Reinhard BrandlCDU/CSU - Digitale Verwaltung
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe sogenannte Fortschrittskoalition! Ist Ihnen das nicht langsam selber peinlich? Fast jede Woche diskutieren wir hier im Deutschen Bundestag ein anderes Beispiel, wie Sie Digitalisierung und Fortschritt in Deutschland ausbremsen – aktiv ausbremsen!
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Volker Redder [FDP]: Sie hatten 16 Jahre! – Zuruf der Abg. Marianne Schieder [SPD])
Ich erinnere an die Debatte von letzter Woche: den Förderstopp im Breitbandausbau. Sie stoßen Hunderte Kommunen einfach vor den Kopf.
(Zuruf der Abg. Dunja Kreiser [SPD])
Die Wochen davor: Ihre Copy-paste-Digitalstrategie, das Zuständigkeitschaos bei der Bundesregierung im Bereich Digitalisierung, das fehlende Digitalbudget. Merken Sie es nicht selber? Sie sind eigentlich gar keine Fortschrittskoalition.
(Dunja Kreiser [SPD]: Ja, doch! Haben Sie nicht zugehört?)
Sie sind eine Stillstandskoalition, vor allem im digitalen Bereich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Debatte heute ist der beste Beweis dafür.
Seit genau fünf Jahren gilt das Onlinezugangsgesetz. Seit genau fünf Jahren ist klar, dass am 31. Dezember 2022 die Umsetzungsfrist endet.
(Zuruf der Abg. Dunja Kreiser [SPD])
Bis heute, 52 Tage vor Auslaufen der Frist, haben Sie kein Nachfolgegesetz vorgelegt. Bis heute, 52 Tage vor Ende der Frist, wissen die Länder nicht, wie sie die Leistungen weiter finanzieren sollen. Heute habe ich Storys gehört von Hans-Dietrich Genscher, von Helmut Schmidt; aber ich habe keine einzige Idee gehört,
(Dunja Kreiser [SPD]: Doch!)
was Sie denn konkret am Onlinezugangsgesetz verbessern wollen.
(Dr. Volker Redder [FDP]: Haben Sie nicht zugehört?)
Das höre ich von Ihnen nicht; das erwarten aber die Bürgerinnen und Bürger von Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In Ihrem Koalitionsvertrag heißt es: Mehr Fortschritt wagen. – Davon höre ich bei Ihnen nichts.
Ich kann Ihnen sagen, was wir machen würden, wenn wir jetzt weiter an der Regierung wären:
(Dr. Volker Redder [FDP]: Genauso weiter wir bisher! – Dunja Kreiser [SPD]: Genauso weitermachen! 3 Prozent in 4 Jahren!)
Wir würden als Bund mit gutem Beispiel vorangehen.
(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Erstens. Wir würden einführen, dass ab 1. Januar 2025 alle Bürger einen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsleistung beim Bund haben. Dafür brauchen Sie kein Bundesland.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das können Sie alleine machen. Das wäre in Ihrer Verantwortung. Sie könnten es sogar schneller machen.
(Dunja Kreiser [SPD]: Ach, so! Das wäre aber kein Föderalismus!)
– Nein, das hat nichts mit Föderalismus zu tun. Es geht um die Leistungen des Bundes.
Der zweite Punkt. Wir würden eine Standardisierungsoffensive starten. Der Kollege Redder hat recht: Es geht um die Standards. Wir würden auch einen Anspruch einführen. Wenn ein Betreiber einer IT‑Dienstleistung oder eine Kommune sagt, er bzw. sie brauche für das Verfahren einen einheitlichen Standard vom Bund, dann besteht ein Anspruch darauf, dass der Bund diesen Standard auch setzt. Es wird nicht funktionieren mit der Lösung „Einer für alle“, sondern wir brauchen einen App-Store, und der App-Store braucht einheitliche Standards. Wir brauchen eine Standardisierungsoffensive. Dazu habe ich von Ihnen nichts gehört.
(Dr. Volker Redder [FDP]: Das machen wir aber!)
Drittens. Wir würden den Ländern das Geld überlassen, das wir ihnen zugesagt haben. Wir haben im Jahre 2020 ein Coronakonjunkturprogramm gemacht. Wir haben 3 Milliarden Euro mehr für Verwaltungsdigitalisierung ausgegeben. Wo ist denn angesichts Ihrer Hunderte Milliarden Schulden Ihr zusätzliches Geld für Verwaltungsdigitalisierung?
(Zuruf der Abg. Dunja Kreiser [SPD])
Ich lese im Haushalt dazu nichts.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Volker Redder [FDP]: Warten Sie mal ab!)
Aber was Sie jetzt machen, ist ein echter Vertrauensbruch gegenüber den Ländern. Sie streichen den Ländern das Geld, das sie nicht ausgegeben haben. Aber die Länder haben das Geld schon verplant. Jetzt haben einzelne Länder wie Schleswig-Holstein schon gesagt, sie könnten ihre Dienstleistungen nicht weiterentwickeln, sie müssten die Anwendungen stoppen. Das ist ein Desaster für die Bund-Länder-Beziehungen.
Der vierte Punkt. Wir würden dem Thema wirklich politische Priorität geben. Zu unserer Zeit war es im Bundeskanzleramt angesiedelt.
(Marianne Schieder [SPD]: Und was hat es geholfen?)
Wo ist es jetzt? Keine Ahnung. Sehen Sie Nancy Faeser? Sehen Sie den sogenannten Digitalminister Volker Wissing? Die sind nicht da, sie finden in dieser Debatte nicht statt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Marianne Schieder [SPD]: Der Staatssekretär ist doch da! Das war zu Ihrer Zeit auch so, dass nicht immer die Minister da waren!)
Meine Damen und Herren von der Ampelkoalition, Sie können nichts dafür, dass Ihre Minister nicht da sind. Sie können auch nichts für die Auswahl Ihrer Minister; das hat jemand anders entschieden.
(Zuruf der Abg. Marianne Schieder [SPD])
Aber Sie hätten jetzt die Chance, mal selber einen Akzent zu setzen. Sie sind jetzt ein Jahr im Amt. Sie haben in diesem einen Jahr im Amt keinen einzigen Antrag hier im Deutschen Bundestag zum Thema Digitalisierung gestellt. Sie haben keinen eigenen Vorschlag gemacht. Dabei wäre es Ihre Aufgabe als Parlamentarier, der Regierung mal ein bisschen Druck zu machen, ein bisschen Feuer zu machen. Davon sehe ich heute nichts. Davon habe ich das ganze letzte Jahr nichts gesehen. Das ist schade. Das ist ein Rückschritt für die Digitalisierung in Deutschland.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion hat das Wort Robin Mesarosch.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7547759 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 65 |
Tagesordnungspunkt | Digitale Verwaltung |