Andrea LindholzCDU/CSU - Justiz, Bundesverfassungsgericht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Bundesjustizministeriums, um den es heute geht, ist einer der kleinsten Einzelpläne, aber er ist ein sehr bedeutender Einzelplan. Denn ein funktionierender und gut ausgestatteter Rechtsstaat ist eine zentrale Säule unserer Demokratie.
Die Bundesregierung hat im Justizbereich viele große Maßnahmen und Reformen angekündigt. Aber Konkretes geliefert und vor allen Dingen zügig auf die Herausforderungen dieser Zeit reagiert hat sie noch nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das zeigt sich unter anderem bei der Umsetzung der EU-Sanktionen gegenüber Russland, beim Schutz vor Kindesmissbrauch und beim Umgang mit dem Pakt für den Rechtsstaat.
Der Pakt für den Rechtsstaat zwischen Bund und Ländern stammt aus der letzten Wahlperiode. Damals hat der Bund 220 Millionen Euro an die Länder gezahlt. Diese haben im Gegenzug rund 2 000 Stellen für Staatsanwälte und Richter geschaffen. Unser Anreiz hat damals Wirkung gezeigt.
Sie selbst, lieber Herr Buschmann, haben den Pakt hier im Bundestag im Mai noch als leuchtendes Beispiel für eine parteiübergreifende Zusammenarbeit gelobt, und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, haben korrekter- und richtigerweise im Koalitionsvertrag auch eine Verstetigung der Mittel vorgesehen. Diese Mittel sind nötig. Daneben ist es auch nötig, dass wir den Digitalpakt bekommen; Herr Kollege Dr. Grün hat das in seiner vorangegangenen Rede angesprochen. Ich möchte das hier noch einmal nachdrücklich unterstützen.
Im „Spiegel“ werden Sie, lieber Herr Minister, am 20. Mai von Ihren eigenen Ampelkollegen kritisiert. Man unterstellt Ihnen mangelndes Interesse. Ich darf Ihnen zurufen: Sehen Sie zu, dass der Pakt für den Rechtsstaat – auch für die Länder – fortgesetzt wird. Sie haben im Einzelplan hierfür keine Mittel vorgesehen, auch nicht für den Digitalpakt. Das ist sehr enttäuschend.
(Esther Dilcher [SPD]: Er stand auch letztes Mal nicht im Haushalt!)
Sie hatten ein Einsehen beim Generalbundesanwalt. Die Personalaufstockungen und den Aufbau der beiden Referate zur Strukturermittlung wegen Kriegsverbrechen begrüßen wir ausdrücklich. Auch Ihr Lob an den GBA und sein Team ist mehr als gerechtfertigt. Wir sind damit Vorbild in ganz Europa. Aber, lieber Herr Bundesminister, es reicht nicht, das Personal aufzustocken. Es muss auch mit Mitteln unterlegt werden. Das fehlt, und deshalb bleibt der Etat des Generalbundesanwaltes unterfinanziert. Das halten wir für einen erheblichen Fehler.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Zögern der Bundesregierung bei der Umsetzung der EU-Sanktionen gegenüber Russland verwundert uns nach wie vor. Um ihre Wirkung zu entfalten, müssen diese Sanktionen in Deutschland schnell und wirksam umgesetzt werden. Und Sie, lieber Herr Buschmann, haben hier in der Regierungsbefragung am 11. Mai mitgeteilt: Wir, die Bundesregierung, tun alles, was wir können.
