23.03.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 24 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 05

Michael Georg LinkFDP - Auswärtiges Amt

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dmitrij Muratow, der Friedensnobelpreisträger, sagte unlängst, als er auf den Krieg gegen die Ukraine angesprochen wurde, sinngemäß: Wenn der russische Generalstab angesichts des Leidens der Zivilbevölkerung von einem Vorgehen, einer Operation „nach Plan“ spricht, dann ist das an Zynismus nicht mehr zu überbieten.

Der Überlebenskampf der Ukraine betrifft auch uns unmittelbar als die dunkelste Stunde Europas seit dem Zweiten Weltkrieg. Prominente deutsche Völkerrechtler wie Otto Luchterhandt oder Christian Tomuschat sprechen von klaren Indizien für Völkermord in Mariupol und von russischen Kriegsverbrechen an vielen anderen Orten in der Ukraine. Es ist gut, dass das bald untersucht wird; die Lage ist extrem ernst. Deshalb: Danke für die engagierte Rede der Ministerin, die deutlich gemacht hat, dass wir hier kein „business as usual“ machen, dass wir Dinge neu denken, neu angehen und dass wir dort, wo sich die Wirklichkeit weiterentwickelt hat, über den Koalitionsvertrag hinausgehen. Das war ein starkes Signal Deutschlands, und da müssen wir jetzt Kurs halten.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat jetzt den zweiten Regierungsentwurf vorgelegt. Kollege Kiesewetter hat auf vieles hingewiesen, was man gerne noch zusätzlich machen könnte. Ich erinnere mich gut an frühere Haushaltsverhandlungen, in denen wir, als wir in der Opposition waren, oft auch gemeinsam genau auf diese Dinge wie das 3‑Prozent-Ziel hingewiesen haben. Wir haben es in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt. Wir bekennen uns als Koalition zu diesem 3‑Prozent-Ziel. Es ist natürlich ein Ziel, das man nicht über Nacht erreicht – genauso wenig wie das Ende der Energiekäufe –; das ist richtig.

Wir machen uns auf den Weg, und wir laden Sie ein, in den Haushaltsverhandlungen gemeinsam mit uns diesen Entwurf dort, wo wir es brauchen, auch noch zu verbessern. Wir wissen: Da muss noch einiges nachgelegt werden, und daran arbeiten wir gerne gemeinsam. Wir greifen auch gerne Vorschläge von Ihrer Seite auf, wenn wir uns im Haushaltsausschuss auf gute Vorschläge einigen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt zum Beispiel auch – die Ministerin hat es angesprochen –, da jetzt das Thema Waffenlieferungen im Mittelpunkt steht, im Bereich der Rüstungskontrolle; da haben wir gute Ideen. Wir haben auch weiter gehende Ideen zur Lösung der anderen Krisen, die aktuell nicht auf dem Bildschirm sind. An die müssen wir ebenfalls dringend denken.

Ja, in der Tat – wie oft haben wir das auch damals in der Opposition gefordert –: Wir müssen hin zum „Sondervermögen Bundeswehr“, um den transatlantischen Erwartungen der USA und übrigens auch Kanadas, also beiden transatlantischen Partnern, gerecht zu werden, die das seit langer Zeit fordern. Daran muss man immer wieder erinnern; das hat ja nicht erst Trump erfunden. Wir kommen dieser Forderung jetzt nach. Wir machen das, weil wir auch transatlantisch ein klares Signal der Verantwortung senden wollen.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ganz wichtig, dass wir jetzt weiter deutsche Signale senden, die zeigen, was man sonst noch machen kann. Ich finde es gut, dass die Bundesregierung signalisiert hat, dass Deutschland bei der neuen EU-Eingreiftruppe – darüber soll ja bald beschlossen werden – eine führende Rolle als einer der größten Truppensteller übernehmen soll. Das ist ein wichtiges Signal, und es ist ganz entscheidend, dass wir jetzt solche Signale senden. Dadurch übernehmen wir Führungsverantwortung und können zeigen, was noch mehr geht. Europa und unsere europäischen Partner warten darauf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen das aber auch dann tun, wenn es tatsächlich hart wird, und das machen wir. Der Weg der Sanktionen ist auch für uns nicht einfach; das ist klar. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit dem Ergänzungshaushalt weiter nachsteuern und dann im parlamentarischen Verfahren gemeinsam überlegen, wo wir noch nachschärfen können. Dieses Thema bleibt gerade bei der Unterstützung der Zivilgesellschaft in Osteuropa ganz entscheidend.

Damit möchte ich zum Ende kommen. Unsere Kritik an Russland ist nie eine Kritik am russischen Volk. Sie richtet sich gegen Wladimir Putin, sein paranoides Regime und gegen seine Steigbügelhalter. Umso mehr zollen wir den Tausenden Russinnen und Russen Respekt, die gegen diesen brutalen Krieg protestieren.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Über 15 000 Festnahmen mutiger Demonstranten in Russland sprechen für sich. Sie sprechen für das andere, für das europäische Russland. Ich will mit Dmitrij Muratow, dem Friedensnobelpreisträger, dem legendären Chefredakteur der „Nowaja Gaseta“, schließen. Er hat damals gesagt, als er den Preis bekam: Die Welt hat ihre Liebe zur Demokratie verloren.

Die, die heute in Russland auf die Straße gehen, die für das andere europäische Russland stehen, und die, die in der Ukraine für das Überleben des ukrainischen Staates und für ihr eigenes Überleben kämpfen, die stehen für die Liebe zur Demokratie. Ihnen gilt unser ganzer Respekt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächster erhält in dieser Debatte das Wort der Kollege Victor Perli für Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7534716
Wahlperiode 20
Sitzung 24
Tagesordnungspunkt Auswärtiges Amt
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