24.06.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 45 / Tagesordnungspunkt 28

Patrick SchniederCDU/CSU - Sterbehilfe

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Inwiefern darf Menschen bei einem Suizid geholfen werden? Nach der breiten und konstruktiven Debatte, die wir im Jahr 2015 geführt haben, müssen wir uns heute erneut mit dieser Frage beschäftigen, wenn auch unter anderen Vorzeichen.

Das Bundesverfassungsgericht hat vor über zwei Jahren entschieden, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Ausdruck persönlicher Autonomie auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst und hierfür die Hilfe Dritter rechtmäßig ist. Das 2015 beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe wurde damit gekippt. Zugleich macht Karlsruhe in seiner Entscheidung deutlich, dass sich die Regelung der Suizidassistenz im Spannungsfeld von Selbstbestimmungsrecht und Lebensschutz als staatliche Aufgabe bewegt und der Gesetzgeber daher weiterhin die Möglichkeit zur Regulierung der Sterbehilfe unter bestimmten Voraussetzungen hat. Es geht also um zwei widerstreitende Rechtsgüter.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung nicht nur ein neues Grundrecht, das Recht auf selbstbestimmtes Sterben, geschaffen, sondern stellt den Gesetzgeber zugleich vor die Aufgabe, wieder einen Ausgleich zu schaffen zwischen Selbstbestimmungsrecht und Lebensschutz. Derzeit besteht eine Schieflage zwischen den beiden Rechtsgütern, da es beispielsweise keine Regelungen gibt, die sicherstellen, dass die Betroffenen ihre Entscheidung freiwillig und ohne Druck von außen treffen.

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Sterbehilfe legt hierfür einen gut austarierten Kompromiss vor. Um das hohe Rechtsgut Leben zu schützen, sieht der Entwurf vor, die geschäftsmäßige Sterbehilfe grundsätzlich wieder unter Strafe zu stellen. Angesichts des hohen Rangs, den unsere Verfassung dem Leben beimisst, ist es legitim, zu Mitteln des Strafrechts zu greifen, um Leben zu schützen. Ich halte das für einen ganz wichtigen Punkt, um den Wert wirklich sichtbar und deutlich zu machen.

Ich will hier klarstellen – sowohl gegenüber meinem Vorredner wie auch gegenüber der Kollegin Helling-Plahr –: Es geht hier um geschäftsmäßige Suizidbeihilfe. Es geht nicht um die Beihilfe zum Suizid schlechthin; die ist und bleibt in der Akzessorietät zur Haupttat immer straffrei,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

in den, ich sage einmal, normalen Fällen. Es geht um die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe und die Angst davor, dass das über eine Normalisierung dieses Angebots in der Gesellschaft und den Druck, den ältere, kranke Menschen empfinden mögen, als normales Mittel empfunden wird, um Leben zu beenden. Das wollen wir verhindern, indem wir das Rechtsgut so hoch aufhängen und mit einer grundsätzlichen Strafbarkeit im Rahmen der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe versehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus ist es im Sinne des Lebensschutzes nicht zuletzt die Aufgabe des Staates, dieser Normalisierung oder Förderung der Suizidassistenz in der Öffentlichkeit oder in der gesellschaftlichen Debatte entgegenzutreten. Weil uns das grundsätzlich ein besonderes Anliegen ist, ist es auch folgerichtig, das mit einem Werbeverbot für die Hilfe zur Selbsttötung zu versehen.

Zugleich war es aber auch den Initiatoren und Unterzeichnern wichtig, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einzuhalten. Natürlich respektieren und akzeptieren wir das dort herausgehobene Recht auf selbstbestimmtes Sterben, das in gleichem Maße zu würdigen wie den Lebensschutz. Ich darf auf das verweisen, was die Kollegin Baehrens hier sehr treffend ausgeführt hat: Das Schutzkonzept, das wir in diesem Gesetzentwurf vorgesehen haben, wird diesem Anspruch sicherlich gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Wir wissen allerdings durch die Studienlage, durch zahlreiche Berichte von Betroffenen, von Angehörigen, von Ärzten, von Pflegenden, dass Suizidwünsche sehr volatil sind, dass sie oft einer Situation entspringen, dass sie schon wieder aufhören, wenn der Betroffene eine Perspektive bemerkt, wenn er nicht mehr das Gefühl hat, alleingelassen zu sein, wenn er Hilfen in Aussicht gestellt bekommt, wenn sein aktives Leiden gemindert werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Genauso wichtig wie das Schutzkonzept sind deshalb die Vorschläge zur Stärkung der Suizidprävention – ich glaube, dem kann sich eigentlich jeder in diesem Hause anschließen –, die wir mit diesem Gesetzentwurf verbunden haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Grenzen, dem daraus resultierenden Status quo und im Vergleich zu den übrigen vorliegenden Initiativen mag dieser Vorschlag den einen zu restriktiv erscheinen. Gemessen am christlichen Menschenbild und der Entscheidung, die wir 2015 getroffen haben, ist er anderen vermutlich zu weitgehend. Ich glaube, die Stärke dieses Entwurfs ist, diese unterschiedlichen Sichtweisen gleichermaßen zu würdigen und in den Grenzen des Bundesverfassungsgerichts zu bleiben, und dass das in der Kombination mit dem Antrag zur Suizidprävention als Ganzes gesehen wirklich eine runde Sache ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP und der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielen Dank, Herr Kollege Schnieder. – Als Nächste erhält das Wort die Kollegin Beatrix von Storch, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7537798
Wahlperiode 20
Sitzung 45
Tagesordnungspunkt Sterbehilfe
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