Florian Toncar - Einbringung Haushaltsgesetzes 2023, Finanzplan des Bundes 2022 - 2026
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst darf ich Sie um Verständnis bitten, dass Herr Bundesminister Lindner heute aufgrund eines Trauerfalls diese Rede nicht halten kann. Ich bin den Fraktionen sehr dankbar, dass wir die Möglichkeit bekommen haben, mit dem Bundesminister am Donnerstag über den Haushalt zu sprechen. Dafür noch mal ganz herzlichen Dank.
Wir alle stehen noch unter dem Eindruck der sehr berührenden und tiefgehenden Rede von Staatspräsident Isaac Herzog, der trotz der beispiellosen Verbrechen, die Deutsche an Juden begangen haben, einen engen gemeinsamen Schulterschluss Israels und Deutschlands angesichts der Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft angeboten hat. Ich denke: Wir sollten dieses Angebot in Demut und Dankbarkeit annehmen.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Peter Boehringer [AfD])
Wir stehen ohne jede Frage in der Bundesrepublik, in Europa und in der Welt vor einer Bewährungsprobe, wie wir sie lange nicht mehr erlebt haben. Die Pandemie hat Kraft gekostet: physische Kraft, soziale Kraft, auch finanzielle Kraft. Und der russische Angriff auf die Ukraine hat eine völlig neue Lage geschaffen. Wir sehen den Einsatz von Energie als Waffe. Wir sehen den Einsatz von Hunger als Waffe. Wir erleben explodierende Energiepreise und in Deutschland im August eine Inflation von 7,9 Prozent bei gleichzeitig stark zurückgehendem Wirtschaftswachstum.
Vieles ist im Ungewissen. Insofern, meine ich, sollte der Besuch von Staatspräsident Herzog und seine Rede hier heute für uns auch Anlass sein, uns vielleicht damit auseinanderzusetzen, wie der Staat Israel, der seit 1948 im Grunde beständig, fast Tag für Tag, herausgefordert wird – der Staatspräsident sprach den Anschlag auf das israelische Olympiateam 1972 und aktuell das iranische Atomprogramm an –, mit solchen Bewährungsproben umgeht.
In Israel ist es stets gelungen, auch unter schwierigstem Druck von außen eine vielfältige, eine innovative, eine sehr, sehr leistungsfähige Gesellschaft zu erhalten. Dort weiß man – das habe ich mir, als ich selbst letzte Woche in Israel war, noch mal eindrücklich zeigen lassen –: In schwierigen Zeiten ist es am riskantesten, nichts zu tun und alles zu lassen, wie es ist. Ich glaube, das können wir von Israel lernen, auch um selbst mit dieser Bewährungsprobe und der Ungewissheit umzugehen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Eine solche sehr ungewisse Lage, die sich natürlich auch ständig wandelt, bewältigt man dadurch, dass, wo es kurzfristig nötig ist, gehandelt wird, und zwar richtig gehandelt wird. Aber man überwindet sie dauerhaft nur dadurch, dass wir die Gesellschaft modernisieren, dass wir die strukturellen Probleme, die bereits vorher vorhanden waren, in der Krise erst recht und beschleunigt angehen. Genau das ist es auch, was wir jetzt in dieser Krise machen. Wir brauchen neue Lieferungen als Ersatz für russische Gaslieferungen, zum Beispiel Flüssiggas. Wir bauen dafür entsprechende Terminals. Und wir lernen daraus: Schnellere Planungsprozesse sind nicht nur beim Flüssiggas, sondern sie sind auch für die Energiewende, die Digitalisierung, den Wohnungsbau und die Infrastruktur wichtig. Deswegen kommt das. Das ist nur ein Beispiel.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir lernen: Wir müssen in Deutschland in der Lage sein, sanktioniertes Vermögen zu erkennen und auch einzufrieren.
(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Ja, los!)
