08.09.2022 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 51 / Einzelplan 07

Esther DilcherSPD - Justiz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Buschmann! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Diese Haushaltsberatungen stehen mehr denn je im Zeichen des Sparens, der Einhaltung der Schuldenbremse und des Ringens um Maßnahmen und Projekte, die gerade in einer Zeit mit diversen Herausforderungen, die parallel auftreten – Coronapandemie, Ukrainekrieg, Lieferengpässe, Inflation, steigende Energie- und Lebenshaltungskosten –, von herausragender Bedeutung für die Menschen in unserem Land sind.

Theodor Fontane wird das Zitat zugeschrieben:

Eine richtige Sparsamkeit vergißt nie, dass nicht immer gespart werden kann. Wer immer sparen will, der ist verloren, auch moralisch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für uns Sozialdemokraten gilt die Erkenntnis, dass Investieren in der Krise uns vor hohen Folgekosten bewahrt, die dadurch entstünden, wenn wir jetzt in der Krise nichts täten, nur um keine neuen Schulden zu machen. Ja, wir sind bereit, zu sparen – aber bitte nicht kaputtsparen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb müssen wir alle Möglichkeiten in diesem Haushalt ausschöpfen, um das Geld, was zur Verfügung steht, zielgerichtet dort einzusetzen, wo es jetzt am dringendsten gebraucht wird.

Für den Einzelplan 07 – Justiz – haben wir am Montag bereits unser Berichterstattergespräch durchgeführt. Danke an den Hauptberichterstatter und das Ministerium für die Organisation, die Durchführung und insbesondere für die Beantwortung unserer Fragen und die Erläuterungen zu den Haushaltstiteln!

Im Justizhaushalt – Frau Lindholz, Sie haben es gerade gesagt – sind 953 Millionen Euro – Sie sagten: 954 Millionen Euro; es ist ein Quetschbetrag dazwischen – eingestellt. Insgesamt verzeichnet dieser Einzelplan einen geringen Aufwuchs, der zum einen mit höheren Ausgaben im Personalbereich zusammenhängt, insbesondere durch höhere Zuweisungen an den Versorgungsfonds, aber auch mit Aufträgen und Dienstleistungen im Bereich Informationstechnik: von 70 000 Euro im Jahr 2022 auf immerhin 4 995 000 Euro im Jahr 2023 für den Aufbau von Datenlaboren. Dass der Justizminister den Schwerpunkt bei der Digitalisierung setzt, zeigt sich auch bei Maßnahmen des Ministeriums selbst, für die Mittel in Höhe von 3 Millionen Euro eingeplant sind. Das ist wichtig, um den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zum Recht zu erleichtern und Barrieren abzubauen.

Bedauerlicherweise – das ist für uns ein Wermutstropfen – kommen aber die Belange des Kampfes gegen Extremismus, Hass und Hetze im Netz, Gewalt gegenüber Minderheiten – wie zuletzt in Münster im Rahmen des CSD – und die Beratung von ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern bei digitalen Angriffen noch zu kurz. Sehr effektive Projektförderungen laufen aus – zum Beispiel für HateAid –, ohne dass es eine Folgelösung für Betroffene gibt.

Sicherlich wäre es auch unserer Auffassung nach ein gutes Zeichen gewesen, auch im Hinblick auf die Gedenkveranstaltung mit dem israelischen Staatspräsidenten Herzog am Dienstag dieser Woche und die Eröffnung der Ausstellung im Paul-Löbe-Haus, auch in diesem Haushalt das Wohnungsbauprojekt für Holocaust-Überlebende in Israel wieder mit einem Betrag von 200 000 Euro zu unterstützen, wie wir es im parlamentarischen Verfahren für den Haushalt 2022 erneut ausverhandelt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Thema hat mich im Einzelplan 07 besonders umgetrieben. Seit der Gründung der Stiftung Forum Recht durch den Deutschen Bundestag im Jahr 2019 beschäftigt uns dieses Thema eigentlich in jeder Haushaltsdebatte. Die Stiftung ist im Aufwachsen.

Ich kann von mir behaupten, dass ich diese Gründung persönlich vorangetrieben habe und versucht habe, die beteiligten Akteure endlich einmal zusammenzuführen. Dass dieses Kind des Parlaments gut gedeiht, ist mir weiterhin ein großes Anliegen.

Diese Woche waren die beiden Direktoren der Stiftung vor Ort in Berlin zum Gespräch bei mir – und sicherlich auch bei einigen von Ihnen –, um eine Aufstockung der Mittel für die Stiftung zu erbitten. Warum erwähne ich das, liebe Kolleginnen und Kollegen? Weil ich Mitglied im Kuratorium bin und weil ich als Haushälterin für das BMJ, bei dem die Stiftung angesiedelt ist, das Kuratorium mehrfach auf die angespannte Haushaltslage des Bundes hingewiesen habe und versucht habe, die Erwartungen zu dämpfen, die Zuweisungen an die Stiftung würden mittelfristig auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag anwachsen. Die Stiftung erhält in diesem Haushalt denselben Betrag wie in 2022, nämlich 3,5 Millionen Euro, mithin aber 1,7 Millionen Euro weniger, als die Stiftung selbst in ihrer Haushaltsplanung veranschlagt und im Kuratorium beschlossen hat. Es hatte beschlossen – ich zitiere einmal; dem konnte ich als Haushälterin nicht zustimmen –: Das Kuratorium fordert den Haushaltsgesetzgeber auf, den Erfüllungsaufwand der Stiftung Forum Recht in einem dem Aufwuchs auskömmlichen Maße fortzuschreiben. – Das kann aber nicht dazu führen, dass diese Mittel zwangsläufig in den Bundeshaushalt eingestellt werden.

