Dorothee BärCDU/CSU - Antisemitismusskandal bei der documenta
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 1997 habe ich für interessierte Schülerinnen und Schüler meines Gymnasiums eine Reise zur Documenta nach Kassel gemacht. Wir waren stolz, wir waren ergriffen, was in unserem Land an Kultur möglich ist. Ich muss sagen: Ich habe mich in diesem Jahr, auch als Kulturpolitikerin, sehr auf die Documenta gefreut. Es ist sehr traurig, dass davon nichts übrig geblieben ist.
Gestern haben die ersten Zeitungen getitelt: Wäre es nicht besser, die Documenta abzuschaffen? – Es wäre eine Lösung, die im Raum steht, weil die Kunstwelt, nicht nur die deutsche, nicht nur die europäische, sondern die weltweite Kunstwelt, wirklich fassungslos nach Deutschland blickt und nicht verstehen kann, wie im Jahr 2022 auf unserem Boden so etwas noch passieren kann.
Fest steht, dass dieser Skandal das Ansehen einer der bedeutendsten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst und unser Land nachhaltig beschädigt hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch wenn versucht wurde, meiner Kollegin Gitta Connemann das Wort umzudrehen, was ja schofel war, Herr Grundl, möchte ich schon noch richtigstellen, auch für die Vorgängerin der jetzigen Kulturstaatsministerin, dass Kulturstaatsministerin Monika Grütters nie im Aufsichtsrat war, dass Monika Grütters gesagt hat, dass das Bundesgeld auch abgezogen werden soll, dass die KSB ausgeschieden ist und der Stiftungsrat das Ganze im Vorfeld abgelehnt hat. Das heißt, das, was Sie hier machen, ist Geschichtsklitterung. Es ist völlig anders gewesen, als Sie es versucht haben, hier darzustellen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Frau Kollegin Bär, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?
Nein, ich mache meine Rede jetzt fertig. Vielen Dank.
Wir hatten seit Monaten Warnungen. Ich habe selber sechs Wochen vor der Eröffnung Fragen an die Bundesregierung gestellt. Diese wurden abgetan: Nein, man ist im guten Gespräch, auch mit dem Zentralrat der Juden. Alles läuft seinen Gang, alles ist wunderbar.
Die Messeverantwortlichen waren gewarnt. Die Bundesregierung war gewarnt. Was wurde unternommen? Nichts. Es geht ja nicht nur darum, dass auf dem Bild Judenhass in Reinstform dargestellt wurde, sondern es geht darum, dass dieses Bild nur nach massivem Druck von außen entfernt wurde
(Timon Gremmels [SPD]: Stimmt nicht!)
und nicht, weil irgendeine Einsicht da war.
(Timon Gremmels [SPD]: Falsch!)
Das ist besorgniserregend.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das ist weiß Gott nicht mit dem Argument der Kunstfreiheit abzutun oder mit dem, was Sie gerade gesagt haben: Ja, die Documenta braucht einen Skandal. – Nein. Wir brauchen keinen Antisemitismus in Deutschland, Frau Merten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So viel dazu, das Wort im Mund herumzudrehen! So viel Heuchelei!)
Es ist nicht nur eine Frage des Anstands, diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die sich der Verantwortung bislang beharrlich entzogen haben. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordern eine lückenlose Aufklärung aller Etappen des Nichthandelns – aller!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dann muss sichergestellt sein, dass sich so etwas nicht nur auf der Documenta nicht wiederholt, sondern sich nirgendwo in unserem Land wiederholt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Judenhass ist in unserem Land existent. Das ist das Traurige. Jedes Mal, wenn ich über die ganzen Skandale der Documenta was gepostet habe, und sei es nur in einer Instagram-Story, kommen immer noch Leute, die einem schreiben:
(Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihnen folgen doch lauter CSU-Wähler! Was ist denn das?)
Habt ihr keine anderen Probleme in Deutschland? Es ist doch nur Antisemitismus. Es ist doch nur Judenhass.
Wir als Politikerinnen und Politiker, als diejenigen, die mit Steuergeldern verantwortlich umgehen, müssen dem entgegentreten. Deswegen bin ich fest davon überzeugt, dass wir da viel mehr handeln müssen und dass Ihre Rede eine glatte Themaverfehlung war und die von allen Kollegen der Ampel bislang auch. Ich hoffe, danach kommt noch was Gescheites.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich sage ganz offen – ich bedanke mich auch beim Zentralrat der Juden –: Wenn der Zentralrat der Juden in Deutschland nicht müde geworden wäre, gegen antisemitische Hetze vorzugehen, würden unter dieser Bundesregierung diese abscheulichen Bilder mitten in Deutschland immer noch bestaunt werden können.
(Timon Gremmels [SPD]: Stimmt doch gar nicht! – Weitere Zurufe von der SPD)
Ich würde sagen: Wir haben ja heute leider eine neue Antidiskriminierungsbeauftrage bekommen. Hier kann Frau Ataman mal loslegen, weil in ihren eigenen Reihen, was die Aufklärung an dieser Stelle betrifft, genug zu tun ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!)
Personelle Konsequenzen, ganz besonders in Kassel, sind ein nichtverhandelbares Postulat, ebenso die strukturelle Reform der Documenta, weil die judenfeindlichen Bilder nur ein Symptom sind und die Ursachen woanders liegen. Auch wenn Sie jetzt über Ihren Schatten gesprungen sind und auf unseren Druck hin endlich eine öffentliche Befassung im Kulturausschuss haben durchführen lassen,
(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo waren Sie denn gestern? Sie waren nicht im Ausschuss!)
wäre es ein wichtiges Signal, heute unserem Antrag für die Aufarbeitung zuzustimmen, –
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
– um von dem einstigen Aushängeschild der Kunstmesse noch etwas zu retten,
(Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unglaublich dreist!)
wenn überhaupt noch etwas zu retten ist. Ich kann Ihnen nur sagen: Mit dieser Debatte heute ist unter diese Skandale kein Schlussstrich gezogen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kennen die Debatte nur vom Hörensagen! Das ist das Problem!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538194 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 47 |
Tagesordnungspunkt | Antisemitismusskandal bei der documenta |