Thorsten LiebFDP - Kroatien: Europäische Wirtschafts- und Währungsunion
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Botschafter! Liebe kroatische Mitbürgerinnen und Mitbürger! Mir ist meine Redezeit zu schade, um auf diesen unerträglichen, europahassenden Vortrag hier in diesem Hause einzugehen.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Zahlen sind das und Fakten!)
Es ist eine Unverschämtheit, in Anwesenheit des Botschafters so zu agieren. Erst stimmen Sie heute noch der NATO-Aufnahme von Schweden und Finnland zu, und dann halten Sie hier eine solche Rede.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das hat nichts damit zu tun!)
Dieses differenzierte Bild müssen Sie mal aufklären. Aber lassen wir das jetzt; meine Zeit ist mir dafür zu schade.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mit dem heute vorliegenden Antrag zur Zustimmung zur Einführung des Euros in Kroatien setzen wir ein ganz wichtiges Zeichen in der Europäischen Union.
(Zuruf von der AfD: Das hat man bei Griechenland auch gesagt!)
Gemeinsam stellen wir diesen Antrag – Koalition und Union –, und das ist ein gutes Signal und richtig so.
Lieber Herr Kollege Bury, Sie wissen, ich schätze Sie sehr, aber ich finde es schon fast kleingeistig und kleinkariert, in Anwesenheit des Botschafters hier in diesem Haus von diesem Pult eine tagespolitische Auseinandersetzung über die Frage zu führen, welche deutschen Vorschläge es zur Fiskalunion gibt. Machen Sie sich keine Sorgen! Die Vorschläge werden kommen, und es werden gute Vorschläge kommen; aber heute wollen wir was anderes diskutieren, und wir beschließen einen gemeinsamen Antrag. Deswegen konzentrieren wir uns bitte darauf.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist ein wichtiges Signal für die Bürgerinnen und Bürger Kroatiens, für über 400 000 Kroatinnen und Kroaten, die Mitbürgerinnen und Mitbürger hier in Deutschland sind, alleine 16 000 in meiner Heimatstadt Frankfurt am Main, ein wichtiges Signal der Vereinfachung des Lebens. Es gibt keinen Umtausch mehr. Das ist ein positives Symbol, und genau diese Symbole brauchen wir doch jetzt in der Europäischen Union.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Aber es geht nicht um Symbole! Es geht um Zahlen! – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
– Ist ja gut.
Kommission und EZB – es ist schon gesagt worden; ich kann das abkürzen – haben die Konvergenz festgestellt. Deswegen diskutieren wir das heute, und deswegen begrüßen und unterstützen wir – wir als FDP sind ja Mitantragsteller – diesen Antrag. Klar ist aber auch – auch das fordert der Antrag; und da schaue ich auch noch mal nach oben –: Wir wünschen und erwarten, dass dieser konsequente Konsolidierungsweg fortgesetzt wird.
(Martin Reichardt [AfD]: Das haben Sie von Griechenland auch erwartet!)
Denn ich betone für meine Fraktion an dieser Stelle sehr bewusst, dass Konvergenz, und zwar auf Dauer, ein fundamentaler und zentraler Baustein und Bestandteil einer funktionierenden Wirtschafts- und Währungsunion ist.
(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])
Es steht schon im Vertrag: „Die Mitgliedstaaten vermeiden übermäßige öffentliche Defizite.“ So ist die Union angelegt, und wir Freie Demokraten stehen insbesondere dafür, immer wieder deutlich zu betonen, wie zentral das ist.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Dr. Lieb, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kleinwächter, AfD-Fraktion?
(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!)
Es verlängert die Redezeit.
Ja.
Herr Dr. Lieb, was Sie gerade gesagt haben, passt nicht zu dem ersten Teil Ihrer Rede, wo Sie im Endeffekt ein bisschen auf mich losgegangen sind.
Sie haben gerade die Verträge erwähnt. Ich finde die Verträge außerordentlich wichtig; denn gerade Artikel 126 und Artikel 140 AEUV regeln ja sehr klar, was von den Beitrittskandidaten in Bezug auf die Konvergenzkriterien entsprechend verlangt wird. Wenn zum Beispiel ganz klar drinsteht, dass sich die Staatsschulden erheblich und langfristig mindern müssen, und zwar auf ein Niveau, das dem Referenzwert entspricht – das sind 60 Prozent des BIP –, dann müssen Sie doch eigentlich zugeben, dass Kroatien, das im Moment 79,8 Prozent des BIP Staatsverschuldung hat, das bei deutlich über 80 Prozent Staatsverschuldung war, von der die EU-Kommission schon in ihren relativ positiven Berechnungen sagt, dass sie eigentlich nicht wesentlich unter 72 Prozent kommen wird –
(Zuruf des Abg. Andreas Scheuer [CDU/CSU])
Herr Kollege, Sie sollen keinen Redebeitrag leisten.
