23.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 44 / Tagesordnungspunkt 26

Gitta ConnemannCDU/CSU - Berufsausbildungsförderungsgesetz, Bildungsbericht

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ohne BAföG wäre ich heute wohl nicht Abgeordnete. Mein Weg wäre anders verlaufen; denn meine Eltern hätten mir kein Studium finanzieren können. Deshalb war BAföG für mich persönlich das Tor zur Welt, und so geht es Millionen anderen. BAföG hat uns Ausbildung ermöglicht – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.

(Dr. Wiebke Esdar [SPD]: In der SPD darf man auch ohne Studium Abgeordnete sein!)

BAföG steht damit für Aufstieg und ist eine Erfolgsgeschichte für unser Land; denn wir haben keinen anderen Rohstoff als Bildung. Deshalb ist jeder Euro darin bestens investiert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

BAföG bedeutet für mich Freiheit und Chancen. Deshalb haben mich manche Beiträge in dieser Debatte – auch der heutigen – wirklich befremdet. Die Ampel zeichnet ein Zerrbild der Vergangenheit: Es sei nichts passiert. – Diese Aussage ist falsch! Noch einmal zum Mitschreiben: Wir haben das BAföG erhöht 2008, 2010, 2016, 2019, 2020.

(Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peanuts!)

Wir haben das Wohngeld erhöht um 30 Prozent statt jetzt nur um 10 Prozent. Es gäbe noch viele andere Sätze zu sagen. Aber, liebe Frau Kollegin Stahr, Sie waren gerade die Speerspitze derjenigen, die sagen, es sei nichts passiert. Sie als SPD haben 21 Jahre lang mitregiert.

(Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die ist von den Grünen! Nicht dass da Verwirrung aufkommt! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kollegin gehört zu uns!)

Sie haben den Bundesfinanzminister gestellt. Dies jetzt kleinzureden, zeugt entweder von Amnesie oder politischer Schizophrenie.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ebenso eigenartig sind die Beiträge von FDP und Grünen, die sich für einen Auftakt zu einer Jahrhundertreform feiern. Der aktuelle „Spiegel“ bringt es auf den Punkt – ich zitiere –: „Koalition legt beim BAföG nach – und enttäuscht die jungen Menschen“. Denn die geplante Erhöhung zum 1. August verpufft. Der Zuschuss von 5,75 Prozent kompensiert noch nicht einmal die Preissteigerungen. Sehen Sie sich die Inflationsrate an: 8,9 Prozent! Und Sie wagen es, hier von einer Jahrhundertreform zu sprechen. Das ist erbärmlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Connemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Kai Gehring aus der Fraktion Die Grünen?

Für meinen Ausschussvorsitzenden immer.

Herr Gehring, Sie haben das Wort.

Ich freue mich sehr, dass auch Sie das BAföG wichtig und bedeutsam finden. Das konnte man in den 16 Jahren CDU-geführter Bildungsministerien nicht besonders bemerken. Deshalb wollte ich fragen – nachdem Sie so massiv die BAföG-Novelle dieser Ampelkoalition angreifen –, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, dass nach 16 Jahren Unionsregierung 89 Prozent der Studierenden kein BAföG mehr erhalten und sich die Zahl der BAföG-Empfänger in einem historischen Tiefststand befand.

Jetzt ist eine neue Regierung da, macht erst mal die größte Reform seit 20 Jahren

(Katrin Staffler [CDU/CSU]: Lügt euch doch nicht selber an!)

und plant noch zwei weitere Reformen in dieser Wahlperiode. Das ist nachholende Modernisierung und aktive Gerechtigkeitspolitik; denn 89 Prozent der Studierenden haben kein BAföG mehr bekommen. Das ist Ihre Regierungsbilanz. Jetzt geht es richtig rund, und wir haben den BAföG-Turbo gezündet. Ich wollte fragen, ob Sie das zur Kenntnis genommen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Lachen der Abg. Katrin Staffler [CDU/CSU])

Lieber Herr Kollege Gehring, ich kann nur zur Kenntnis nehmen, was Realität ist.