Wir ziehen daraus den Schluss, dass es dabei auch nicht bleiben muss, sondern dass wir generell die Geldwäschebekämpfung in Deutschland auf eine neue Grundlage stellen müssen, so wie es der Bundesfinanzminister in der letzten Woche vorgeschlagen hat. Das ist ein weiter gehender Schluss, der dauerhaft Probleme abstellt, die vorher schon da waren.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir stellen fest: Es gibt technologische Abhängigkeiten von Ländern, von denen wir nicht abhängig sein wollen und sein sollten. Wir ziehen daraus den Schluss: Wir brauchen eine Start-up-Strategie – der Bundeswirtschaftsminister ist hier –; wir brauchen ein Zukunftsfinanzierungsgesetz, das der Bundesfinanzminister mit dem Bundesjustizminister vorgeschlagen hat, um auch und gerade in den technologiebasierten neuen Geschäftsfeldern in Deutschland stärker zu werden, und das über den Tag und über diese Krise hinaus.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Nichts Neues!)
Wir haben sehr viele Handlungsfelder, bei denen die Modernisierung des Landes angegangen wird – über den Tag und die aktuelle Krisensituation hinaus, und dennoch gibt es sie.
Das größte aktuelle Problem in Deutschland ist ohne jede Frage die Inflation und ihre Folgen. Sie überfordert viele Menschen schlichtweg in finanzieller Hinsicht. Sie raubt Menschen Planungssicherheit, Lebensplanung und damit auch individuelle Freiheit. Inflation gefährdet unternehmerischen Erfolg unserer Gesellschaft im Ganzen. Inflation zu bekämpfen, muss das oberste Ziel gerade auch der Finanzpolitik sein.
(Beifall bei der FDP)
Natürlich hat Inflation nicht nur eine Ursache; aber es ist wichtig, zuerst an den Ursachen anzusetzen und dann die Folgen zu kompensieren.
(Zuruf des Abg. Christian Haase [CDU/CSU])
Deswegen ist es wichtig für die Bekämpfung von Inflation, beispielsweise Flüssiggas oder andere alternative Energiequellen zu importieren. Es ist wichtig, mit einem modernen Einwanderungsrecht dafür zu sorgen, dass wir mehr Menschen haben, die hier am Arbeitsmarkt aktiv sind, und die Engpässe, die überall zu spüren sind, auch zu beseitigen. Genau das geht diese Koalition an. Es ist jahrelang nicht passiert; aber es ist nötig.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch das hat mit der Bekämpfung von Inflationsursachen zu tun: Wir sollten erstens den Handel mit befreundeten Ländern erleichtern. Deswegen werden wir das Freihandelsabkommen mit Kanada ratifizieren und damit einen Beitrag dafür leisten, dass wir leichter an Importe kommen können als bisher.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Der Staat sollte in inflationären Situationen nicht auch noch mit eigenen Regeln die Preise nach oben treiben. Es ist ohne jede Frage so, dass Preise wirken müssen, dass sich Preise bilden müssen und dass Preise auch dazu führen, dass die Gesellschaft bestimmte Dinge ändert, zum Beispiel sparsamer mit Energie umzugehen; das ist so.
Dennoch muss man natürlich die Frage stellen, ob es in einer Situation, in der sich Inflation aufbaut und in der es sich entscheidet, ob sie bleibt oder ob sie wieder sinkt, klug ist, an dieser Stelle, wo es auf Inflationserwartungen ankommt, auch noch staatlicherseits Preise zu treiben. Deswegen haben wir die EEG-Umlage zum 1. Juli 2022 abgeschafft und den Strompreis damit entlastet.
(Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])
Deswegen haben wir am Wochenende eine Strompreisbremse beschlossen, die in großem Umfang und mit einem sozialen Schwerpunkt Menschen von den hohen Strompreisen entlasten wird. Deswegen haben wir auch beschlossen, die Erhöhung der staatlichen CO2-Bepreisung zu verschieben.
(Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])
All das soll dafür sorgen, dass die Inflationserwartungen nicht noch weiter steigen, und dabei helfen, die Inflation wieder in den Griff zu bekommen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dennoch gibt es sie. Deswegen müssen wir natürlich dafür sorgen, dass ihre Folgen kompensiert werden, wobei der Staat ganz sicher nicht alles kompensieren kann. Aber wir haben dieses Jahr ein beachtliches Paket von, wenn man alles zusammenzählt, über 95 Milliarden Euro in verschiedenen Schritten auf den Weg gebracht; das ist äußerst beachtlich, und das zeigt, wie leistungsfähig das Land ist, in dem wir leben. Es geht dabei um direkte Hilfen für Menschen, die besonders betroffen sind, die besonders stark unter den steigenden Preisen leiden. Das sind die Empfänger von staatlichen Hilfen, das sind die Empfänger von Wohngeld, das sind Familien, das sind Erwerbstätige, Rentner, Pensionäre und Studenten.
Ich warne davor, zu sagen – weil wir diesen Gruppen mit unterschiedlichen Instrumenten helfen –, das sei wie mit einer Gießkanne. Denn es gibt gerade auch in der Mittelschicht viele Menschen, die bezahlen ihre Stromrechnung selber, die bezahlen ihre Gasrechnung selber, und die brauchen jetzt Unterstützung. Aber es gibt nicht immer das eine einzige Instrument, mit dem man alle erreichen kann. Deswegen ist es nötig, mehrere Instrumente nebeneinander anzuwenden. Genau das tun wir, weil wir auch an die Mittelschicht denken, die mit dieser Situation zurande kommen muss.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und wir werden durch den Ausgleich der kalten Progression dafür sorgen, dass die Menschen, die Steuern bezahlen, nicht durch die Inflation faktisch in einen höheren Steuertarif getrieben werden. Wenn jemand, der bisher 40 000 Euro verdient hat, zwar weiterhin 40 000 Euro verdient, aber durch die Inflation künftig eine Kaufkraft von 37 000 Euro hat, ist es nicht richtig, ihm mehr Steuern abzuverlangen als vorher. Dann bestraft man die Menschen doppelt, indem sie einerseits mit der Inflation leben müssen und man ihnen andererseits höhere Steuern abverlangt. Genau das wollen wir ausgleichen. Genau das ist unser faires Angebot an die Mittelschicht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Insofern haben wir uns mit einem wuchtigen Paket auch den Folgen, den Erscheinungen dieser hohen Inflation gestellt.
Zu einer Bekämpfung von Inflation gehört aber auch, dass Haushalte konsolidiert werden. Es ist anders als in Zeiten der Pandemie, wo es richtig war, eine expansive Fiskalpolitik zu betreiben, heute ziemlicher Konsens, dass wir keine expansive Fiskalpolitik mehr benötigen, sondern eine planvolle Rückkehr zu sinkenden Defiziten. Auch das ist Zeitenwende; denn wir haben eine andere ökonomische Situation als noch in der Pandemie.
Für Deutschland bedeutet das, dass wir mit diesem Haushaltsentwurf im Jahr 2023 zur Regelgrenze der Schuldenbremse zurückkehren werden. Die Schuldenbremse ist nicht irgendetwas. Sie ist auch nicht, wie ich in Zeitungen manchmal lesen darf, ein Fetisch oder irgendetwas Ähnliches, sondern sie ist im Kern eine Regel, die mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Zweidrittelmehrheit im Bundesrat in unser Grundgesetz geschrieben worden ist und dementsprechend auch den Respekt verdient, den eine Regel im Grundgesetz verdient.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie ist einzuhalten. Man kann politisch dafür argumentieren, sie wieder zu ändern.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie gucken in die falsche Richtung, Herr Kollege!)
Aber sie gilt, und sie ist nicht mit bestimmten Worten despektierlich zu behandeln. Ein Finanzminister, der sich der Einhaltung des Grundgesetzes verpflichtet fühlt, erfüllt nicht mehr und nicht weniger als seinen Amtseid, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Er führt ein Selbstgespräch! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Er redet mit seinen Koalitionsfreunden!)
