09.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 65 / Zusatzpunkt 3

Volker RedderFDP - Digitale Verwaltung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Es war ja sehr laut gerade eben.

(Nadine Schön [CDU/CSU]: Laut? – Gegenruf der Abg. Marianne Schieder [SPD]: Es geht schon leiser!)

– Launig auf der Seite.

Wir wissen alle: Das OZG, das Onlinezugangsgesetz, verpflichtet Bund und Länder, die Dienstleistungen der Verwaltung bis Ende 2022 digital anzubieten. Das betrifft nicht alle Dienstleistungen; es waren 575, um das noch mal etwas herunterzubrechen. Das war in der Theorie so. In der Praxis sieht es natürlich anders aus: Der Umsetzungsstand ist unbefriedigend, und die Umsetzungsfrist, die Ende dieses Jahres ausläuft, wird nicht einzuhalten sein.

Woran liegt das? Die Union schreibt in ihrem Antrag, dass vieles im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung erfolgreich angeschoben wurde und wir als Ampel jetzt nicht mit der gleichen Dynamik weitermachen. Ich kenne die Zahlen, und Sie kennen sie eigentlich auch. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Ich weiß nicht, was so ein Narrativ soll. Es war die von Ihnen geführte Große Koalition, die beim Thema Verwaltungsdigitalisierung wirklich nichts hinbekommen hat.

(Nadine Schön [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!)

War das nicht sogar in der letzten Legislatur beim Kanzleramt angesiedelt?

Ich habe mal nachgeguckt: Vor Corona lag der Umsetzungsgrad des OZGs bei 3 Prozent. Ende des letzten Jahres, mit Beginn der Ampelarbeit, waren es sagenhafte 7 Prozent.

(Zuruf der Abg. Nadine Schön [CDU/CSU])

Sie haben also in den vier Jahren von 2017 bis 2021 wirklich viel geleistet.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU])

Und Sie erwarten jetzt von uns, dass wir in einem Jahr 93 Prozent machen? Wie kommen Sie denn darauf?

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist schon ziemlich dreist, mit dem Finger auf uns zu zeigen.

Also, man kann mal zusammenfassen: Das OZG, Frau Schön, erlebt derzeit wegen Ihrer Politik eine Vollbremsung. Und jetzt schauen wir mal in Ihren Antrag; das haben Sie eben auch schon gemacht. Sie haben über EfA gesprochen.

(Abg. Nadine Schön [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Ich erlaube Zwischenfragen. Gerne.

Danke, dass Sie gleich reagieren.

Ich habe es gerade gesehen.

Frau Schön, Sie haben das Wort.

Lieber Kollege Dr. Redder, bei mir entsteht der Eindruck, dass Sie die Konstruktion des Onlinezugangsgesetzes nicht kennen. Das Onlinezugangsgesetz ist von seiner Struktur her so, dass immer Bund und Länder eine Leistung gemeinsam entwickeln. Das heißt: Wenn Sie eine politische Verantwortung sehen, müssen Sie die parteiübergreifend bei allen sehen; denn unsere Bundesländer werden von Koalitionen verschiedener politischer Couleur regiert. Dazu gehört auch die FDP, zwar nicht mehr so viel, aber durchaus zahlreich in der Vergangenheit.

(Zuruf der Abg. Karoline Otte [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb: Wenn Sie alle den Blick nach hinten werfen, können wir uns alle gemeinsam an die Nase fassen, wie gut oder schlecht wir da vorangekommen sind. Fakt ist aber, dass in den letzten Jahren eine Dynamik entstanden ist. Deshalb ist unser Ansatz, dass wir diese Dynamik nicht abbremsen wollen. Es ist ein Teil bereits digitalisiert und ganz vieles auf dem Weg, und deshalb müssen wir dafür sorgen, dass das weitergeht. Da hilft nicht der Blick nach hinten, sondern nur der Blick nach vorn. Es wäre schön, wenn ein Redner dieser Ampelkoalition auch mal den Blick nach vorne und nicht alle nur den Blick nach hinten werfen würden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Ich habe jetzt die Frage nicht so ganz genau verstanden, aber ich beantworte das mal aus meiner Sicht.

Natürlich ist es ein Bund-Länder-Problem.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

Das Ganze ist aber auch so konzipiert: Wir haben 16 Bundesländer, einen Bund und ungefähr 10 000 Kommunen, denen in den letzten Jahren erlaubt worden ist, ihre IT‑Lösungen zu basteln. Wir haben da Access-Lösungen, Filemaker-Lösungen, die mit nichts interoperabel sind; das wissen Sie. Und was ist die Aufgabe des Bundes, wenn er ein OZG macht? Vorgaben zu machen, Standards zu definieren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Nadine Schön [CDU/CSU]: Deshalb braucht man ein OZG?)

Das haben Sie nicht gemacht! Wir haben immer noch den Wildwuchs. Wir haben immer noch dasselbe Desaster wie vor fünf Jahren, vor zehn Jahren, vor zwanzig Jahren. Und, Frau Kreiser, ich habe eine schlechte Nachricht für Sie: Genscher hat die IT 1974 eingeführt, also noch ein bisschen früher. Also: Da müssen wir ran. Wir müssen an Standards ran.