(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Realität, die Sie erzeugt haben!)

Was Sie erzählt haben, ist ein großes Gespinst. Denn eines erleben wir heute nicht: eine Jahrhundertreform. Die Tatsache allein, dass Sie sich feiern lassen wollen für eine Erhöhung

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 20,75 Prozent!)

der Sätze um 5,75 Prozent, die aufgefressen wird von der Inflation und die weit hinter dem zurückbleibt, was wir allein 2019 in der Großen Koalition gemacht haben, zeigt doch, dass Sie die Realität verneinen.

(Sönke Rix [SPD]: Sagen Sie doch mal was zu den Elternfreibeträgen!)

– Gerne. – Ich würde Sie deshalb bitten: Schauen Sie sich an, was passiert ist: Im Juli 2019 haben wir unter unserer damaligen Ministerin Anja Karliczek das 26. BAföG-Änderungsgesetz in Kraft gesetzt. Wir haben die Bedarfssätze gesteigert. Wir haben die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im BAföG eingeführt.

(Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Niemand glaubt das hier!)

– Es geht nicht ums Glauben. Lesen Sie doch einfach mal! Schauen Sie sich Daten und Fakten an. Die Faktenleugnung bringt Sie hier nicht weiter.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Ergebnis bleibt: nichts mit Jahrhundertreform. Sie sind mit dieser Reform als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet.

(Beifall bei der CDU/CSU – Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ins Phrasenschwein!)

Bedarfsgerecht geht anders. Das wird deutlich, wenn man sich zum Beispiel den Unterkunftsbedarf anschaut. Mietzuschläge und Realmieten liegen diametral auseinander. Die Wohnpauschale bleibt immer noch 50 Euro unter den durchschnittlichen Mietkosten, und jetzt reden wir nicht über ein WG-Zimmer in München, in Frankfurt oder wo auch immer, wo man allein für ein Zimmer 600, 700 Euro zahlt. An dieser Realität gehen Sie mit Ihrer Reform komplett vorbei.

Umso wichtiger wäre es, die Hinzuverdienstmöglichkeiten zu erhöhen. Genau dazu sagen Sie kein Wort. Unseren Vorschlag, die Höhe bei den Ausnahmen zu verdoppeln, haben Sie einfach vom Tisch gewischt. Was Sie Minijobbern ermöglicht haben, versagen Sie jetzt den Studierenden. Dabei würde es den Studierenden unmittelbar helfen, wie übrigens auch den Betrieben. Jede Arbeitskraft wird gebraucht. Die Studenten, die sich engagieren, sollten auch den Eindruck haben, dass Leistung sich lohnt; aber dazu von Ihnen kein Wort. Im Gegenteil: Unseren Antrag lehnen Sie ab.

Wie gesagt: Auf die Reform, von der Sie sprechen, die Sie ankündigen, warten wir noch. Dabei hätten Sie jetzt die ersten Weichen stellen können und auch müssen. Das gilt insbesondere für die Förderhöchstdauer. Es braucht dafür zwingend eine Evaluation, Daten, damit man sieht, ob und inwiefern dort erhöht werden muss; denn zurzeit ist das größte Problem für Studentinnen und Studenten, dass die Regelstudienzeiten in den allermeisten Studiengängen nicht einzuhalten sind. Auch unseren Antrag auf Durchführung einer Evaluation haben Sie abgelehnt.

Vor diesem Hintergrund ist Ihre Reform das Wort nicht wert, mit dem Sie sie bezeichnen. Sie ist zu wenig, kommt zu spät und ist dem Grunde nach zu gering. Daher werden wir sie ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2 Milliarden! Keine Ahnung!)

Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Jessica Rosenthal.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537502
Wahlperiode 20
Sitzung 44
Tagesordnungspunkt Berufsausbildungsförderungsgesetz, Bildungsbericht
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