Insofern lautet der Vorschlag, der Ihnen vorliegt, dass die Neuverschuldung nach 215,4 Milliarden Euro im Jahr 2021 und maximal 138,9 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 17,2 Milliarden Euro im nächsten Jahr abgesenkt wird. Das ist ein schwieriger Schritt. Das ist auch ein Schritt, der mit Konsolidierungsmaßnahmen verbunden ist, beispielsweise einer Stelleneinsparung von 1,5 Prozent – ausgenommen ist der Sicherheitsbereich –, der mit einer globalen Minderausgabe verbunden ist, die alle Ressorts zu erbringen haben.
Aber es ist ein notwendiger Schritt; denn die Schuldenbremse hat ja einen Sinn. Sie soll zwei Dinge leisten: Sie soll dafür sorgen, dass heutige Generationen ihre Herausforderungen nicht in einer Weise lösen, die es künftigen Generationen schwer oder unmöglich macht, die Herausforderungen, die sich ihnen irgendwann stellen werden, genauso gut in den Griff zu kriegen wie wir heute. Und die Schuldenbremse ist eine Regel, die fundamental darauf ausgerichtet ist, die Handlungsfähigkeit unseres Staates und damit auch die Akzeptanz und Stärke unseres Staates zu erhalten.
Das letzte Jahrzehnt ist ja ein gutes Beispiel dafür. Wir sind aus der Finanzkrise im Jahr 2010 gesamtstaatlich mit einem Schuldenstand von etwa 80 Prozent herausgekommen. Und im Jahr 2019 – der Herr Bundeskanzler hat das als damaliger Finanzminister direkt und aus der Nähe erlebt –, vor der Pandemie, haben wir es geschafft, bei 58,9 Prozent Schuldenstand zu landen. Es ist gelungen, in einem Jahrzehnt von 80 Prozent auf unter 60 Prozent zu kommen. Und nur dadurch, dass das passiert ist, ist es auch gelungen, dass wir in der Pandemie die finanziellen Möglichkeiten hatten, expansiv zu reagieren.
(Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])
Der Zusammenhang ist klar: Die Schuldenbremse schützt die Handlungsfähigkeit und Krisenfähigkeit des Staates in der Zukunft.
(Beifall bei der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Noch mal fürs Protokoll: Kein Applaus bei den Grünen und kein Applaus bei der SPD!)
Natürlich ist es richtig, dass die Herausforderungen heute multipel sind; die Krisen sind multipel. Wir haben eine Pandemie, die in einer anderen Phase als noch vor einem Jahr ist, aber die noch da ist, die Aufmerksamkeit erfordert. Wir haben die Herausforderung des Krieges, der Inflation und die Aufgabe, sehr schnell unseren CO2-Ausstoß abzusenken, plus einen großen Investitionsbedarf; das ist unbestritten. Aber keine dieser Herausforderungen verschwindet in einem Jahr oder in zwei Jahren. Es sind alles staatliche Daueraufgaben. Deshalb ist es richtig und nötig, diese staatlichen Daueraufgaben strukturell in den Haushalt einzuarbeiten. Genau darum geht es jetzt, und genau dafür ist der Haushalt 2023 und der mit vorgelegte Finanzplan der richtige Schritt.
Eines wird oft vergessen: Wenn man die Schuldenbremse aussetzt, führt das dazu, dass man erst mal mehr ausgeben kann, aber es führt auch dazu, dass später mehr getilgt werden muss. Auch das ist ein Argument dafür – wenn wir wissen, dass das Daueraufgaben sind –, dass wir sie früher einhalten; dann müssen wir später weniger tilgen und haben größere Handlungsspielräume.
(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Ähnlich bei der Erderwärmung!)
Insofern ist es wichtig, dass wir diese Regeln jetzt wieder einhalten.