(Nadine Schön [CDU/CSU]: Ja, steht in unserem Antrag! – Gegenruf der Abg. Dunja Kreiser [SPD]: Das macht die Sache nicht besser!)

– Darf ich weitermachen? – Gut.

Sie haben das Eine-für-alle-Prinzip so gelobt. Das ist aber tatsächlich ein Problem; weil dieses EfA-Prinzip dafür sorgt, dass bestimmte Bundesländer – dazu zähle ich dummerweise auch Bayern – immer wieder andere ausgrenzen. Wenn nicht deren Applikation gewinnt, dann sind sie beleidigt. Das funktioniert nicht. Deswegen ist diese ganze Idee mit dem EfA-Wettbewerb und -Prinzip keine gute, weil viele Redundanzen gemacht werden; das haben wir nun alles erlebt. Wir sind inzwischen immer noch bei vielleicht 8 Prozent Umsetzungsgrad.

(Nadine Schön [CDU/CSU]: Sie können das alles ändern!)

Das müssen wir ändern.

Jetzt gucken wir mal in die Zukunft. Sie reden also in Ihrem Antrag von technischen Standards; das klingt gut. Aber wir reden von Datenstandards, von Softwarestandards. Wir müssen dafür sorgen, dass diese mangelnde Dateninteroperabilität zwischen den Bundesländern und dem Rest wieder funktioniert, und zwar so, dass auch die Wirtschaft einen Anreiz findet, mitzumachen. Da sind wir übrigens gerade dabei. Das ist Bestandteil vom OZG 2.0. Mit anderen Worten: Das, was Sie uns da erzählen, ist schön, aber das ist alt. Wir machen es ganz neu. Wir betrachten die Sache ganzheitlich.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

Das können wir auch super machen, weil wir ja vorgesehen haben, dass es ein Multi-Cloud-System gibt, und wir können die Kommunen und die Bundesländer in das Multi-Cloud-System nur dann reinlassen, wenn sie bestimmte Standards erfüllen. Das ist der Trick. Auf den hätten Sie auch mal kommen können in den letzten 16 Jahren.

(Nadine Schön [CDU/CSU]: Das steht im Antrag!)

– Ja, das steht jetzt im Antrag. Super. Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Also, wir werden dieses Chaos der Vorgängerregierung in der Ampel mit einem OZG 2.0 beseitigen. Wir denken es ganzheitlich. Wir müssen auch – das hat Frau Khan gerade schon gesagt – an das Registermodernisierungsgesetz denken. Es geht um Verfassungskonformität. Sie haben ja im März letzten Jahres, also 2021, noch einen Beschluss dazu gefasst; der ist aber anscheinend nicht verfassungskonform. Da müssen wir ran.

(Nadine Schön [CDU/CSU]: Sie haben im Bundestag zugestimmt! )

Das muss nicht bedeuten, dass es ein neues Gesetz geben muss, aber es muss eine Neuregulierung dazu geben. Also, wir werden einen umfassenden datenschutz- und verfassungskonformen Rechtsrahmen bilden. Wir wollen die Digitalisierung vorantreiben.

Ich nenne noch ein Beispiel, das zwar nicht mit dem OZG zu tun hat, das aber zeigt, dass wir die Fortschrittskoalition sind. Wir bringen nämlich Anfang des nächsten Jahres die Elster-App raus. Das heißt: Jeder Bundesbürger, jede Bundesbürgerin ist in der Lage, mit einem Smartphone die Steuererklärung zu machen,

(Enrico Komning [AfD]: Na, wie toll!)

und nicht so wie früher, als man Formulare hatte, in denen man ankreuzen musste. Vielmehr ist das Ganze prozess- und nutzerorientiert. Diese Denke brauchen wir bei allen OZG-Verfahren.

Ich kann an dieser Stelle gar nicht genug betonen, wie wichtig es ist, die Digitalisierung in Deutschland voranzutreiben. – Ich lasse mal die anderen Punkte weg, weil hier schon die Anzeige „Präsident“ blinkt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

Gut erkannt. Letzter Satz.

Wir müssen weiter denken. Unsere Verwaltung muss als Vorbild dienen und die Wirtschaft einbinden. Die Verwaltung ist der größte IT-Auftraggeber in Deutschland; deswegen kann sie ein Treiber sein. Die Vision, die daraus entsteht, ist ein praktikables Vorbild für die Wirtschaft. Natürlich reden wir von quelloffener Software. Natürlich reden wir auch von kostenloser Software.

Herr Dr. Redder, letzter Satz, bitte.

So und nur so lässt sich mehr Souveränität und internationale Wettbewerbsfähigkeit für den Wirtschaftsstandort Deutschland generieren.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU/CSU hat das Wort Dr. Reinhard Brandl.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547758
Wahlperiode 20
Sitzung 65
Tagesordnungspunkt Digitale Verwaltung
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