Saskia EskenSPD - Bundeskanzler und Bundeskanzleramt
Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit sechs Monaten führt Putins Russland einen verbrecherischen Krieg gegen die Ukraine. Und gerade jetzt, wenn die Auswirkungen dieses Krieges immer größere Herausforderungen für die Menschen in Deutschland und auch für unsere Volkswirtschaft mit sich bringen, ist unseren Debatten eines voranzustellen: Die Ukraine hat in ihrem Freiheitskampf gegen den russischen Aggressor unsere volle Unterstützung, so lange, wie sie diese Unterstützung braucht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Putin führt diesen Krieg nicht nur auf den Schlachtfeldern, er führt ihn auch am Gashahn und mittels Desinformation und Hetze. Mit all dem zielt er darauf ab, die Demokratie in dieser Welt zu schwächen und zu spalten. Doch das werden wir nicht zulassen. Putin darf und Putin wird diesen Krieg nicht gewinnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das ist und bleibt die erste Prämisse der Zeitenwende unseres Bundeskanzlers.
Deswegen tun wir in der Ampelkoalition alles, um uns aus der Abhängigkeit von russischer Energie zu befreien. Wir lösen die Bremse beim Ausbau der erneuerbaren Energien; denn sie sind der Schlüssel zu einer klimaneutralen Welt, aber eben auch der Schlüssel für unsere Souveränität. Wir sorgen für zuverlässige Gaslieferungen aus alternativen Quellen. Wir treffen Vorsorge durch massive Einspeicherung. Wir nehmen Kohlekraftwerke wieder in Betrieb. Und wir belassen zwei der noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus in der Reserve. Ganz klar ist aber auch: Ein nochmaliger Ausstieg aus dem Atomausstieg ist mit uns nicht zu machen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie. Sie produziert auf Jahrtausende strahlenden Atommüll, den wir nicht sicher lagern können. Deshalb war der Atomausstieg – vor 22 Jahren wurde er übrigens beschlossen – die völlig richtige Entscheidung der Regierung von SPD und Grünen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zu dieser Überzeugung ist nach einer beispiellosen Irrlichterei elf Jahre später auch die damals regierende Koalition unter Führung der CDU gekommen. Eine Irrlichterei, Herr Merz – er hat das Parlament nun leider verlassen –,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur den Plenarsaal!)
die deutsche Steuerzahler Vertragsstrafen in Milliardenhöhe gekostet hat. Wir haben das nicht vergessen, Herr Merz, Sie offenbar schon.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Was Sie auch gerne vergessen würden, Herr Merz: Noch im Frühjahr – es ist schon öfter gesagt worden – forderten Sie ein sofortiges Gasembargo. Für eine kleine populistische Schlagzeile waren Sie damals bereit, die Energieversorgung und damit auch die industrielle Produktion in Deutschland an die Wand zu fahren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ganz ehrlich: Von der größten Oppositionspartei hier im Parlament erwarte ich ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit, wenn es darum geht, die größte Krise zu meistern, die dieses Land zu meistern hat.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich sage aber auch ganz deutlich: Wer jetzt fordert, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, wer den Eindruck vermittelt, mit der Rückkehr in die Arme Wladimir Putins sei unsere Energieversorgung zu sichern oder die Inflation zu bekämpfen, der spielt dem russischen Aggressor direkt in die Hände.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf von der AfD: Nee, das machen Sie!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Bundeskanzler hat mit der Zeitenwende aber auch eine zweite Prämisse formuliert: Wir lassen niemanden allein. Denn die Folgen von Putins Wirtschaftskrieg, die unterbrochenen Lieferketten und die steigenden Preise lassen die Menschen in Deutschland nicht mehr ruhig schlafen. Viele machen sich große Sorgen um ihre Lebenshaltung, ihren Betrieb, ihren Arbeitsplatz. Mit den Entscheidungen der Ampelkoalition vom vergangenen Wochenende geben wir Antworten auf diese berechtigten Sorgen und Nöte. Wir zügeln die Märkte. Weil die Mechanismen von Angebot und Nachfrage auf den Märkten von Strom und Wärme eben nicht mehr funktionieren, sind Preise und Gewinne außer Rand und Band. Da hilft es auch nicht, das Angebot zu erhöhen.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Doch!)
Unser Ziel ist es, die Übergewinne abzuschöpfen, die einige derzeit in der Energieversorgung machen, und damit einen Preisdeckel für den Grundbedarf an Strom und Wärme zu finanzieren. Damit packen wir die Preisspirale an der Wurzel und sorgen dafür, dass Energie für die Menschen und für die Wirtschaft wieder günstiger wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und wir bringen zielgenaue Unterstützung für die Menschen und für die Wirtschaft auf den Weg. Energieintensive Unternehmen brauchen jetzt unsere Hilfe; nicht nur die große Industrie, auch die kleinen Bäcker und Brauer sorgen sich um ihre Zukunft. Dazu kommen Einmalzahlungen für Rentner/-innen und Studierende sowie ein Heizkostenzuschuss beim Wohngeld. Aber klar ist auch: Die Löhne in Deutschland müssen steigen. 6 Millionen Beschäftigte werden von der Erhöhung des Mindestlohns im nächsten Monat profitieren. Und auch die Tariflöhne müssen jetzt die Inflation abbilden.
Dabei sorgen wir dafür, dass den Beschäftigten mehr Netto vom Brutto bleibt. Mit höheren Grundfreibeträgen, Pendler- und Werbungskostenpauschalen senken wir für viele die Einkommensteuer. Weil aber niedrige Einkommen kaum davon profitieren, entlasten wir sie bei den Abgaben. Zudem befreien wir sie – auch das wurde schon gesagt – durch Inflationsprämien der Arbeitgeber von Steuern und Abgaben.
Das neue Wohngeld soll künftig dreimal so viele Haushalte besser unterstützen, wenn – wie oft eben – das Einkommen für Miete und Energiekosten nicht ausreicht. Und mit dem Bürgergeld sorgen wir neben einer neuen und nachhaltigen Teilhabeförderung auch für höhere Regelsätze, die auch die aktuelle Inflation widerspiegeln.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dazu erhöhen wir noch einmal das Kindergeld und den Kinderzuschlag, bevor wir mit der Kindergrundsicherung auch unsere Kinderleistungen umfassend reformieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir lassen niemanden allein. Dafür liefert die Ampelregierung mit ihrem dritten Entlastungspaket die richtigen politischen Antworten. Wir zügeln die Märkte und gewinnen neue Kontrolle über die Daseinsvorsorge. Wir unterstützen mit zielgenauen Hilfen Menschen und Betriebe, die unsere Unterstützung brauchen. Zu den Herausforderungen der Zeitenwende gehört es eben auch, die Grundlagen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land zu erneuern. Mit dem Haushalt des Bundes werden wir dafür die richtigen Weichen stellen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für die AfD spricht Dr. Marc Jongen.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7538677 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzler und Bundeskanzleramt |