Ich will auch sehr deutlich sagen: Die Entlastungsmaßnahmen, die ich gerade angesprochen habe, die wir gemeinsam am Wochenende beschlossen haben, die, glaube ich, eine starke Wirkung haben werden, sind mit diesem Ziel vereinbar. Wir haben im laufenden Haushaltsjahr Spielräume dadurch, dass wir sparsam gewirtschaftet haben. Wir haben in diesem Jahr und auch im nächsten Jahr absehbar höhere Steuereinnahmen, die wir zurückgeben können und auch zurückgeben wollen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und wir haben im Regierungsentwurf 2023 bereits Vorsorge geschaffen, auch und gerade für Entlastungsmaßnahmen, die wir nutzen können. Insofern sind die beschlossenen Entlastungen nach unserer Auffassung mit dem Ziel, die Schuldenbremse für den Bund wieder einzuhalten, vereinbar. Ich will aber auch sehr deutlich sagen: Mehr zu tun, ist dem Bund nicht möglich. Es ist das, was wir jetzt leisten können und auch leisten werden.
Ich möchte zum Abschluss noch auf einige Schwerpunkte in diesem Haushalt eingehen, weil auch deutlich wird, dass wir in Krisenzeiten sehr wohl in sehr vielen Politikfeldern Schwerpunkte setzen und neue Projekte beginnen können.
Die Schuldenbremse ist weder Investitions- noch Innovationsbremse. Man sieht das am Investitionsetat. Die Investitionsausgaben des Bundes bleiben auf Rekordniveau. Wir haben mit 51 Milliarden Euro einen sehr hohen Wert für Investitionen. Dahinter verbergen sich natürlich vor allem Verkehrsinvestitionen, wobei mehr Geld in die Schiene als in die Straße fließt. Wir haben Zukunftsprojekte im Bereich Mikroelektronik von über 4 Milliarden Euro; diese bedeuten auch ein Stück Autonomie, ein Stück Unabhängigkeit. Wir haben hohe Investitionen im Klima- und Transformationsfonds für Wasserstoffwirtschaft, E‑Mobilität und Gebäudesanierung, wo wir eine stark steigende Nachfrage angesichts der aktuellen Situation beobachten. Deutschland investiert, der Bund investiert und kommt damit seinen Aufgaben und Verpflichtungen in vollem Umfang nach.
Wir haben im Bereich Bildung und Forschung ebenfalls wachsende Plafonds. Natürlich ist das etwas, was gerade für die Zukunft unseres Landes sehr wichtig ist. Wir werden im Finanzplanungszeitraum insgesamt etwa 4 Milliarden Euro mehr für Bildung und Forschung ausgeben können als noch in der vorherigen Finanzplanung angesetzt, zum Beispiel für Leistungsverbesserungen beim BAföG und eine Stärkung der missionsorientierten Forschung.
Wir geben Geld aus selbstverständlich auch für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Für den sozialen Wohnungsbau zum Beispiel werden wir den Ländern steigende Mittel zur Verfügung stellen, damit sie das Ziel, pro Jahr 400 000 Wohnungen, davon 100 000 öffentlich geförderte, zu bauen, realisieren können. Wir werden die gesetzliche Rentenversicherung weiterhin mit großen Summen unterstützen. 112 Milliarden Euro sind das im kommenden Jahr; der Betrag wird bis zum Jahr 2026 auf 128,8 Milliarden Euro ansteigen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie viel Prozent sind das vom Bruttosozialprodukt, Herr Staatssekretär?)
Und wir werden, weil die gesetzliche Krankenversicherung in einem Zustand übergeben worden ist, der – um es nett auszudrücken – ausgesprochen reformbedürftig ist, auch aus dem Bundeshaushalt noch mal 2 Milliarden Euro als Zuschuss und 1 Milliarde Euro als Darlehen in ein gutes Gesundheitssystem stecken. Diese Dinge machen wir, weil sie richtig sind, weil sie den Alltag der Bürgerinnen und Bürger betreffen. Sie sind auch in den Zeiten, die wir momentan erleben, möglich.
