Kerstin ViereggeCDU/CSU - Jahresbericht 2021 der Wehrbeauftragten
Sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Sehr geehrte Angehörige der Bundeswehr! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten 63 Tagen haben wir hier im Bundestag so oft und intensiv über die Bundeswehr gesprochen wie schon lange nicht mehr. Das ist auch gut so; denn wir als Parlamentarier haben unseren Soldatinnen und Soldaten gegenüber eine besondere Verantwortung. Lippenbekenntnisse und große Ankündigungen reichen nicht. Taten müssen zählen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Brandner [AfD]: So wie die letzten 16 Jahre! Super Idee!)
Jahr für Jahr zeigt der Bericht der Wehrbeauftragten schonungslos den Istzustand der Bundeswehr auf. Er hält schwarz auf weiß fest, wie es wirklich um die Truppe steht. Ihr Bericht, Frau Dr. Högl, dient uns allen als wertvolle Einordnung. Hierfür danke ich Ihnen sowie Ihrem gesamten Team.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auf 176 Seiten werden viele Themen angerissen, zahlreiche davon, wie zum Beispiel die finanzielle Ausstattung der Bundeswehr, die ausbaufähige Einsatzbereitschaft und mangelnde Infrastruktur, haben wir in den letzten Wochen hier im Parlament bereits intensiv diskutiert. Die heutige Debatte gibt uns folglich die Möglichkeit, die Themen anzusprechen, welche in der letzten Zeit zu kurz gekommen, aber nicht minder wichtig sind.
Aber lassen Sie mich vorher anmerken: Auch wenn die Regierungsparteien der Union Untätigkeit in den letzten Legislaturperioden vorwerfen: Die 2015 angestoßenen Trendwenden zeigen schon länger erste Erfolge. Wir waren auf einem guten Weg, und die Weichen wurden richtig gestellt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Doch die sicherheitspolitische Rahmenlage hat sich grundlegend verändert. Deshalb muss dieser Kurs nicht nur konsequent und zielgerichtet weiterverfolgt werden, sondern bedrohungsgerecht intensiviert werden.
Genau deshalb ist es unerlässlich, dass die Bundesregierung die angekündigte Zeitenwende durchzieht und konsequent umsetzt. Doch Signale aus der Koalition zeichnen ein anderes Bild. Der zweite Regierungsentwurf für den Einzelplan 14, die stagnierende mittelfristige Finanzlinie für den selbigen, die Infragestellung der Zweckgebundenheit des Sondervermögens und letztlich auch der Hickhackkurs der Regierung bei der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine sind hierfür nur einige Beispiele.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der FDP)
Selbst ein neutraler Beobachter würde zur Schlussfolgerung kommen, dass die Zeitenwende leider immer noch nicht in den Köpfen aller Kollegen in der Ampelkoalition angekommen ist.
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Sehr richtig! Sehr richtig!)
Es ist immer wieder beeindruckend, was unsere Soldatinnen und Soldaten – allen geschilderten Widrigkeiten zum Trotz – geleistet haben und weiterhin tagtäglich leisten. Das Engagement unserer Bundeswehr war im Berichtsjahr 2021 so vielfältig wie selten zuvor. Dazu zählen unter anderem die erfolgreiche Evakuierung von insgesamt 5 347 Personen vom Kabuler Flughafen, über 17 Millionen abgeleistete Arbeitsstunden von Soldatinnen und Reservistinnen sowie Soldaten und Reservisten im Rahmen der Coronaamtshilfe sowie die unverzüglich erfolgten Einsätze in den vom Jahrhunderthochwasser betroffenen Flutgebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Noch nie war die Bundeswehr so sichtbar wie im vergangenen Jahr. Erneut hat uns die Bundeswehr bewiesen, dass wir uns stets auf sie verlassen können. Dies ist auch in der breiten Gesellschaft so wahrgenommen worden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Verwerfungen im sicherheitspolitischen Gefüge haben zur Folge, dass wir von jedem einzelnen unserer Soldaten in den kommenden Jahren noch mehr verlangen werden müssen, als wir es ohnehin schon tun.
