Ruppert StüweSPD - Biotechnologie- und Pharmastandort Deutschland (IPCEI Health)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Jarzombek hat mit der Vergangenheit begonnen. Ich würde Sie gern ins heutige Berlin mitnehmen. Gestern war ich bei Herrn Professor Rajewsky, gleich hier um die Ecke. Er forscht daran, wie wir auf Ebenen der einzelnen Zellen frühzeitig Krankheiten erkennen und auch zielgerechte Therapien ansetzen können. Er macht das übrigens nicht alleine, sondern erstens zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in wunderbaren Laboren und zweitens in enger Zusammenarbeit mit der Charité.
Dann würde ich gern einmal Herrn Frömming ansprechen. Eigentlich habe ich mir ja vorgenommen, mich mit der AfD und dem, was Sie hier im Plenum so sagen, gar nicht auseinanderzusetzen.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Schade!)
Aber da Sie so belehrend waren, würde ich Sie bitten, den Blick einmal über die Spree zu lenken und nicht nur in die Vergangenheit der HU, sondern auf die Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene. Dort forscht Emmanuelle Charpentier.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Nobelpreisträgerin 2020!)
Sie hat 2020 den Nobelpreis für Biotechnologie bekommen, und sie forscht hier in Berlin. Vielleicht sollten Sie nicht nur in die Vergangenheit schauen, sondern sich auch die heutige Gesellschaft ansehen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das ist leider nicht mehr die Zukunft, wenn ihr hier nicht richtig handelt!)
Am Samstag habe ich im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaften das Max-Planck-Institut für molekulare Genetik besucht und dort mit Professor Meissner gesprochen. Er hat im „Tagesspiegel“ übrigens gesagt, als er von Harvard nach Berlin gekommen ist – jetzt zitiere ich aus dem „Tagesspiegel“ –:
Aber anders als in den USA, wo ich in jeden Forschungsantrag reinschreiben musste, welche Krankheit man am Ende damit heilen will, muss ich das hier nicht betonen. Die Max-Planck-Gesellschaft legt Wert darauf, Grundlagenforschung zu finanzieren. Die Anknüpfungspunkte für die Diagnostik von Krebs- oder anderen Erkrankungen oder mögliche Ansatzpunkte für Therapien ergeben sich dennoch. Denn die wirklich spannenden, überraschenden Erkenntnisse kann man nun mal nicht vorausplanen – sonst wären sie ja nicht überraschend.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Warum erzähle ich das hier im Deutschen Bundestag? Deutschland ist ein attraktiver Standort für die Biotechnologie, insbesondere übrigens, wenn es um die Verbindung zur Medizin geht.
Die moderne Biotechnologie hat bahnbrechende Innovationen geschaffen. Viele Krankheiten können heutzutage dank der Biotechnologie besser erkannt, verhindert, behandelt und geheilt werden. Was ist die Basis dieser Wertschöpfung? Die Basis ist – das ist ganz einfach – primär die wissenschaftliche Forschung und Entwicklung selbst. Verglichen mit den USA werden in Europa doppelt so viele wissenschaftliche Arbeiten in der Biotechnologie publiziert, verglichen mit China sogar dreimal mehr. Die Hälfte der weltweit besten Uni-Standorte für Lebenswissenschaften ist in Europa angesiedelt. Im Vergleich zu den USA verfügt Deutschland über fast doppelt so viele weltmarktrelevante Patente pro 1 Million Einwohner. Die meisten Patentanträge
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Gibt es in Japan!)
kommen aus der Medizintechnik. Im pharmazeutischen Sektor gibt es die größte Steigerung bei den Patentanmeldungen, dann kommt die Biotechnologie.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das ist eine tolle Rede für 16 Jahre Forschungspolitik der Union! Das muss man an der Stelle mal erzählen!)
– Ja. Bevor wir uns hier die ganze Zeit erzählen, wie schlecht wir eigentlich sind, können wir doch anfangen, darüber zu reden, was hier eigentlich gut läuft und worauf wir aufsetzen können, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Weiter so!)
Wenn ich mir Ihren Antrag ansehe, dann muss ich feststellen: Sie sind endlich in der Opposition angekommen. Die Problemanalyse klappt schon an einigen Stellen, und dann kommt das große Wünsch-dir-was.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Bis jetzt war es eigentlich ganz okay! – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Die ganzen Vorschläge haben wir doch gemacht!)
Hier fordern Sie mehr Geld für die Biotechnologie und die Einrichtung des einen oder anderen Fonds, und dann jammern Sie wieder herum, dass wir Grenzen im Haushalt nicht einhalten können. Dabei wissen Sie doch genau: In der Opposition können Sie fordern, was Sie möchten. Wir müssen uns abstimmen, müssen abwägen und dann gemeinsam gute Entscheidungen treffen.
Da von der Bundesregierung die Ministerin für Bildung und Forschung, Frau Stark-Watzinger, hier ist,
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Warum spricht sie eigentlich nicht?)
möchte ich ihr sagen: Damit, die Priorität am Anfang der Legislaturperiode auf das BAföG zu legen, dass Studierende ausreichend Geld bekommen, dass mehr Menschen der Zugang zum Studium eröffnet wird, dass wir einen Nothilfemechanismus für Pandemien schaffen, haben Sie absolut richtig gehandelt. Vielen Dank dafür, Frau Ministerin!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Aber in einem halben Jahr kann man in einem Ministerium auch zwei Dinge machen und nicht nur eins!)
– Wir machen auch mehr, keine Sorge.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Da sitzen so viele fleißige Menschen, die können vielleicht auch ein drittes Ding machen!)
– Sie können das ja fordern. Bei dem einen, beim BAföG, waren Sie noch ein bisschen hinterher, aber jetzt fangen auch Sie langsam an, zu arbeiten.
Mein Fazit zu Ihrem Antrag: Opposition scheint befreiend zu sein. Sie befreit von den harten Zwängen der Prioritätensetzung, und sie befreit davon, sagen zu müssen, was man alles nicht machen kann. Ich denke, Sie haben Verständnis dafür, dass wir es uns nicht so leicht machen können. Daher müssen wir auf Ihren Antrag im Ausschuss noch einmal eingehen. Ich hoffe, wir kommen über den Sommer dazu, zu klären, inwieweit wir tatsächlich ernsthaft den Biotechnologiestandort Deutschland stärken können und dabei die haushaltspolitischen Realitäten auch berücksichtigen können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das ist doch eigentlich eine schöne Debatte! Aber das Ergebnis ist leider unschön! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Der erste Sozi seit Langem, der zugegeben hat, dass sie mitregiert haben!)
Es ist ja richtig Stimmung bei der Union.
Vielen Dank, Herr Kollege Stüwe. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Paula Piechotta, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538334 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 48 |
Tagesordnungspunkt | Biotechnologie- und Pharmastandort Deutschland (IPCEI Health) |