Wir haben ansonsten selbstverständlich auch riesige Herausforderungen im internationalen Bereich. Wir haben uns darauf verständigt, 2023 4 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung beizutragen. Wir haben auch die sogenannten ODA-Maßnahmen, also die Maßnahmen für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit einschließlich humanitärer Hilfe, fortgeschrieben auf über 22 Milliarden Euro. Deutschland wird nach den USA auch im kommenden Jahr der weltweit größte Geber sein. Nach allem, was wir voraussagen können, werden wir auch die ODA-Quote von 0,7 Prozent, die das Ziel für diesen Bereich sind, mit dem Haushaltsentwurf, den wir hier vorgelegt haben, einhalten können. Das ist ein wichtiges Signal; denn – ich habe es schon angesprochen – Hunger als Waffe einzusetzen, ist auch ein Teil dessen, was Putin macht. Insofern sind wir hier gefordert, uns entsprechend einzubringen, so wie es Deutschlands Rolle in der Welt gebührt.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir werden, nachdem wir im Frühjahr das Sondervermögen für die Bundeswehr beschließen konnten, auch den Verteidigungsetat fortschreiben mit 50,1 Milliarden Euro; das sind übrigens etwa 3 Milliarden Euro mehr, als in der letzten Finanzplanung der Regierung Merkel im Einzelplan 14 für dieses Jahr für die Bundeswehr eingeplant wurden.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Aber keine Zeitenwende!)
– Und eine Zeitenwende, Herr Kollege Frei. Ich dachte, jetzt sind Sie zufrieden; denn Sie haben ja immer gesagt: Die Bundeswehr soll mehr bekommen. – Wir reden immerhin von über 3 Milliarden Euro mehr, als Sie noch vor einem Jahr vorgeschlagen hatten. Ich finde, das ist eigentlich ein ziemlich guter Schritt,
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])
zumal die finanziellen Rahmenbedingungen ja nicht einfacher geworden sind in der Zeit.
Die 100 Milliarden Euro des Sondervermögens werden natürlich schrittweise abfließen in dem Maße, in dem auch Lieferungen von entsprechenden militärischen Geräten erfolgen. Wir rechnen damit, dass das im nächsten Jahr zusätzlich zum Einzelplan 14 etwa 8,5 Milliarden Euro sein werden. Man muss aber sagen: Der besondere Nutzen dieses Sondervermögens liegt ja gerade darin, dass die Bundeswehr mit dem Budget von 100 Milliarden Euro sofort planen kann und sofort parallel beschaffen kann. Insofern sind wir sehr froh, dass wir diese Möglichkeit haben, jetzt auf einen Schlag und damit auch systematisch die Streitkräfte so zu modernisieren, wie es auch vorher schon richtig gewesen wäre, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist ohne jede Frage eine herausfordernde Umgebung. Es ist auch nicht so, dass es für all diese Themen leichte Lösungen geben würde oder dass das hier jemand so vortragen würde. Es gibt Auseinandersetzungen zu führen, es gibt auch Dinge abzuwägen. Dieser Haushalt bringt sehr viele Ziele, die wir verfolgen – Krisenbewältigung, aber auch zukünftig Investitionen, Soziales, Infrastruktur –, zusammen. Er ist eine gute Grundlage für die parlamentarischen Beratungen; davon bin ich überzeugt.
Selbstverständlich wird es – gerade in der jetzigen Umgebung – auch noch Dinge geben, die geändert, die eingearbeitet werden müssen, einschließlich der Beschlüsse des letzten Wochenendes zu Entlastungen; das ist selbstverständlich. Aber ich meine, der Haushalt zeigt: Dieses Land hat enorme Ressourcen. Wenn dieses Land es schafft, seinen Staat klug einzusetzen, seine staatlichen Mittel klug einzusetzen, und gleichzeitig auf die Kraft der Gesellschaft vertraut, dann können wir auch diese Bewährungsprobe, in der wir sind, meistern. So ähnlich, meine ich, würden auch die Menschen in Israel mit dieser Situation umgehen. Machen wir uns das zu eigen, und nehmen wir diese Aufgaben an!
Ich danke Ihnen sehr herzlich.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538540 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 49 |
Tagesordnungspunkt | Einbringung Haushaltsgesetzes 2023, Finanzplan des Bundes 2022 - 2026 |