeit gehabt!)

Das ist die Voraussetzung, dass wir da überhaupt zu einer gemeinsamen Lösung kommen können.

Viertens.

(Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

Wir wollen vor der Verabschiedung wissen, welche Anschaffungen für die Bundeswehr aus den 100 Milliarden Euro denn finanziert werden sollen. Dem Gesetzentwurf zur Errichtung eines „Sondervermögens Bundeswehr“, den Sie vorgelegt und im Kabinett verabschiedet haben, fehlt die Anlage „Wirtschaftsplan“. Der Wirtschaftsplan ist nicht vorhanden. Den haben Sie noch nicht verabschiedet. Das ist in Ordnung so; das kann man wahrscheinlich zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht. Aber wir werden hier nicht einen Blankoscheck über 100 Milliarden Euro erteilen, und Sie machen anschließend damit, was Sie wollen. Das ist nicht die Arbeitsteilung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir schlagen Ihnen vor, dass es dazu ein geeignetes Begleitgremium gibt, das darüber wacht, dass dies auch tatsächlich stattfindet und dass diese Investitionen in die Bundeswehr in den nächsten Jahren auch tatsächlich erfolgen. Wir wollen in diesem Begleitgremium dauerhaft mit darüber entscheiden, wie die Investitionen der Bundeswehr umgesetzt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Fünftens – ich weiß, dass Sie so denken, Herr Bundeskanzler; deswegen will ich es gerne aufgreifen –: Wir müssen gemeinsam versuchen, das Beschaffungswesen zu ändern.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ach? – Überraschung!)

Es hat doch keinen Sinn, es so zu lassen, wie es heute ist: dass da eine Behörde in Koblenz sitzt und arbeitet, es einen Riesenrückstau in den Genehmigungen gibt und diese 100 Milliarden Euro nicht wirklich ausgegeben werden können.

(Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])

Das Beschaffungswesen muss anders organisiert werden, als es heute organisiert ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und schließlich sechstens. Meine Damen und Herren, wenn wir schon eine Ausnahme von der Schuldenbremse im Grundgesetz machen und diese mit einer Grundgesetzänderung beschließen – das ist ja der Mechanismus –, dann muss in dem Errichtungsgesetz über das Sondervermögen, das ja nur aus Schulden besteht, auch ein Tilgungsplan hinterlegt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will auf diesen Sachverhalt hinweisen, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Es kann doch wohl nicht sein, dass bei einer verfassungsgemäßen Überschreitung der Schuldenobergrenze von Verfassungs wegen ein Tilgungsplan vorgelegt werden muss, aber dann mit einer zusätzlichen Ausnahme von dieser Schuldenobergrenze, mit der noch mehr Schulden gemacht werden müssen, ein Tilgungsplan nicht erstellt wird. Das ist Ihre Vorstellung, Herr Bundeskanzler, aber nicht unsere.

(Beifall bei der CDU/CSU – Manuel Höferlin [FDP]: Sie halten eine „Man müsste mal gemacht haben“-Rede!)

Lassen Sie mich noch einmal zur Ausgangslage zurückkommen, zu dem, was Sie mit „Zeitenwende“ beschrieben haben. Wir brauchen einige Informationen. Wir hätten gern von Ihnen, Herr Bundeskanzler, gleich in Ihrem Redebeitrag hier einige Fragen beantwortet.

Die erste Frage ist: Welche Waffen hat die Bundesrepublik Deutschland denn nun eigentlich wirklich geliefert?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diese Frage müssen wir leider stellen, weil das, was da geliefert worden sein soll, unter Geheimhaltungsvorbehalt gestellt wird. Im Verteidigungsausschuss wird darüber unter Geheim informiert, soweit ich informiert bin, auch nicht sauber informiert. Es gibt Spekulationen in der Öffentlichkeit, dass das, was Sie zugesagt haben, gar nicht geliefert worden ist, und dass das, was bestellt werden könnte, entweder im Kanzleramt oder im Wirtschaftsministerium oder im Außenministerium blockiert wird und nicht genehmigt wird. Herr Bundeskanzler, es wäre gut, wenn Sie hier Klarheit schaffen

(Beifall bei der CDU/CSU)

und gleich in Ihrem Beitrag sagen, was die Bundesrepublik Deutschland liefert und was sie gegebenenfalls auch bereit ist zu bezahlen.

