Gunther KrichbaumCDU/CSU - Auswärtiges Amt
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir heute Morgen bei der Rede des Bundeskanzlers notiert, was dieser zum Thema Europa gesagt hat. Und das ist das Ergebnis:
(Der Redner hält ein Blatt Papier hoch)
Er hat kein einziges Wort zu Europa gesagt.
(Frank Schwabe [SPD]: Was hat denn der sogenannte Oppositionsführer dazu gesagt? – Zuruf des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und das genau ist das Problem. Das ist das Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir tun in diesen Tagen so, als wären wir allein auf dieser Welt.
(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Im europäischen Ausland ist man entsetzt über uns. In Zeiten der größten Energiekrise auf unserem Kontinent geht die Bundesrepublik Deutschland, geht diese Bundesregierung her und möchte drei in Betrieb befindliche AKWs vom Netz nehmen. Das ist die Wahrheit. Und es geht damit weiter, dass man zwei dieser AKWs jetzt noch weiter betreiben möchte, die aber dann keinen Strom produzieren dürfen. Das ist betriebswirtschaftlicher Irrsinn, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Das macht doch keiner hier in Deutschland mit.
Und wir sorgen dann noch dafür, dass, weil eben Angebot und Nachfrage den Preis regeln, Strom sich weiter verknappt, teurer wird und dann unsere europäischen Partner im Ausland auch diesen teuren Strom einkaufen müssen. Wir haben auch hier eine Pflicht zur europäischen Solidarität. Wir müssen in Zeiten einer Angebotsknappheit dafür sorgen, dass wir unseren Beitrag liefern – alles, was möglich ist –, damit sich der Preis nicht weiter erhöht und wir auch für unsere Wirtschaft sichere Perspektiven haben.
Aber es geht auch noch weiter: Wir verlassen uns darauf, dass wir in Frankreich dann Atomstrom einkaufen können. In Frankreich sind viele AKWs noch nicht unter Volllast wieder am Netz,
(Frank Schwabe [SPD]: Doch!)
weil aufgrund der Wartungszyklen, die hätten eingehalten werden müssen, in Ausfluss der Coronapandemie noch nicht unter früheren Bedingungen produziert werden kann. Auch da lügen wir uns in die Taschen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn wir den Atomstrom hier nicht produzieren wollen, aber dann im Ausland einkaufen, macht dies wenig Sinn. Ich weiß im Übrigen, dass das in Teilen der Bundesregierung blockiert wird und auch längst nicht in allen Teilen so gesehen wird.
Was wir allerdings auch nicht aus dem Blick verlieren dürfen, ist die ukrainische Stromproduktion, und hier nenne ich ganz speziell natürlich das AKW in Saporischschja. Das heißt, hier wird auch Strom produziert. Wir hatten am letzten Sonntag den Premierminister aus der Ukraine zum Gespräch in Berlin. Von den sechs Blocks waren zwei in der Vergangenheit dafür verantwortlich, die Ukraine mit Strom zu versorgen. Der Strom der übrigen vier Blocks ging in den Export.
Wir wissen, wie gefährlich die Situation im Augenblick ist. Deswegen bin auch ich persönlich dankbar – ich denke, wir alle sind dankbar –, dass zurzeit ein Team der IAEO vor Ort ist, in einer sehr gefährlichen, einer sehr brenzligen Situation, um sich dort einen Überblick zu verschaffen und womöglich auch zu retten, was zu retten ist. Deswegen: Dieser Mut der dortigen Delegation verdient unseren Dank.
Aber es offenbart eben auch, dass hier Putin die Energie als Waffe einsetzt, auch gegenüber dem Westen. Deswegen finde ich es schon irritierend, wenn sich inmitten des Parlaments Stimmen erheben, doch bitte Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, weil ja dann alle Probleme gelöst wären. Vielleicht hat man da noch nicht überall begriffen, dass Putin gedenkt, das Gas insgesamt zu sanktionieren, und Nord Stream 2 an der Stelle überhaupt nichts ausrichten wird.
Kanzler Scholz hat aber dafür einiges zum Thema Europa in Prag gesagt, bei seiner Prager Rede. Erschreckend war nicht die Rede an sich, sondern erschreckend war die Resonanz darauf. Es wurde in Europa in manchen Tageszeitungen darüber berichtet, aber so gut wie nicht kommentiert und schon gar nicht von den dortigen Regierungen rezipiert. Das heißt, es wird von deutscher Seite zu Europa vorgetragen, und niemanden interessiert es mehr. Das zur deutschen Führungsrolle in Europa.
(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist doch Quatsch!)
Er hat, um das aufzugreifen, etwas zur Sicherheitspolitik gesagt: Wir brauchen in Zukunft ein gemeinsames Luftabwehrsystem in Europa.
(Zuruf des Abg. Falko Mohrs [SPD])
Kollege Florian Hahn hat schon vor Monaten hier im Deutschen Bundestag gesagt, dass wir etwas wie den Iron Dome brauchen. Insoweit freuen wir uns, wenn jetzt diese Ideen seitens der Bundesregierung und seitens von Olaf Scholz aufgegriffen werden.
Zum Thema Mehrheitsprinzip. Das ist alles schön und gut, was dazu vorgetragen wurde, oder meinetwegen auch das, was zur Zahl der Kommissare gesagt wurde. Aber Scholz bleibt die Antwort schuldig, wie er überhaupt dahin gelangen will.
(Zuruf von der SPD: Er hat es gesagt!)
Das ist doch das Problem an sich, und auch dazu wurde überhaupt nichts vorgetragen. Insoweit war die Rede dann im Ergebnis enttäuschend.
Vielleicht auch noch mal ein Wort zur viel zitierten Zeitenwende. Die Zeitenwende war, wenn wir uns alle hier ehrlich machen, nicht der 24. Februar 2022. Die Zeitenwende war der 18. März 2014; da wurde die Krim einverleibt. Das war die faktische Annexion und aus Sicht Russlands die De-jure-Annexion der Krim. Und deswegen: Wir hätten hier schon früher reagieren müssen. Das gehört dazu, wenn wir uns hier ehrlich machen.
Deswegen müssen wir auf der Welt sorgsamer hinschauen, darauf, was sich in diesen Tagen zwischen Griechenland und der Türkei tut, ebenso auf Chinas Engagement in Afrika. Der heutige Tag wäre für Kanzler Scholz eine perfekte Gelegenheit gewesen, hier Position zu beziehen und manches klarzustellen – eine verpasste Chance, ein verpasster Tag.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Gabriele Katzmarek [SPD]: Sie hätten zuhören müssen, Herr Krichbaum!)
Für die SPD-Fraktion hat nun Frank Schwabe das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 50 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |