Timon GremmelsSPD - Aktuelle Stunde - Versorgungssicherheit im Winter
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stellen wir uns vor, wir hätten im März auf Merz gehört.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Irgendwie ist der Ernst der Lage bei euch noch nicht angekommen! Kann das sein?)
Am 9. März hat Friedrich Merz der Presse gesagt: Nach dem Aus der Ostseepipeline Nord Stream 2 fordert die CDU/CSU im Bundestag auch den Stopp von Nord Stream 1. Diese Einschränkungen in der Gasversorgung wären hart, aber akzeptabel. Zitat Friedrich Merz: „Wir sind der Meinung, dass wir das akzeptieren müssen angesichts der Lage, die dort entstanden ist.“
(Lachen des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Sie haben im März gefordert, Nord Stream 1 vom Netz zu nehmen.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Unverantwortlich war das!)
Was wäre dann passiert? Wir hätten erstens unsere Speicher nicht füllen können, zweitens wäre es für die Verbraucher richtig teuer geworden, und drittens hätten wir insgesamt weniger Gas zur Verfügung. Man kann zu diesem Thema eine Aktuelle Stunde beantragen, aber in der muss man dann auch die eigene politische Verantwortung adressieren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Hätten wir auf die CDU/CSU gehört, hätten wir Nord Stream 1 abgeschaltet, aber dann hätten wir heute eine ganz andere Situation.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Vollkommen richtig!)
Deswegen sind Ihre Krokodilstränen heuchlerisch.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das haben wir so nie gefordert! Lesen Sie einmal unsere Anträge!)
– Natürlich haben Sie das gefordert. Das könne Sie gerne nachlesen. Aber wenn Sie sich von Ihrem eigenen Fraktionsvorsitzenden distanzieren, Herr Spahn, dann ist das auch eine Nachricht wert. Sie sagen, Sie hätten das nie gefordert. Lesen Sie bitte nach, was Friedrich Merz gesagt hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Genau lesen! Genau lesen!)
Nun fordern Sie Alternativen. Das kann man machen. Sie sagen auf einmal, die Atomkraft sei eine Alternative. Ich habe das Gefühl, dass manch einer in der Union lange darauf gewartet hat, diese alten Konzepte aus der Schublade rauszuholen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Können wir mal hören, was alles geht, und nicht immer nur, was alles nicht geht?)
Nach dem Motto „Jetzt ist Krieg, jetzt können wir alles Mögliche fordern“ kommen diese alten Konzepte wieder auf den Tisch. Das ist nicht die richtige Antwort.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Ihr werdet es am Ende noch machen! Passt auf!)
Überlegen Sie doch mal: Wenn wir die Laufzeit von Atomkraftwerken verlängern würden: Wo kommen denn die Brennelemente her?
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aus den USA!)
Die Hälfte der Brennelemente kommt aus Russland.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch!)
Man würde sozusagen den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, wenn wir statt Gas aus Russland Atombrennstäbe aus Russland importieren würden. Das ist die Politik der Union.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] – Zuruf des Abg. Petr Bystron [AfD])
Blicken wir in die Atomrepublik Frankreich. Was machen die Franzosen? 56 Atomkraftwerke haben sie am Netz. Viele sind stillgelegt, weil sie in Wartung sind bzw. weil es so warm ist, dass mit den Flüssen gar nicht mehr ausreichend gekühlt werden kann. Das ist doch der Punkt. Herr Spahn, wir haben im Mai Strom nach Frankreich exportiert, weil die Atomkraftwerke dort nicht funktioniert haben.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Gasstrom! Gasstrom haben wir exportiert!)
Wir haben dafür gesorgt, dass in Frankreich die Lichter nicht ausgehen. Und Sie sagen, die Antwort sei, dass wir mehr auf Atomkraft setzen müssen? Das ist viel zu kurz gesprungen, was Sie hier fordern, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Die Antwort kann nur sein – und ich bin Robert Habeck und der Bundesregierung sehr dankbar, dass wir hier handeln –:
(Zuruf des Abg. Petr Bystron [AfD])
Wir müssen aufpassen. Wenn Nord Stream 1 jetzt in die geplante Revision geht – die dauert in der Regel zehn Tage –, dann besteht doch die große Gefahr, dass sie danach nicht wieder hochgefahren wird. Es wäre im wahrsten Sinne des Wortes russisches Roulette, wenn wir uns darauf verlassen. Wir müssen jetzt vorsorgen, damit wir reagieren können und damit uns Putin nicht an der Nase herumführt. Die Politik der Bundesregierung ist der richtige Weg, um uns hier voranzubringen.
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Was ist denn ihre Politik? Wir hören nur, was nicht funktioniert!)
Wir müssen viel mehr auf erneuerbare Energien setzen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Es geht um den nächsten Winter!)
Ich höre immer – das ist sehr schön –, dass die Union das jetzt auch fordert. Wir werden Ihnen Ende der nächsten Sitzungswoche die Gelegenheit geben, Ihren Worten auch Taten folgen lassen.
(Beifall der Abg. Dr. Nina Scheer [SPD])
Dann werden wir eine ganze Reihe von Gesetzen des Osterpaketes auf den Weg bringen. Und wir werden sehr genau darauf achten, ob Sie Ihren Erkenntnisgewinnen – Sie verkünden, dass Sie jetzt auf einmal auch für den Ausbau von erneuerbaren Energien sind – auch Taten folgen lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU])
Wir werden Sie daran messen. Hoffentlich unterstützen Sie die von der Ampelkoalition vorgelegten Gesetze dann auch.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie messen die Opposition! So weit ist es schon!)
Wir werden sehen, ob Sie zustimmen. Daran werden wir Sie messen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Was tun wir jetzt für den Winter?)
– Wir tun für den Winter einiges. Wir werden auch die Versäumnisse der letzten CDU-geführten Regierung nachholen und aufräumen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ach herrje! – Stefan Keuter [AfD]: Sie waren wohl nicht dabei, oder wie?)
Es war doch Ihr Minister, der blockiert hat. Sie tun immer so, als ob Sie mit den Versäumnissen der letzten 16 Jahre nichts zu tun hätten. Wer war denn Wirtschaftsminister? Das war Peter Altmaier! Deshalb können Sie sich an dieser Stelle überhaupt nicht wegducken. Wir holen das nach, was Sie versäumt haben. Sie tragen für die Situation die Verantwortung.
Wir fühlen uns in dieser Bundesregierung gewappnet. Wir sind gut und senden den Menschen das Signal, dass wir ihre Ängste und Sorgen ernst nehmen; das gilt auch für die Industrie.
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Senden Sie keine Signale! Machen Sie Ihre Arbeit!)
Wir setzen uns dafür ein, dass am Ende des Jahres keiner friert. Dafür schaffen wir die Voraussetzung.
Es wird hart. Es wird nicht einfach.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Was denn jetzt?)
Aber wir tun alles dafür, dass die Menschen in Sicherheit und in Wärme leben können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Was denn? Wir haben nichts gehört!)
Als letzter Redner in dieser Debatte erhält das Wort Stefan Wenzel für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sebastian Roloff [SPD] und Dr. Lukas Köhler [FDP] – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir hören immer nur, was alles nicht geht!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7537591 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 44 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Versorgungssicherheit im Winter |