12.05.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 34 / Tagesordnungspunkt 9

Thomas JarzombekCDU/CSU - Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes

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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist die Gelegenheit, der Ministerin heute gleich mehrfach zu gratulieren: erstens zum Geburtstag, zweitens allerdings auch dazu, dass wir jetzt, nach über fünf Monaten Regierungszeit, die erste Gesetzesvorlage aus Ihrem Hause bekommen haben.

(Ria Schröder [FDP]: Jawoll!)

Es ist allerhand in den letzten fünf Monaten angekündigt worden. Ich gebe es offen zu: Irgendwann wird man dessen auch etwas müde. So wurde zum Beispiel erklärt: Bis Ende März wollen wir den Digitalpakt beschleunigen. – Das Startchancen-Programm wurde hier immer wieder erklärt. Es soll ein Digitalpakt 2.0 kommen bis zum Jahresende; so lese ich es auch in Interviews. Damit geht eine Grundgesetzänderung einher. Ich weiß nicht, wie viel wir schon über das Thema DATI gesprochen haben, das jetzt noch in monatelange Konsultationen geht. Ganz ehrlich: Ich finde, diese Bilanz ist fünf Monate nach der Vereidigung für ein Ressort, das von einer Ministerin aus einer unternehmensorientierten Partei geführt wird, keine wirkliche Performance.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])

Umso mehr gratuliere ich Ihnen dazu, dass Sie heute etwas vorgelegt haben. Aber auch das ist eben nicht der große Wurf, von dem einige Rednerinnen und Redner hier so superpathetisch geredet haben, und die krasseste Erhöhung von irgendetwas.

(Ria Schröder [FDP]: Die krasseste Erhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik!)

Ganz ehrlich: Das, was Sie hier machen, ist nichts anderes als das Fortsetzen der Kontinuität. Wir haben das BAföG erhöht 2008, 2010, 2016, 2019 und 2020. Und wenn die Kollegin Rosenthal hier ernsthaft erklärt, wir hätten in der letzten Legislaturperiode nichts gemacht, dann empfehle ich Ihnen, noch einmal nachzugucken, was hier gemacht worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: Zu wenig! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Gruppe der Beziehenden wurde immer kleiner!)

- „Zu wenig“ heißt: Wir haben das Wohngeld um 30 Prozent erhöht. Sie erhöhen jetzt um nur 10 Prozent. Wir haben eine Inflation von über 7 Prozent. Sie erhöhen die Bedarfssätze um nur 5 Prozent. Die Studierenden sind bei den Entlastungspaketen vergessen worden. Lieber Kollege Kaczmarek, wenn Sie ernsthaft sagen, die Studierenden profitierten vom 9‑Euro-Ticket, obwohl sie ein Semesterticket haben, dann sind das doch Fake News, die hier verbreitet werden.

(Oliver Kaczmarek [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Sie haben doch keine Ahnung! – Sönke Rix [SPD]: Wissen Sie eigentlich, was ein Semesterticket kostet?)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Immer. Von wem?

Von Frau Seitzl aus der SPD-Fraktion.

Ja, gerne.

Herr Kollege Jarzombek, weil ich das jetzt doch des Öfteren aus Ihrer Fraktion gehört habe und es auch in der vorherigen Debatte so gesagt wurde: Haben Sie verstanden, dass es in den Entlastungspaketen nicht nur um das 9‑Euro-Ticket geht, sondern auch darum, dass BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger einen Heizkostenzuschuss von 230 Euro bekommen, dass drei Viertel der Studierenden einer Nebenerwerbstätigkeit nachgehen und dadurch die Energiepreispauschale von 300 Euro bekommen und dass es mitnichten so ist, dass die Studierenden bei den Entlastungspaketen vergessen wurden?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kollegin, wir werden ja genau sehen, wie viel die Studierenden am Ende aus diesen Bereichen wirklich bekommen werden. Wenn Sie an dieser Stelle den Hinzuverdienst nennen, kann ich Ihnen nur sagen: Das ist etwas, was in dieser BAföG-Reform überhaupt nicht angefasst wurde. 290 Euro ist die Grenze. Das war schon vorher so und wird auch in Zukunft so sein. Und jetzt kommt der Mindestlohn hinzu. Die Inflation kommt obendrauf. Sie ermöglichen mit dieser Novelle niemandem, mehr hinzuzuverdienen.

Die Beträge, die jetzt im Zusammenhang mit der Erhöhung des Wohnkostenzuschusses genannt worden sind, reichen in Städten wie Düsseldorf, Berlin, Köln, Hamburg oder München typischerweise nicht, um am Ende eine Wohnung zu finanzieren. Und der Anspruch, mit dem Sie hier ans Werk gehen, ist nicht der, den zum Beispiel Ihre Freunde in der Gewerkschaft haben. Der DGB hat klar erklärt, dass man jetzt eigentlich für alle Studierenden das BAföG um 150 Euro erhöhen müsste. Das bleiben Sie ihnen aber schuldig.

Ich will auf einen entscheidenden Punkt Ihrer großen Reform, die immer angekündigt wird, zu sprechen kommen: Ist das BAföG eigentlich eine Sozialleistung – ja oder nein? Ist es elternunabhängig – ja oder nein? Um diese Entscheidung haben Sie sich herumgemogelt. Die haben Sie heute einfach noch nicht getroffen. Ich bin froh, dass die Ministerin im Fernsehen gesagt hat, dass das BAföG eine Sozialleistung bleibt. Aber wenn das BAföG eine Sozialleistung bleibt, dann kann es nicht elternunabhängig werden. Diesen Widerspruch werden Sie irgendwann auflösen müssen, und ich bin sehr gespannt, wie es läuft.

Ich möchte Ihnen gerne noch eine Zahl nennen, die mir wichtig ist, weil wir in der Debatte immer wieder gehört haben, dass die Anzahl der BAföG-Beziehenden zurückgegangen ist. Ich erkläre Ihnen auch genau, warum. Das Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland ist durch die Politik, die wir hier 16 Jahre lang gemacht haben, nur in den letzten zehn Jahren, von 2011 bis zum Coronajahr 2021, von 34 000 Euro pro Kopf auf 44 000 Euro pro Kopf gestiegen.

(Sönke Rix [SPD]: Und die Lebenshaltungskosten?)

– Nein, die Lebenshaltungskosten sind in den letzten Jahren nicht entscheidend gestiegen. Teilweise gab es ja sogar Deflationsängste. Der Benzinpreis lag teilweise bei 1 Euro.

Also: Wir haben das Pro-Kopf-Einkommen von 34 000 auf 44 000 Euro gesteigert. Das hat dazu geführt, dass viele keine Sozialleistungen mehr gebraucht haben. Das ist kein Problem, sondern das ist ein Erfolg unserer Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden in der nächsten Woche eine Anhörung haben. Ich bin gespannt, was die Sachverständigen zu all diesen Dingen sagen. Ich bin gespannt, wie sie das Thema Elternunabhängigkeit auflösen werden. Ich sage Ihnen nur eins: Am Ende werden die Leute sagen, diese Reform sei ja ganz nett. Doch „ganz nett“ reicht nicht. Besser ran den Speck.

Alles Gute.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Ye-One Rhie, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7536050
Wahlperiode 20
Sitzung 34
Tagesordnungspunkt Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
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