– ich stelle eine Frage –, und die weiter steigen wird, diese Kriterien nicht erfüllt. Wie kommen Sie dann auf die Idee, hier die Erfüllung der Konvergenzkriterien zu postulieren, wo Sie von Anfang an eben nicht erfüllt sind?
Die Frage ist ganz einfach zu beantworten. Ich empfehle, die Verträge und die Kommentierungen mal gründlich zu lesen. Dann können Sie sich die Frage selbst beantworten.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Das steht dadrin!)
Das, was Sie in die Verträge reininterpretieren und was Prüfungsgegenstand war, entspricht dem so nicht.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Kleinwächter [AfD]: Ich schicke es Ihnen zu!)
Ich habe dazu mal 30 Seiten geschrieben; ich kann die Ihnen gerne mal schicken. Das müssen wir jetzt an dieser Stelle nicht vertiefen.
(Martin Reichardt [AfD]: Sie müssen nicht schicken, was Sie dazu geschrieben haben!)
Mit der anstehenden Entscheidung des Rates, der wir hier und heute zustimmen, setzen wir – ich habe es erwähnt – ein ganz wichtiges Signal in Richtung Handlungsfähigkeit der Europäischen Union in herausfordernden Zeiten.
(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
Es ist vor allem ein wichtiges Zeichen, das all denen widerspricht, die der Europäischen Union Schwäche und Handlungsunfähigkeit vorwerfen. Wir zeigen mit diesem Antrag Handlungsfähigkeit, und wir gehen mit der Europäischen Union nach vorne und begrüßen Kroatien am 1. Januar 2023 als 20. Mitgliedstaat in der Eurozone von Herzen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU])
Die Entwicklung ist in der Tat bemerkenswert, auch wenn der Kollege es kritisiert hat. Der Schuldenabbaupfad ist vorbildlich in der Europäischen Union. Das Kriterium von 3 Prozent wird eingehalten, auch das ist vorbildlich. Das Defizit liegt deutlich unterhalb des Eurozonendurchschnitts. Wenn es ein Mitgliedstaat der EU verdient hat, neu zur Eurozone zu gehören, dann ist das Kroatien. Deswegen beraten und beschließen wir das heute, und genau so muss das sein.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Man kann aber natürlich nicht über die Einführung des Euro in Kroatien sprechen, ohne kurz etwas über die tatsächliche aktuelle Situation der Eurozone insgesamt zu verlieren. Die Staatsfinanzen sind – leider – insgesamt in schlechterer Verfassung als vor der Pandemie. Die Herausforderungen sind gewachsen. Die Inflation ist gestiegen; das ist sie übrigens auch schon vor dem Ukrainekrieg. Deswegen ist es umso wichtiger, hier und heute in Deutschland und in der gesamten Europäischen Union auf Haushaltsdisziplin zu achten. Genau das macht diese Koalition,
(Martin Reichardt [AfD]: Das läuft ja super!)
indem wir für 2023 einen Haushalt vorlegen, der die Schuldenbremse einhält. Das ist richtig und wichtig in dieser Zeit.
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zurufe von der AfD)
Wir als Koalition befinden uns damit im Einklang mit dem, was die Deutsche Bundesbank im aktuellen Monatsbericht formuliert.
(Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])
Trotzdem – und das ist an dieser Stelle auch noch zu erwähnen – müssen wir mit weiteren Maßnahmen vorsichtig und zurückhaltend sein. Wir machen uns Sorgen bei aktuellen Politikvorschlägen, die Konvergenzkriterien weiter auszuhöhlen, weitere Maßnahmen zu ergreifen, oder wenn die EZB darüber diskutiert, neue Finanzmittel einzuführen. Gerade in Inflationszeiten ist es wichtig, daran zu erinnern, dass das vorrangige Ziel von Geldpolitik sein muss, Stabilität zu gewährleisten.
Deswegen: Haben wir mehr Mut, das zu tun! Kroatien hatte den Mut und gehört ab dem 1. Januar 2023 dazu. Darüber freuen wir uns. Das beschließen wir heute. Wir bitten um Zustimmung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538003 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 46 |
Tagesordnungspunkt | Kroatien: Europäische Wirtschafts- und Währungsunion |