Der Stiftung geht es in diesem Jahr leider wie vielen anderen Projekten und Vorhaben in allen anderen Einzelplänen: Sie ist betroffen von den Sparmaßnahmen, die wir einhalten müssen, umso mehr, damit wir in sozialen Bereichen dringend benötigtes Geld in die Hand nehmen können.

Alle reden über Entlastungspakete. Kritik wird geäußert – das haben wir heute auch wieder gehört –, es sei zu wenig, es treffe zum Teil die falschen Adressaten, es sei nicht bedarfsgerecht. Ich finde die bisherigen Entlastungspakete sehr gut und umsichtig. Wenn jetzt auch die Länder ihren Beitrag leisten, kommen wir noch einen guten Schritt voran, zum Beispiel mit einem Folgeangebot für das 9‑Euro-Ticket.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Finanziell werden wir aus dem Haushalt des BMJ für Entlastungspakete keine Hilfe leisten können. Aber – Sie haben es auch schon gesagt, Herr Dr. Buschmann –: Bauen und Planen dauert zu lange. Dadurch sind die Kosten kaum noch kalkulierbar. Hier kann das Ministerium einen wichtigen Beitrag leisten und Gesetze zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung auf den Weg bringen und, eventuell mit dem Bauministerium zusammen, auch das Baugesetzbuch novellieren. Vorsorge im Justizbereich wurde bereits getroffen und ein neuer Senat beim Bundesverwaltungsgericht geschaffen, um dann auch bei zusätzlichen Klageverfahren diese schnell abarbeiten zu können, damit nicht auf Gerichtsebene die Planungsbeschleunigung wieder torpediert wird.

Herr Minister Dr. Buschmann, das Ministerium kann noch sehr viel mehr zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger beitragen – nicht mit Geld, aber mit der Umsetzung der Gesetzesvorhaben aus dem Koalitionsvertrag zum Schutz von Mieterinnen und Mietern: Mieterschutzregelungen verlängern, die Kappungsgrenzen absenken, die Mietpreisbremse verlängern, qualifizierte Mietspiegel rechtssicher ausgestalten und Transparenz bei den Nebenkostenabrechnungen schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Minister, ich hoffe, all das wird von Ihrer Vorhabenplanung für das zweite Halbjahr umfasst, auch wenn es nur unter dem Stichwort „Mietrecht“, ohne nähere Ausführungen, in Ihren Plan aufgenommen wurde. Das wäre eine echte Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, ohne dass Sie in Ihrem Haushalt auch nur 1 Euro dafür investieren müssten.

(Beifall bei der SPD)

Zum Schluss möchte ich gern noch mal auf den Vorwurf eingehen, seitens des Ministeriums werde kein Geld vorgesehen für den Pakt für den Rechtsstaat oder für den Digitalpakt. Ich habe es eben schon dazwischengerufen: Wer das genau verfolgt hat und wer sich mit Haushaltsrecht auskennt, der weiß, dass für den Pakt für den Rechtsstaat niemals Geld im Justizhaushalt gestanden hat.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Aber auch nirgendwo anders ist es geregelt, Frau Kollegin! Da ist nichts geregelt!

Es wird über die Umsatzsteuerpunkte geregelt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das kann nicht im Bundesjustizhaushalt stehen. So ist es in der Vergangenheit gemacht worden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich finde, wenn die Umsatzsteuereinnahmen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden, dann können die Länder – verdammt noch mal! – ihrer Pflicht nachkommen, sich an den finanziellen Kosten von Länderaufgaben zumindest zu beteiligen; denn Justiz ist nun mal Länderaufgabe.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Die Ministerpräsidenten sind vom Bund noch nie so schlecht behandelt worden! Sogar die von der SPD finden das nicht so toll!)

Ich finde es schon großartig, dass wir als Bund die Hand ausstrecken

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Die ist aber leer, die Hand! Die leere Hand ist nicht so richtig! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Die Hand ist ganz leer!)

und mit den Ländern gemeinsam den Pakt für den Rechtsstaat ausgestalten. Das wird im Digitalpakt genauso sein. Wir dürfen es aus verfassungsrechtlichen Gründen gar nicht in den Justizhaushalt schreiben.

(Franziska Hoppermann [CDU/CSU]: Darum geht es doch gar nicht!)

– Genau darum geht es.

(Franziska Hoppermann [CDU/CSU]: Nein! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Nein! Es ist nichts geregelt für den Digitalpakt! Gar nichts!)

Wenn Sie uns vorwerfen: „Es steht nicht drin“, entgegnen wir: „Es kann auch nicht drinstehen.“ Lesen Sie Ihre Rede noch mal nach.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für die AfD-Fraktion hat das Wort Dr. Michael Espendiller.

(Beifall bei der AfD – Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das wieder eine vorgelesene Rede ohne Blickkontakt mit dem Publikum?)

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Session 51
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