Stephan ThomaeFDP - Aufnahme ukrainischer Kriegsflüchtlinge
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Antrag der AfD ist keineswegs so harmlos und menschenfreundlich, wie er uns hier vorgestellt worden ist. Man hat vielmehr das Gefühl, dass, nachdem jetzt die Coronamaßnahmen auslaufen und gestern keine Impfpflicht beschlossen worden ist, der AfD die Themen ausgehen und man froh ist, jetzt endlich wieder mal das Thema Flüchtlinge zu haben, mit dem man alte Ängste schüren und wieder befeuern kann. Denn Rezept der AfD ist es ja, mit den Ängsten der Menschen Politik zu machen, indem man größtmögliche Schreckensszenarien verbreitet und Angst und Unsicherheit bei Bürgerinnen und Bürgern schürt.
(Dr. Christian Wirth [AfD]: Sie verwechseln uns mit den Grünen!)
Die AfD warnt in diesem Antrag geradezu vor einem Kontrollverlust, der an die Jahre 2015 und 2016 erinnern soll, obwohl Sie ganz genau wissen, dass die heutige ukrainische Fluchtbewegung in nichts zu vergleichen ist mit dem, was 2015 und 2016 geschehen ist.
(Beifall des Abg. Alexander Throm [CDU/CSU])
Sie wollen aber den Eindruck erwecken, dass sich Deutschland durch harte Grenzkontrollen
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ganz normale Kontrollen! Keine harten!)
und eine lückenlose Registrierung abschotten muss, weil sonst eine Flut von Trittbrettfahren, Menschenhändlern, Vergewaltigern nach Deutschland kommen könnte und über uns hereinbricht.
(Dr. Gottfried Curio [AfD]: Sagt der Bundesnachrichtendienst! – Gegenruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sagt er nicht!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ein solches Szenario mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht eintreten wird, das lässt Sie kalt; denn Sie wollen, dass solche Bilder sich in den Köpfen der Menschen verfestigen und dass irgendwelche Ängste bei den Menschen geschürt werden. Dieser Antrag verleiht sich einen philanthropischen Anstrich; aber es geht der AfD nicht um den Schutz von Flüchtenden, sondern um den Schutz vor Flüchtenden. Das ist der wahre Hintergrund Ihres Antrages, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Auch das eigentlich wichtige Thema „Erfassung und Registrierung der Ankommenden“ beträufeln Sie mit Gift; denn für Sie sind Registrierungen ein Instrument der Abschottung und der Abwehr, während es doch eigentlich darum geht, verlässliche Zahlen zu gewinnen, wie viele Menschen bei uns ankommen, Menschen welchen Alters, Männer, Frauen, damit wir einen bedarfsgerechten Schutz aufbauen können. Wir brauchen natürlich einen schnellen und unbürokratischen Überblick darüber, welche Menschen bei uns ankommen, aber nicht, um uns vor ihnen zu schützen, sondern um ein klares Bild zu gewinnen, welche und wie viele Menschen kommen, um uns besser darauf einstellen zu können, bedarfsgerechte Hilfe anzubieten, aber auch um berufliche Qualifikationen zu erfassen, etwa von Lehrerinnen und Lehrern, Ärzten, Psychologinnen und Psychologen, damit wir wissen, welche beruflichen Qualifikationen hier eventuell zum Einsatz kommen können.
Der Einsatz der PIK-Stationen soll die Registrierung ja eigentlich erleichtern. Aber dieser komplizierte Vorgang bremst momentan die Erfassung der Menschen noch ziemlich aus; ich habe mir den Vorgang vor ein paar Tagen vom Bürgermeister der Gemeinde Eichenau bei München, Peter Münster, mal erklären lassen. Es gibt Vorschläge, die Registrierung zu vereinfachen, damit wir schneller ein klares und verlässliches Bild gewinnen können. Ich bin, Herr Staatssekretär, sehr dankbar, dass das Haus diese Vorschläge aufnimmt, damit wir die Registrierung beschleunigen können und nicht abbremsen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, die AfD sieht in der Flucht der Menschen aus der Ukraine wieder mal in erster Linie eine Sicherheitsgefahr, wohingegen wir zunächst mal unsere humanitären Verpflichtungen sehen. Politisch Verfolgte, Menschen, die vor Krieg flüchten, finden bei uns Schutz und Sicherheit. Sie sind für uns, anders als für Sie, keine lästige Bürde, die wir schnellstmöglich wieder loswerden wollen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, ich will die restliche Redezeit nutzen, um Ihren Antrag auch einmal in den Kontext Ihres bisherigen Umgangs mit dem Überfall Putins auf die Ukraine zu setzen. Wir werden nämlich täglich Zeugen davon, wie die AfD hier unsägliche Desinformationen und Propaganda des Kremls verbreitet. Diese Propaganda fällt bei Ihnen auf fruchtbaren Boden, und Sie verbreiten die in Deutschland weiter. Trauriger Höhepunkt war die auch von Ihnen verbreitete Anzweiflung der Authentizität der Bilder aus Butscha, an der sich Mitglieder Ihrer Partei beteiligt haben. Ich finde das unsäglich, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das dürfen wir bei uns nicht tolerieren – nicht in diesem Land, nicht in diesem Parlament.
Dass hier Propaganda für Russland gemacht wird, zeigt einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, dass Ihre Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
(Helge Lindh [SPD]: O ja!)
Dazu gehören auch die Geldströme aus Russland in Richtung Ihrer Partei.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn eines muss uns – und damit komme ich zum Schluss – immer bewusst sein: Wir stehen auf der Seite der Menschen in der Ukraine, aber es sitzen hier mitten unter uns Freunde Russlands, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Thomae. – Ich bin darum gebeten worden, darauf hinzuweisen, dass die Gespräche in der CDU/CSU-Fraktion, wahrscheinlich durch die Masken bedingt, relativ laut sind und andere Kolleginnen und Kollegen im Hause stören. Deshalb bitte ich darum, das vielleicht etwas einzustellen.
Nächster Redner ist der Kollege Alexander Hoffmann, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535408 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 29 |
Tagesordnungspunkt | Aufnahme ukrainischer Kriegsflüchtlinge |