(Zuruf von der AfD: Von den Soldatinnen auch!)
Eine einsatzbereite und kaltstartfähige Bundeswehr benötigt aber nicht nur moderne Ausstattung und Material. Besonders in der jetzigen Situation müssen wir alle darauf achten, dass wir die Lebenswirklichkeit und die sozialen Belange unserer Soldatinnen und Soldaten in unseren parlamentarischen Debatten nicht zu kurz kommen lassen; denn auch die Verteidigungspolitik hat eine soziale Dimension.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Viele mögen Soldatin bzw. Soldat nicht einfach nur als Beruf ansehen, sondern als Berufung. Unabhängig von dieser Selbst- und Fremdwahrnehmung sind unsere Frauen und Männer in Uniform Menschen mit ihrer ganz eigenen Lebenswirklichkeit. Ob diese geprägt ist von Lebenspartnerschaften, dem Eheleben, Kindern oder sonstigen Faktoren, spielt eigentlich keine Rolle. Der Dienst in der Bundeswehr hat nicht nur einen prägenden Einfluss auf die Lebensumstände jeder Soldatin und jedes Soldaten, sondern auch auf deren unmittelbares Umfeld und auf Angehörige. Jedes uniformierte Mitglied der Bundeswehr sowie dessen Angehörige sind sich bewusst, wie geladen das Spannungsfeld zwischen Familie und Dienst ist. Die für die Landes- und Bündnisverteidigung so wichtige Kaltstartfähigkeit wird dieses Spannungsfeld noch verstärken. Planbare Auslandseinsätze, die durch eine lange Vorlaufzeit Vorkehrungen für die eigene Abwesenheit ermöglichen, sind eben genau das Gegenteil von Kaltstartfähigkeit. Hier reden wir über die nicht planbare kurzfristige Mobilisierung und Verlegung von Tausenden Soldaten auf unbestimmte Zeit mit sehr kurzer Vorwarnzeit.
Die Betreuungs- und Fürsorgeangebote für Angehörige von Bundeswehrsoldaten sind gut, aber nicht im Ansatz für solche Größenordnungen ausgelegt. Was bedeutet das konkret? Was bedeutet das für die Offizierin, die zu Hause ihren Vater pflegt? Was bedeutet das für den Feldwebel, dessen zwei Kinder noch intensiv betreut werden müssen und dessen Frau voll berufstätig ist? Und das sind nur zwei von rund 184 000 uniformierten Bundeswehrangehörigen, für die wir eine Antwort haben müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es muss über den materiellen Aspekt der Einsatzbereitschaft hinaus auch immer der personelle Aspekt der Einsatzbereitschaft mitgedacht werden. Dazu gehört nicht nur Betreuung und Fürsorge im Einsatzland, sondern auch für die im Heimatland befindlichen Angehörigen und Familien. Dies ist keinesfalls nur für den momentanen Personalbestand der Bundeswehr von Relevanz, sondern wird sich auch maßgeblich auf die Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber für das dringend benötigte, neu anzuwerbende Personal auswirken. Wenn wir mehr von unseren Soldatinnen und Soldaten jetzt und in der Zukunft verlangen werden, dann ist es unabdingbar, dass wir auch bessere soziale Rahmenbedingungen schaffen, in denen sie ihren Dienst entsprechend ausüben können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch aus diesen Gründen sind wir als Union davon überzeugt, dass eine nachhaltige und dauerhafte Erhöhung des Einzelplans 14 zusätzlich zum Sondervermögen dringend notwendig ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen in Gesamtkonzepten denken, das heißt, die weniger offensichtlichen Implikationen des eingeschlagenen Weges zu berücksichtigen und adäquat zu adressieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Merle Spellerberg.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7535776 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 32 |
Tagesordnungspunkt | Jahresbericht 2021 der Wehrbeauftragten |