Mit dem Mitte Mai beschlossenen Sanktionsdurchsetzungsgesetz der Ampel haben Sie aber gerade nicht alles getan, was Sie können. Oligarchen dürfen weiterhin ihre Immobilien, Schiffe und Autos, die sozusagen eingefroren sind, bei uns nutzen. Die Verantwortung für die Durchsetzung haben Sie den Ländern und Kommunen aufs Auge aufgedrückt, wobei wir alle genau wissen, dass sie dazu effektiv nicht in der Lage sind. Das muss der Bund erledigen. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der selbsternannten Fortschrittskoalition: Fortschritt sieht anders aus.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir können uns hier ein Beispiel an Italien nehmen. Wir hatten in dieser Woche die italienische Justizministerin zu Gast im Rechtsausschuss. Italien hat 1,8 Milliarden Euro bereits eingefroren. Italien hat bereits Ende März notwendige gesetzliche Änderungen vorgenommen. Italien ist beispielgebend auch bei der Sanktionsdurchsetzung in ganz Europa und für Europa. Die Europäische Kommission erarbeitet aktuell einen Vorschlag zu einem einheitlichen und härteren Vorgehen bei der Durchsetzung der Sanktionen und der Ahndung von Sanktionsverletzungen. Und ich hätte mir gewünscht, dass solcher Fortschritt und solche Initiativen aus Deutschland und vom deutschen Justizminister kommen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Lieber Herr Kollege Buschmann, noch ein ganz zentrales Thema, das mir ganz besonders am Herzen liegt und das ich mit weniger Schaum vorm Mund vortragen möchte, als Sie das vorhin getan haben. Es geht um nichts anderes als um den Kampf gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich bin als Mutter noch etwas erschüttert über Ihren Auftritt gerade eben. Wir wissen, dass sich die Zahlen in diesem Bereich – die aktuellen Zahlen des BKA liegen vor – verdoppelt haben. Wir hatten erst Anfang der Woche erneut einen schockierenden Fall aus Wermelskirchen in Nordrhein-Westfalen. Wir wissen, dass wir in den letzten fünf Jahren 19 150 Hinweise in diesem Bereich, die wir aus den USA bekommen haben, in Deutschland nicht aufklären konnten. Wir wissen – genauso wie die Ermittler –, dass die IP-Adressen oft der einzige Hinweis auf den Täter sind.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel: Ja, die gesetzliche Grundlage zur Vorratsdatenspeicherung muss geändert werden. Ich bin der Bundesinnenministerin sehr dankbar, dass sie erst gestern gesagt hat, sie wolle die Speicherung von IP‑Adressen verlangen. Ich darf Sie ganz herzlich darum bitten – Sie müssen jetzt ja eine Veränderung vornehmen –: Sorgen Sie dafür, dass die IP‑Adressen gespeichert werden dürfen, und zwar nicht im Rahmen Ihrer Placebolösung mit dem Quick-Freeze-Verfahren, sondern generell für einen bestimmten Zeitraum, anlasslos, wie es uns der EuGH zugebilligt hat. Sie müssen nicht länger abwarten. Die Stellungnahme des EuGH ist klar. Wir können jetzt handeln, und wir müssen nicht noch Wochen weiter warten. Datenschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf nicht zum Täterschutz werden.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Bingo!)
Kindesmissbrauch ist eines der schlimmsten Verbrechen, die es in unserem Land gibt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zu guter Letzt will ich noch sagen: Schauen Sie sich den EU-Kommissionsvorschlag genauer an. Es ist zu einfach, zu behaupten, man wolle dort eine anlasslose Speicherung. Das ist schlicht falsch. Es geht um Risikoanalyse. Es geht um die Einrichtung eines EU-Zentrums gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie und vieles andere. Ich finde es unerträglich, dass das hier in ein dermaßen falsches Licht gerückt wird, auch vom Kollegen Kuhle heute Morgen. Ich hoffe, dass Sie hier in Richtung unserer Innenministerin und nicht in Richtung des FDP-Kollegen Kuhle gehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Frau Lindholz, der Kollege Steffen ist wahrscheinlich sehr stolz, wenn Sie ihn zu Dr. Grün machen.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Dann darf ich mich entschuldigen!)
Nichtsdestotrotz wird das wahrscheinlich im Protokoll geändert.
Der Kollege Dr. Thorsten Lieb hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537147 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 41 |
Tagesordnungspunkt | Justiz, Bundesverfassungsgericht |