Stephan StrackeCDU/CSU - Mindestlohn - geringfügige Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter Führung der Union in der Kanzlerschaft von Angela Merkel haben wir den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland zum 1. Januar 2015 eingeführt.
(Bernd Rützel [SPD]: Und in Bayern plakatiert dagegen!)
Wir haben dies in dem Bewusstsein getan, dass gute Arbeit in Deutschland auch fair entlohnt werden muss. Dort, wo der tarifvertragliche Schutz nicht oder nicht hinreichend ausgebildet ist, braucht es eine angemessene Lohnuntergrenze, um zu verhindern, dass der Wettbewerb zwischen Unternehmen auf dem Rücken von Beschäftigten ausgetragen wird. Wir wollen auch dafür sorgen, dass man von dem Lohn tatsächlich leben kann.
(Zuruf von der SPD: Dann stimmen Sie mal zu!)
Der Mindestlohn hat sich bewährt. Durch die Beschlüsse der Mindestlohnkommission liegt die Höhe des Mindestlohns aktuell bei 9,82 Euro; sie steigt zum 1. Juli dieses Jahres weiter an auf 10,45 Euro,
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Versuchen Sie mal, einen Monat damit zu leben!)
und nun soll der Mindestlohn auf 12 Euro erhöht werden. Dies erfolgt nicht auf der Grundlage der Beschlüsse der Mindestlohnkommission, sondern durch eine politische Setzung des Gesetzgebers.
Ich will an dieser Stelle ganz klar sagen: Ein Mindestlohn von 12 Euro ist angemessen, und er ist richtig.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
12 Euro sind eine wichtige Unterstützung von Menschen mit geringen Einkommen.
(Zuruf von der SPD: Punkt!)
6 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren davon.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben wir ihn dann nicht schon lange?)
Der Minister hat darauf hingewiesen: Es sind überwiegend Frauen. Sie sind es ja, die infolge von Mehrfachbelastungen, der Schwierigkeit, Familie und Beruf in Einklang zu bringen, häufiger im Niedriglohnbereich beschäftigt sind und deshalb auch niedrige Renten haben.
Zugleich bleibt aber auch der Hinweis richtig, dass wir in einer sozialen Marktwirtschaft wie der unsrigen keine politische Lohnfindung wollen;
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Deshalb müssen wir die Tarifautonomie stärken!)
das lehnen wir ab.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wenn es doch richtig ist, wie Sie sagen!)
Ein Überbietungswettbewerb bei der Höhe von Löhnen, meistens ja dann zu Wahlkampfzeiten vorgetragen, ist brandgefährlich. Ein solcher Wettbewerb schwächt die Sozialpartnerschaft. Wir brauchen jedoch starke Arbeitgeber und starke Gewerkschaften, und wir dürfen sie nicht beschädigen. Letztendlich würde ein solcher Überbietungswettbewerb, wenn er auf Dauer ausgetragen würde, zulasten der Schwächsten am Arbeitsmarkt gehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Denn sie sind es, die letztendlich durch neue Barrieren am Eintritt in den Arbeitsmarkt gehindert werden. Wir brauchen jedoch nicht neue Hürden, sondern weniger.
Wir wollen auch, dass der erhöhte Mindestlohn von 12 Euro tatsächlich bei den Menschen ankommt, und zwar dauerhaft. Für eine vollzeitbeschäftigte Arbeitskraft mit 40 Stunden beispielsweise bedeutet die Erhöhung ein Einkommensplus von brutto 270 Euro. Sie verdient rund 15 Prozent mehr als bei einer Mindestlohnhöhe von 10,45 Euro, muss aber 48 Prozent mehr Steuern zahlen. Im Verhältnis muss sie also mehr Steuern zahlen als vorher.
Ursache dafür ist die Gestaltung des Steuertarifs; wir nennen das auch „kalte Progression“. Die kalte Progression müssen wir in diesem Bereich verhindern, damit die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro tatsächlich bei den Menschen ankommt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die kalten, klammen Hände des Bundesfinanzministers dürfen sich nicht tief in die Taschen der Geringverdiener hineingraben. Hier ist die Bundesregierung gefordert,
(Pascal Kober [FDP]: Was habt ihr denn gemacht?)
aktiv zu werden, den Effekt der kalten Progression abzumildern. Das bleiben Sie aber schuldig. Wir brauchen mehr Netto vom Brutto. An dieser Stelle liefert die Bundesregierung nicht, und das ist etwas, was wir bemängeln und auch klarmachen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein zweiter Effekt, der hinzukommt, ist der der steigenden Sozialbeiträge. Die Entwicklung der Abgabenlast kennt bei dieser Koalition absehbar nur eine Richtung, und zwar die nach oben. Bei der Krankenversicherung – es fehlen rund 17 Milliarden Euro für 2023 –, bei der Pflegeversicherung – auch da ein Defizit –, bei der Rente und bei der Arbeitslosenversicherung sind Erhöhungen entsprechend angekündigt. Es droht auf der ganzen Breite ein Beitragssatztsunami. Auch hier ist die Bundesregierung gefordert, die Sozialbeiträge stabil zu halten; denn sie sind es letztendlich, die in besonderem Maße Geringverdiener belasten.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hilft ja der Mindestlohn! Da kommen ja mehr Sozialversicherungsbeiträge rein!)
Wir als Union haben dies mit unserer Sozialgarantie von 40 Prozent gemacht. Diese Koalition bleibt diesen Ansatz schuldig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein dritter Effekt kommt hinzu. Das ist der massive Kaufkraftverlust, den wir derzeit erfahren: 7 Prozent in diesem Monat.
(Yasmin Fahimi [SPD]: Deswegen müssen wir den Mindestlohn ja erhöhen!)
Das merken wir bei den Grundnahrungsmitteln, bei den Spritpreisen, bei den Heizkosten. Auch das belastet natürlich gerade Bezieherinnen und Bezieher von geringen Einkommen in massiver Art und Weise. Auch da muss diese Koalition mehr tun, als sie es tatsächlich macht.
(Zuruf des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und auch hier ist der Ansatz wieder die Steuer. Hier können Sie zeigen, dass Sie tatsächlich dafür Sorge tragen, dass die Erhöhung auf 12 Euro Mindestlohn bei den Menschen ankommt.
(Beifall des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU])
Von der Mindestlohnerhöhung sollen auch diejenigen profitieren, die in einem Minijob beschäftigt sind. Es ist richtig, dass dies getan wird. Nötig und richtig ist auch, dass dies dynamisiert wird. Sie gehen auch eine Teilzeitfalle an, nämlich den Übergang zwischen Minijob und Midijob. Aber das, was Sie tun, ist nicht die Lösung. Auch da müssen Sie an das Steuerrecht heran, um die Teilzeitfalle tatsächlich wirksam zu beseitigen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen wir! Keine Sorge, kommt noch! – Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Herr Kollege.
Es bleibt für diese Koalition viel zu tun, um es richtig zu machen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Stracke. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Frank Bsirske, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535609 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 31 |
Tagesordnungspunkt | Mindestlohn - geringfügige Beschäftigung |