Christian LeyeDIE LINKE - Aktuelle Stunde zu der von der Bundesregierung angekündigten Kehrtwende bei Energiepreisen
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Energiepreise gehen durch die Decke, allein Heizöl und Kraftstoffe sind um 63 Prozent teurer geworden. Die jährlichen Energiekosten für einen Familienmusterhaushalt sind im März um 80 Prozent gestiegen. Das sind über 3 200 Euro obendrauf. Können Sie sich vorstellen, was 3 200 Euro zusätzlich für einen Musterhaushalt bedeuten? Eines kann ich Ihnen sagen: Der Musterhaushalt verdient nicht so gut wie wir hier, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Schon im Februar hatten 80 Prozent der Menschen draußen im Land Angst vor der nächsten Heizkostenabrechnung. Daher sage ich Ihnen: Der Bundestag darf den sozialen Sprengstoff nicht unterschätzen, der im Anstieg der Energiepreise liegt. Das Konzept „die Mittelschicht und die kleinen Leute zahlen, und oben knallen die Sektkorken“ wird in dieser Krise nicht funktionieren. Wir brauchen jetzt eine Zeitenwende für mehr soziale Gerechtigkeit, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN)
Was machen eigentlich andere Staaten gegen die hohen Energiepreise? In der sonst so wirtschaftsliberalen Schweiz gibt es seit Jahrzehnten das Amt des Preisüberwachers, der im Extremfall Preisvorgaben per Verordnung durchsetzen kann.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hört! Hört!)
In Italien kontrolliert die Finanzpolizei die Preise für Strom, Öl und Gas, und zwar vom Einkauf über die Produktion bis zum Verkauf. Und warum? Damit Spekulanten keine Kasse machen können!
(Beifall bei der LINKEN)
Und in Frankreich reguliert der Staat die Strompreise. Die französische Regierung hat den Anstieg der Energiepreise beim staatlichen Stromkonzern auf 4 Prozent gedeckelt. Zum Vergleich: Bei uns stiegen die Strompreise in der gleichen Zeit um 23 Prozent. 4 Prozent zu 23 Prozent, den Unterschied merken Sie selber, oder?
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Konrad Stockmeier [FDP])
So, und was tut unsere Politik gegen die steigenden Preise? Ein hochbezahlter Ex-Politiker gab die Parole „Frieren für die Freiheit“ aus. Eines sage ich Ihnen: Er wird nicht frieren, wenn die Preise weiter steigen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es!)
Minister Habeck gab Energiespartipps und kommentierte: „Das schont den Geldbeutel und ärgert Putin“. Das Bundeskartellamt schießt den Vogel ab und rät wegen Monopolpreisen an Autobahntankstellen dazu, zum Tanken von der Autobahn abzufahren. Heidewitzka! Vielleicht wäre es die Aufgabe des Kartellamtes gewesen, Monopolpreise zu verhindern, anstatt solche Geheimtipps auszuarbeiten.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist ja ein Witz: Woanders reguliert die Politik die Energiepreise, und bei uns werden Energiespartipps und Durchhalteparolen von gut bezahlten Politikern an weniger gut bezahlte Haushalte durchgegeben. Wir sagen daher: Das Problem muss bei der Wurzel gepackt werden. Der Staat ist jetzt gefordert, Mondpreise bei der Energie so weit es geht zu verhindern.
(Beifall bei der LINKEN)
Das fängt damit an, dass Strompreise eben auch an der Börse gebildet werden. An der Börse gibt es das Merit-Order-Prinzip. Wie funktioniert das? Das teuerste Gaskraftwerk gibt den Preis für alle anderen Kraftwerke vor.
(Zuruf des Abg. Michael Kruse [FDP])
Das teuerste Kraftwerk gibt den Preis für alle anderen, billigeren Kraftwerke vor, und das mitten in einer Energiepreiskrise. Was für ein Wahnsinn – außer für die Kraftwerksbetreiber, für die gerade Party ist, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Der freie Markt regelt das gerade nicht. Deswegen sagen wir: Es braucht eine staatliche Preiskontrolle. Und das geht, wenn man will; denn das gibt es in Deutschland schon, und zwar beim Netzentgelt. Da funktioniert der Markt auch nicht, und deswegen kontrolliert der Staat die Preise. Wie macht er das? Er lässt sich die Betriebskosten auf den Tisch legen. Dann wird eine Profitmarge festgesetzt, die natürlich nicht durch die Decke geht. So werden Mondpreise verhindert. Wenn wir schon ein solches Instrument haben, warum wird das dann hier nicht angewandt? Wir sagen: Deckeln Sie die Energiepreise jetzt! Das wäre vernünftig und gerecht.
(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Bei den Medikamenten geht’s ja auch! – Michael Kruse [FDP]: Stimmt, die Kosten gehen durch die Decke bei dieser Form von Regulierung! Sie haben von Regulierung ja überhaupt keine Ahnung!)
– Ich höre hier Widerspruch. Ich denke, das liegt daran, dass sich das wie eine halbe Verstaatlichung anfühlt, weil es ja auch eine halbe Verstaatlichung ist.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)
Das ist in Ordnung, das ist okay.
(Dr. Lukas Köhler [FDP]: „Das ist okay“ ist noch nie ein Argument gewesen!)
Energieversorgung ist Daseinsvorsorge.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir merken doch gerade: Die Liberalisierung der Energiemärkte war ein Fehler. Das ist wie bei den Krankenhäusern. Das liberalisiert man einfach nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn die Bevölkerung für die Topprofite von einigen wenigen so hohe Stromrechnungen zahlen muss, dann ist das einfach falsch.
Wir sagen Ihnen: In der Krise des Kapitalismus hilft nicht noch mehr Markt. Dann braucht es eine Regierung, die sich mutig vor ihre Bürgerinnen und Bürger stellt und sich mit den Konzernen anlegt. So geht Gerechtigkeit in der Krise.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Leye. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir freuen uns, dass wir auch mal wieder einen Vertreter des Bundesrates unter uns haben.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: So ein Zufall! Landtagswahl in NRW!)
Nun bekommt das Wort der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, Professor Andreas Pinkwart.
(Beifall bei der FDP – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Die SPD klatscht ja gar nicht!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535657 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 31 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu der von der Bundesregierung angekündigten Kehrtwende bei Energiepreisen |