20.10.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 63 / Zusatzpunkt 4

Christos PantazisSPD - GKV-Finanzstabilisierungsgesetz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Genau vor einer Woche hat der beim Bundesamt für Soziale Sicherung angesiedelte Schätzerkreis eine Prognose für die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr vorgenommen und dabei das erwartete historisch hohe Defizit in Höhe von 17 Milliarden Euro bestätigt – eine bedrückende Erkenntnis, aber keine Überraschung. Wir wissen alle, dass die Ausgaben mit jährlich rund 4 Prozent seit Jahren spürbar stärker als die Einnahmen wachsen. Es herrscht also kein Erkenntnisdefizit. Wir wissen schließlich, dass fehlende Strukturreformen sowie populäre, allerdings teure Leistungsreformen für dieses Defizit von 17 Milliarden Euro verantwortlich sind. Das alles geschah unter Minister Spahn.

Mit diesem hier in der zweiten und dritten Lesung vorliegenden GKV-Finanzstabilisierungsgesetz müssen wir genau dieses Defizit kurzfristig – ich betone: kurzfristig – schließen. Dabei steht für meine Fraktion fest, dass die Lasten auf mehrere Schultern verteilt werden müssen, was sich in einem höheren Bundeszuschuss und der Heranziehung von Finanzreserven der Kassen und des Gesundheitsfonds, aber auch in dem Beitrag seitens der Pharmaindustrie, der Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Apotheker/-innen und Krankenhäuser widerspiegelt. Denn ohne diese Lastenverteilung müsste das Defizit ausschließlich von Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern durch einen Zusatzbeitrag – Herr Kollege Ullmann hat es gesagt – von bis zu 1 Prozentpunkt geschultert werden. Dennoch wird es nicht ohne Beitragssteigerungen gehen; im Durchschnitt werden die Beitragssätze moderat um 0,3 Prozentpunkte steigen.

Im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens haben wir getreu dem Struck’schen Gesetz – kein Gesetz passiert das Parlament so, wie es eingebracht worden ist – Änderungen vorgenommen. Wir haben – und da gebe ich meinem Kollegen Ullmann vollkommen recht – unter Beweis gestellt, dass in Zeiten, wo eine Krise die nächste jagt, der Parlamentarismus, dessen Wesen der Kompromiss ist, funktioniert. Das findet in den 17 Änderungsanträgen in unterschiedlichen Bereichen seinen Niederschlag, wobei wir eine ganze Reihe wichtiger Verbesserungen gegenüber dem Ursprungsentwurf erreicht haben. So konnte das Schonvermögen für kleine Kassen von 2 auf 4 Millionen Euro erhöht werden und die Bezahlung der Parodontitisbehandlung für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung verbessert werden. Bei den Arzneimitteln haben wir den Kern der Reform verteidigt und unter anderem noch Verbesserungen bei Kombinationstherapien und Arzneimitteln gegen seltene Erkrankungen sowie der Opt-in-Regelung erreicht. All diese Maßnahmen werden kritisch evaluiert und begleitet. Dadurch sichern wir den Forschungs- und Produktionsstandort hier in Deutschland.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wichtig für uns als Fortschrittskoalition sind uns getreu unserem Koalitionsvertrag auch die Schwerpunktthemen Bürokratieabbau und Transparenz. Schließlich wollen wir das Personal im Gesundheitswesen entlasten, und wir wollen Verbesserungen im Bereich der Service- und Versorgungsqualität für die Patientinnen und Patienten erreichen. Hierfür soll das Bundesministerium für Gesundheit bis zum 30. September des kommenden Jahres Empfehlungen vorlegen. Bei der Ärztehonorierung werden wir den Wegfall der Neupatientenregelung durch verbesserte Zuschläge für eine schnelle Terminvergabe kompensieren. Das soll die Rolle der Hausärzte und auch die Terminservicestellen stärken und ist ein bedeutender Schritt gegen die Zweiklassenmedizin.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch diese Maßnahme wird in regelmäßigen Abständen evaluiert und kritisch begleitet.