Wir würden dann, zweitens, gerne von Ihnen wissen: Welche Verabredungen werden eigentlich in der Europäischen Union getroffen? Es hat einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union gegeben. Sie haben darüber hier im Deutschen Bundestag nicht informiert, weder vorher noch nachher, obwohl das eigentlich gute Übung gewesen ist, dass so etwas gemacht wird. Wenn Sie das schon nicht gemacht haben, dann sagen Sie bitte heute: Wie stellt sich die Europäische Union eigentlich den Umgang mit der Volksrepublik China vor?

Ich erwähne das deshalb, weil wir doch nicht völlig außer Betracht lassen können, was dieses große Land in dieser Krise auf dieser Welt tut. Da könnte der nächste große Konflikt für die ganze Welt drohen. Was ist die Antwort der Europäer auf die Haltung der Volksrepublik China, die sich erkennbar nicht bereitfindet, hier ein klares Wort zu finden zu diesem Konflikt, zu diesem Krieg, der in der Ukraine stattfindet?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe eine weitere Frage: Herr Bundeskanzler, welche Verabredungen werden eigentlich in der NATO getroffen? Es wird ja in dieser Woche, morgen, in Brüssel einen Sondergipfel der NATO geben. Wie sehen das eigentlich die NATO-Mitgliedstaaten? Und was ist die Meinung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Regierung

(Zuruf von der LINKEN: Was ist denn eure Meinung?)

zur Haltung der Türkei? Die Türkei beteiligt sich nicht an den Sanktionen gegen Russland. Wie gehen Sie damit um? Was machen Sie? Wie wirken Sie auf die türkische Regierung ein? Und welche Haltung nimmt die NATO gegenüber ihrem Mitgliedsland Türkei ein in dieser Frage? Auch das ist doch ein Punkt, der in der Öffentlichkeit einmal dargelegt werden muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und schließlich: Weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit, Herr Bundeskanzler, hat die Bundesrepublik Deutschland zurzeit die Präsidentschaft in der G-7-Gruppe. Auch dazu soll es ja morgen einen Sondergipfel geben unter Beteiligung des amerikanischen Präsidenten. Was plant die Bundesregierung eigentlich, aus dieser Präsidentschaft heraus zu tun? Ich lese nun in einem großen Interview in der Zeitung, dass Ihr Finanzminister ein neues Freihandelsabkommen mit Amerika vorschlägt. Ist das auch Ihre Meinung, dass es sinnvoll ist, Herr Bundeskanzler, ein solches Freihandelsabkommen abzuschließen? Und wenn es Ihre Meinung ist, warum haben wir dann nicht wenigstens jetzt schon das lange ausverhandelte Freihandelsabkommen mit Kanada verabschiedet?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das liegt seit Jahren auf dem Tisch. Ihr Finanzminister redet über TTIP, ein neues Abkommen mit Amerika, und diese Fraktionen da – die SPD und die Grünen – verweigern bis zum heutigen Tag eine Verabschiedung dieses Freihandelsabkommens. Das wäre doch jetzt der richtige Zeitpunkt, ein solches Abkommen zu verabschieden, hier im Deutschen Bundestag auch zu ratifizieren, damit klar wird auf der Welt: Wir verstehen dies als Antwort. Wir geben eine klare Antwort auf diese neue Spaltung der Welt, die uns durch den Krieg in der Ukraine droht.

Herr Bundeskanzler, ich will abschließen mit folgendem Satz: Wenn Sie wirklich sagen – und wir teilen diese Einschätzung –, dass wir Zeitzeugen einer Zeitenwende sind, dann müssen Sie durch diese Zeitenwende auch sichtbar und hörbar führen. Das erwarten wir vom Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.

(Langanhaltender Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort für die Bundesregierung ergreift der Bundeskanzler Olaf Scholz.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534671
Wahlperiode 20
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