An dieser Stelle darf ich mich bei den Berichterstattern Andrew Ullmann und Maria Klein-Schmeink herzlich für die konstruktive Beratung bedanken. Trotz manchmal unterschiedlicher Sichtweisen haben wir konstruktiv an einem gemeinsamen Ziel gearbeitet, nämlich an der Liquiditätssicherung und Stabilisierung der GKV für das kommende Jahr. Das ist uns in dem vorliegenden Gesetzentwurf gelungen.

Wie ich eingangs schon gesagt habe, ist das wachsende strukturelle Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Folge von versäumten Strukturreformen sowie populären, allerdings teuren Leistungsreformen unter Minister Spahn. Mit diesem Gesetz machen wir jetzt weitreichende Strukturreformen bei der Arzneimittelversorgung. Weitere Strukturreformen im Gesundheitswesen werden folgen, insbesondere im Krankenhausbereich; denn die sind bereits in Arbeit.

Unabhängig davon habe ich für meine Fraktion die klare Erwartungshaltung, dass wir die grundsätzlichen Finanzierungsfragen angehen müssen, um das strukturelle Defizit nicht nur kurzfristig, sondern auch nachhaltig zu beseitigen. Für meine Fraktion möchte ich daher unmissverständlich betonen, dass wir uns dabei an den Leitplanken des Koalitionsvertrages orientieren werden. Das schließt ausdrücklich die regelhafte Dynamisierung des Bundeszuschusses sowie höhere Beiträge für die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II aus Steuermitteln mit ein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])

In diesem Sinne freue ich mich auf die kommenden Monate und Jahre, in denen die Fortschrittskoalition diese Strukturreformen im Gesundheitsbereich, die über Jahre liegen geblieben sind, angehen wird, oder, wie wir im Niedersächsischen sagen würden: Wir werden anpacken und besser machen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Stephan Pilsinger, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Personen

Dokumente
Beschlussempfehlung und Bericht
Drucksache 20/4086
a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 20/3448, 20/3713, 20/4001 Nr. 1.4 - Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) b) zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU - Drucksache 20/2375 - Soforthilfeprogramm für Krankenhäuser zur Abfederung unvorhersehbarer inflationsbedingter Kostensteigerungen c) zu dem Antrag der Fraktion der Abgeordneten Martin Sichert, Jörg Schneider, Dr. Christina Baum, weiterer Abgeordneter und der AfD - Drucksache 20/2360 - Abschaffung der Budgetierung für Ärzte d) zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Sichert, Marc Bernhard, René Bochmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 20/3532 - Bevorzugung von Importarzneimitteln beenden - Arzneimittelsicherheit verbessern e) zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Sichert, Jörg Schneider, Dr. Christina Baum, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 20/3533 - Lieferengpässe bei Arzneimitteln wirksam begrenzen - Abhängigkeit der Arzneimittelversorgung vom Nicht-EU-Ausland abbauen f) zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Sichert, Jörg Schneider, Dr. Christina Baum, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD - Drucksache 20/3536 - Abschaffung des DRG-Systems im Krankenhaus und Einführung des Prospektiv-Regionalen-Pauschalensystems g) zu dem Antrag der Fraktion der Abgeordneten Martin Sichert, Jörg Schneider, Dr. Christina Baum, weiterer Abgeordneter und der der AfD - Drucksache 20/3537 - Verfahren der Nutzenbewertung und Preisfindung im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz auch auf Medizinalcannabis anwenden und damit gleichzeitig die Anwendungssicherheit verbessern und die Krankenkassen entlasten h) zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Susanne Ferschl, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 20/3484 - Kassendefizite solidarisch überwinden - Erhöhung der Beitragssätze durch die Krankenkassen verhindern i) zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Ates Gürpinar, Susanne Ferschl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 20/3485 - Mehrwertsteuer auf Arzneimittel absenken - Anhebung der Zusatzbeiträge für gesetzlich Krankenversicherte verhindern
von: Ausschuss für Gesundheit

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547412
Wahlperiode 20
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt GKV-Finanzstabilisierungsgesetz
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